GEMEINDEN

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«Das Urner Dorf» von Karl Iten

Göschenen «Die Schnellzüge, die durch die Düsternis des winterlichen Reusstales brausen, wirbeln Schneestaub auf, reissen in ihrem Luftsog ganze Wolken von Eiskristallen mit, setzen Schneehaufen in Bewegung und verwehen sie den Geleisen entlang. Die Reisenden blicken wohl einen Augenblick lang durch die angelaufenen Scheiben, sehen das bedrückende Schwarz-Weiss von Schnee und Fels und Tannen, entdecken vielleicht die winzigen Behausungen an den steilen Hängen, wundern sich wahrscheinlich, dass man hier leben kann, und vertiefen sich dann wieder in ihre Zeitung mit den Berichten aus der „grossen" Welt. – Göschenen, wie anders empfindet dich der geruhsame Wanderer, der dich zu Fuss durchmisst, vom mahnenden Symbol des Teufelssteins bis hinauf zum kühnen Sprung der Teufelsbrücke! Du wirst durchschnitten von der Göschenerreuss und die Gotthardstrasse durchzieht dich in einem wunderlichen Schnörkel, ehe sie sich zwischen den gigantischen Felswänden der Schöllenen hinaufwindet. Welch' umständliche Vorbereitung auf eine Passfahrt! Hinter dir lauern ernst die beiden schwarzen Öffnungen des Gotthardtunnels wie das Tor zum Orkus. Wer denkt wohl heute noch an die betriebsamen Tage des Tunnelbaus, und an die namenlosen Arbeiter, die mit ihren Grubenlampen in den Bauch des Berges fuhren und staub- und schweissverschmiert beim Schichtwechsel wiederkehrten? Aber bald werden hier, ganz in der Nähe, aufs neue die Baumaschinen rattern, die Bohrhämmer dröhnen, dumpfe Detonationen aus dem Innern des Berges dringen, schrille Sirenen und helle Hörner vor Gefahren warnen, Pressluft zischen und fauchen, Schutt und Steingeröll über die steilen Halden kollern, und die Rufe der Bauarbeiter in fremden Sprachen von den Hängen widerhallen.» Iten Karl; Eine beschauliche Reise durch den Kanton Uri festgehalten in einer Folge von Linolschnitten und Texten von Karl Iten; Altdorf 1968. -------------------------