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Böser Blick
   
Seit Urzeiten galt die Vorstellung, dass der Böse Blick Menschen schaden konnte. Das von ihm getroffene Opfer konnte krank werden oder gar sterben. Vor allem Schwangere fürchteten, dass er dem ungeborenen Kind etwas antun konnte. Der Böse Blick war auch im Stall gefürchtet. Wurde das Vieh krank oder gaben die Kühe keine Milch, hielt man das für ein unheilvolles Treiben. Auch Pflanzen und selbst leblose Dinge konnten durch den Bösen Blick geschädigt werden.

Der Böse Blick hatte seinen Ursprung im weltweit verbreiteten Glauben an die schädigende Zauberkraft der Augen. Nach den griechischen Naturforschern sandte das Auge Strahlen aus, die die Dinge beleuchteten und wieder ins Auge zurückkehrten. Aus dieser Vorstellung heraus entstand die Meinung, dass die Augenstrahlen nicht nur gute, sondern auch bannende, schädigende oder lähmende Wirkungen haben konnten. Später hatte der Mensch eine sehr bildhafte Erklärung für den Bösen Blick. Stand jemand mit dem Teufel im Bunde oder hatte der Neid die Seele eines Menschen zerstört, so verbreiteten sich in ihm Körpersäfte dunstartig bis in die obersten Körperteile. Dieser Dunst strömte aus den Augen und infizierte die Luft. Dementsprechend verglich das Volk den Bösen Blick mit vergifteten Pfeilen, die aus den Augen schossen, einen anderen Menschen trafen und ihm Krankheit und Tod brachten. Vom Bösen Blick getroffene Menschen und Tiere wurden angesteckt, indem der Dunst durch deren Augen in ihren Körper eindrang und sie krank machte.

Man unterschied zwei Gruppen von Menschen, die mit ihrem Blick schaden konnten: Hexen und Zauberer, die sich diese Fähigkeit durch allerlei Mittel angeeignet hatten, und Menschen, die durch Vererbung mit dieser entsetzlichen Eigenschaft behaftet waren. Aus Angst vor dem Bösen Blick suchte man nach Erkennungsmerkmalen. Einen Bösen Blick hatten jene Menschen, deren Seelen durch Neid, Zorn, Eifersucht und ähnliche negative Eigenschaften belastet waren. Namentlich war es der Neid, der die mit dem Bösen Blick behafteten Menschen ihre Giftpfeile verschiessen liess, weshalb man auch vom neidischen Blick sprach. Der Böse Blick konnte auch angeboren sein oder sich angeeignet werden. Äussere Zeichen für den angeborenen Bösen Blick waren zusammengewachsene oder buschige Augenbrauen, rote oder zitternde Augenlider. Wer schielte, wer einen Fleck im Auge oder entzündete Augenlider hatte und Menschen mit aussergewöhnlichen Pupillen oder spezieller Augenfarbe wurden des Bösen Blickes verdächtigt. Auch glaubte man, dass der Blick einer menstruierenden Frau vergiftet war und schaden konnte. Des Bösen Blicks verdächtigt waren Leute, denen man eine Verbindung zum Teufel nachsagte. Unter den Berufsständen standen Prostituierte, alte Frauen, Hebammen, Ärzte und Gelehrte im Ruf, ihn zu haben.

Ein Böser Blick führte bei den von ihm getroffenen Menschen zu verschiedenen Krankheiten, wie Kopfweh, verdorbener Magen, Krämpfe, Ohnmachtsanfälle, Geschlechtskrankheiten und Impotenz. Unter den chronischen Krankheiten waren tuberkulöse Haut- und Lymphknotenerkrankungen bei Kindern, Lähmungen, Schwindsucht, Herzfehler und geistige Umnachtung gefürchtet. Sogar der Tod wurde dem Bösen Blick zugeschrieben.

Das Volk kannte verschiedene magische Schutzmittel, um sich von diesen Giftpfeilen der Augen abzuwehren, so die Feige oder die Hörnchenhand. Bei der Feige wurde der Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger durchgesteckt, was als obszöne Geste galt. Da der Böse Blick auch Unfruchtbarkeit auslösen konnte, war die Feige mit ihrer Andeutung der Vereinigung von Mann und Frau wie ein Gegenzauber. Die Hörnchenhand – ausgestreckter Zeige- und kleiner Finger – sollte das Zauberauge und somit den Neid durchbohren. Näherte sich eine gefährliche Person, so formte man ganz unauffällig die Hand zu einer Abwehrgeste. Damit die Gesten dauerhaften Schutz vor möglicher Böswilligkeit gewährten, fertigte man sie auch als Objekte, meist aus roter Koralle, wodurch dem Amulett eine verstärkte Schutzfunktion zukam. Darstellungen von Augen, oft aus gläsernen Perlen gefertigt und in eine Silberfassung eingelassen, versprachen die nötige Abwehr. Da einen die Gefahren jederzeit überraschen konnten, mussten die Abwehrmassnahmen permanent wirksam sein. Auf ein Gebäude gemalte oder eingeritzte christliche Sprüche, Symbole oder Augendarstellung bewahrten die Bewohner vor dem Unheil des Bösen Blicks. Wer kein Abwehrmittel zur Hand hatte, bekreuzigte sich. Bei hartnäckigen Fällen holte man Geistliche, die Abwehr schaffen sollten. Als Spezialisten galten die Kapuziner.

Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 102 ff; Literatur: Hofmann Lea, Anhängen, zeigen, S. 56 f. Kälin Detta, Zauberwahn und Wunderglauben, S. 8 f. Lussi Kurt, www.lussikurt.ch (2019); Niederberger Hanspeter, Hirtler Christof; Geister, Bann und Herrgottswinkel, S. 43; „Suisse Primitive“, Museumsführer (2002); Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 93.

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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 1.6.2019