Begriffe des Urner Münzwesens
Lateinische Münzunion
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es grosse Turbulenzen auf dem Edelmetallmarkt. Die Entdeckung grosser Mengen Goldes in Australien und in den Vereinigten Staaten zwischen 1848 und 1851 hatte zu einer Verteuerung des Silbers im Verhältnis zum Gold geführt. Dieser Umstand löste Spekulationen aus und liess eine Demonetisierung der Silbermünzen angebracht erscheinen, denn der effektive Wert war höher als der nominale. Die Silbermünzen wurden deshalb nach und nach durch Goldmünzen ersetzt. Der wesentlich höhere Eigenwert des Goldes führte zu beträchtlichen Schwierigkeiten bei den Transaktionen bescheidenen Umfang. Diese Entwicklung traf auch die Schweiz, die mit dem eidgenössischen Münzgesetz von 1850 den Franken eingeführt hatte. Eine Münze hatte einen Silbergehalt von 5 g und einem Feingehalt von 900/1000. Dasselbe Gesetz erlaubte auch den Umlauf von ausländischen Silbermünzen, die mit dem französischen System übereinstimmten, darunter die französischen, belgischen und die des Königreichs Sardinien.
Zur Lösung dieses Problems gründeten Frankreich, Belgien, Italien und die Schweiz 1865 in Paris die Lateinische Münzunion, der sich 1868 auch Griechenland anschloss. Es wurde ein Gold-Silber-Verhältnis festgelegt und als Basis der französische Franc festgelegt. Das Abkommen regelte die Münzprägung und legte einen Metallgehalt (Feingehalt) für die Gold- und Silbermünzen der beteiligten Länder fest. Die Münzen wurden zum frei umlaufenden und allgemein akzeptierten Zahlungsmittel innerhalb der Staaten der Union. Auch der Feingehalt der Scheidemünzen wurde bestimmt. Durch den Beitritt zur Münzunion wurde die Schweiz Teil des französischen Währungsraums.
Wenige Jahre nach ihrer Entstehung wurde die Lateinische Münzunion mit einem entgegengesetzten Problem konfrontiert. Die Übernahme des Goldstandards durch das neu gegründete Deutsche Reich (1871) führte zur Liquidation der Silbermünzen. Die Verknappung des Goldes und die Zunahme der Silberproduktion zog eine Abwertung des Silbers nach sich, was die Prägung von Silbermünzen begünstigte. Die Länder der Union begrenzten daher in den 1870er Jahren die Emission von Silbermünzen und stellten diese ab 1880 ganz ein. Diese Entwicklung verlief parallel zum faktischen Übergang vom Bi- zum Monometallismus.
Die Schwierigkeiten, die mit dem Ersten Weltkrieg entstanden, führten zum endgültigen Untergang der Union: 1920 zogen Frankreich und die Schweiz ihre ausserhalb der Landesgrenzen umlaufenden Münzen zurück, 1921 tat Belgien dasselbe. Die ausländischen Scudi werden in der Schweiz ausser Kurs gesetzt. Ende 1925 trat Belgien aus der Lateinischen Münzunion aus. Darauf schlug der Bundesrat Ende 1926 vor, die Union aufzulösen. Seit dem 1. April 1927 haben in der Eidgenossenschaft nur noch die schweizerischen Gold- und Silbermünzen gesetzliche Zahlkraft.
Sandro Guzzi Heeb: "Lateinische Münzunion", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 25.03.2014, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013662/2014-03-25/, konsultiert am 01.02.2024.
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