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Gebet für die Armen Seelen
   
Im Mittelalter entwickelte sich die Vorstellung eines Zwischenreiches – des Fegfeuers – zwischen dem Leben und dem Paradies bzw. der Hölle. Dort war eine Wiedergutmachung menschlicher Sünden auch nach dem Tod noch möglich. Die Gemeinschaft der Gläubigen konnte seither den im Fegfeuer leidenden Seelen Verstorbener durch ein fürbittendes Gebet zu Hilfe kommen. Die Lebenden konnten durch Messen, Gebete, gute Werke und den Gewinn verschiedener Ablässe die eigene Reinigungszeit abkürzen oder diese Gnade den Toten zuwenden. Noch in der Todesstunde konnte der Sterbende die Bilanz wenden. Er hatte die Chance zu bereuen, und die letzte unwiderrufliche Entscheidung für das Gute und damit für das himmlische Jenseits zu treffen.

Dazu war der Empfang der Sterbesakramente während der Todesstunde erforderlich. Diese wurden von einem eilig herbeigerufenen Priester gespendet. Gebete und Amulette für eine gute Todesstunde und gegen den plötzlichen Tod gehörten zum katholischen Denken. Schutzheilige gegen den plötzlichen Tod wurden angerufen, vor allem Maria und Josef, aber auch die heiligen Drei Könige und andere Heilige. So flehte man im Sterben die heilige Barbara um Beistand an. Als Stiftungen und gute Werke, gar als Mahnung, die Gebete für die Seelen der Toten nicht zu vernachlässigen, riefen Totenerinnerungsbilder («Totähèlgäli») zur betenden Erinnerung auf. Sie transportierten eine Bitte um Gnade für die Seele des Verstorbenen.

Nach dem Tod waren die Gläubigen verpflichtet, für eine würdevolle Beerdigung in geweihter Erde zu sorgen und durch weitere Fürbitten der Seele des Verstorbenen zu Hilfe zu kommen. Hilfreich für das Seelenheil war die Beerdigung in der Nähe einer Reliquie, d.h. in der Nähe eines Altars, in der sich eine Reliquie befand. Friedhöfe befanden sich deswegen an und um die Kirchen.

Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 207 f. «Alte Leute pflegen beim häuslichen Gebet zu beten: z’ Hilf und Troscht den Armä Seelä, wo da g’hüset und g’wohnet hend ...» Müller Josef, Märchen, Sagen, Schwänke, Legenden aus Uri, Nr. 122.

NACHWEISE

«Viele Leute hatten nun mit der darinnen festgebannten Seele herzliches Mitleiden, betrachteten die Ofenglut als Fegfeuer derselben, kamen herbei, knieten nieder und beteten um Erlösung für sie.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 1091.
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«Du aber hast gebetet, und darum konnte ich dir nichts antun. Du kannst mich erlösen, wenn du zu beten fortfährst und auch für mich jeden Tag einen Rosenkranz betest.»

«Aber du darfst während der ganzen Zeit weder singen, noch beten, noch lesen, noch das Kreuzzeichen machen“. ... Vor sich her – pfiff! er das St. Johannes-Evangelium. ... „Tröste Gott und erlöse Gott die Armen Seelen, so bleibt die Milch weiss; wenn er es unterlässt, die Armen Seelen zu trösten, so wird sie gelb; wenn er dabei gar flucht, so wird sie schwarz.»

«Bevor man ein Haus verlässt, um vom Berggut ins Tal oder vom Bodengut in den Berg zu fahren, beten alle knieend mit ausgespannten Armen die heiligen fünf Wunden für die Armen Seelen. Manche lassen auch im verlassenen Haus ein kleines brennendes Licht zurück für die Armen Seelen.»

«„Wemmer bättä-n-uder flüeche?“ rief es in der ersten Aufregung. „Bättä“, riet Johanni, „d'Müetter het gseit, wemmä Milch üssghyi, sä tieget die Armä Seelä-n-uf eppis plangä und mä sell's treeschtä.“ Da trösteten sie die Armen Seelen und beteten: „Treescht Gott und ärlees Gott die Armä Seelä, und gäbnä Gott die ewig Rüew und Säligkeit.“ Zu Hause beteten sie nochmals fünf Vater Unser und Ave Maria. ... „Ich will für euch beten und euch einen Sessel im Himmel bereit halten (grächä). Es soll euch immer gut gehen. Hättet ihr geflucht, statt zu beten, so hätte ich Gewalt bekommen, euch zu verfolgen und euch zu schaden.“»

Müller Josef, Sagen aus Uri, Sagen 726, 918 1, 993, 1147.
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«Eine Mutter in Unterschächen hatte die gegenteilige Gewohnheit. Nach ihrem Tode (der Mutter) betete der Sohn ein Jahr lang für ihre Seelenruhe, hörte dann aber auf, indem er sich sagte, sie werde jetzt wohl erlöst und in die ewige Seligkeit eingegangen sein.»

«Marianna Schmid in Hospental, 75 Jahre alt, betet jeden Abend für die verstorbenen Seelen ihrer Eltern, Verwandten, Wohltäter, und zuletzt noch „fir alli Armä Seelä, wo uff allä Firä-n- und Gletschä lydä mient fir ä boldigi Erleesig und dz Fäck z'vermiltä“, ...»

«... „d'Müetter het gseit, wemmä Milch üssghyi, sä tieget die Armä Seelä-n-uf eppis plangä und mä sell's treeschtä.“ Da trösteten sie die Armen Seelen und beteten: „Treescht Gott und ärlees Gott die Armä Seelä, und gäbnä Gott die ewig Rüew und Säligkeit.“ Zu Hause beteten sie nochmals 5 Vater Unser und Ave Maria.»

«Dann beteten sie für die Armen Seelen: „Treescht Gott und erlees Gott die Armä Seelä und gäbnä Gott die ewig Rüew und Säligkeit.»

Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 1051, 1079, 1147, 1148.
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«Als einst eine Familie in Unterschächen nach dem Abendrosenkranz und dem üblichen Gebet für die Verstorbenen zuletzt noch ein Vater Unser für die schamroten Seelen (durchs Henkersbeil gefallen) hinzufügte, spottete dessen ein Gast, der bei ihnen übernachtete.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 1161.
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«Indem man das folgende Gebet und drei Vater Unser und Ave Maria drei Mal betet, kann man eine Arme Seele erlösen: As lyttet annärä Lycht, Gott mache sie sälig, Gott mache sie rych, Gott gäbärä das ewig Läbä. Isch si neecher bi Gott weder ich, so bätt si äu fir mich.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 1108 d.
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«Ein bejahrtes Isentaler Mandli pflegte ein altes Gebet zu verrichten, von welchem ich nur folgenden Schluss erfahren konnte: „Wer dieses Gebetlein sprach und sprach, dem wird der lieb Gott dry Seelä z'erleesä gä: die erscht Vatters-Seel, die zweit Müetters-Seel (die Schreibart „Vatters Seel, Müetters Seel“ steht nicht sicher, vielleicht wäre „Vatterseel, Müetterseel“ richtiger), diä Dritt sy Seel sälbst.“ Einen ganz ähnlichen Satz weist das volkstümliche Freitagsgebet auf.“
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 1108 e.
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«Alte Leute pflegen beim häuslichen Gebet zu beten: „z’ Hilf und Troscht den Armä Seelä, wo da g’hüset und g’wohnet hend.“» «Auf dem Friedhof sprach er (ein Kiltgänger) allemal: „Ufä Frytthof tritte-n-i, und fir die armä Seelä bittä-n-i“, kniete nieder und betete ein Vaterunser.»
Müller Josef, Märchen, Sagen, Schwänke, Legenden aus Uri, Nr. 122, 1030.
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«Ja, man sollte immer mit „Vergelts Gott“ danken, denn es sind viele Arme Seelen, die auf ein „Vergelts Gott“ plangen und auch auf ein „Tröst Gott die Armen Seelen“; besonders sollte man das tun unter den Haustüren, da sind immer Arme Seelen.»

«Man hört wirklich ältere Leute, wenn sie für etwas danken – und sie tun das fast immer mit „Vergelts Gott“ –, obige Formel und vielleicht noch sonst ein Gebet für die Armen Seelen hinzufügen: „Vergelts Gott tausendmal; tröst Gott und erlös Gott die Armen (oder die lieben) Seelen.“ ... Eine Parodie dieses Gebetes aus dem Schächental lautet: „Vergälts Gott tüsigmal, tüsigmal; die liebä Seelä zämä, die andärä nitzet nyt binänand.»

Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 1143.
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 1.6.2019