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Goldener Ring über Uri
   
Das vom Urner Arzt und Volkskundler Eduard Renner (1891 – 1952) verfasste Buch „Goldener Ring über Uri“ (erschienen 1941) handelt vom Magischen und Animistischen im Erleben und Denken der Urner Bevölkerung. In einer poetisch verdichteten Sprache beschrieb Renner ein Weltbild, das weit in die Vorzeit zurückreicht und sich über Jahrhunderte zum Teil bis in unsere Tage gehalten hat. Der Kernpunkt dieses – nach Renner magischen – Weltbilds ist die Überzeugung, dass nichts festgefügt ist. Alles kann sich unerwartet verändern, auseinanderfallen und sich in neuer Gestalt wieder zeigen. Steinschlag, Bergsturz oder Lawinen können über Nacht saftige Alpweiden in Steinwüsten verwandeln, ein sicher geglaubter Strahlenfund kann sich anderntags in Nichts aufgelöst haben, der erlegte Gämsbock entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Frauenrock. Doch es sind nicht unfassbare Dämonen, die Ding und Welt immer wieder tückisch verändern. Die katholische Kirche verbietet dem strenggläubigen Urner, dies zu glauben. Es ist ein namen- und formloses Es, worin sich all dieses Unsichere und Unfassbare verdichtet. Frevelt der Mensch, indem er Brauch und Ordnung verletzt, gewinnt dieses Es Macht über ihn. Nur indem er die Dinge so nimmt, wie sie sind, sie sorgfältig bewahrt, nicht verändert und sich streng an Herkommen und Brauchtum hält, kann er der Haltlosigkeit seiner Umwelt Einhalt gebieten. Um dies zu erreichen, muss er selbst Haltung bewahren, sich nichts anmerken lassen – im viel gerühmten urnerischen „Nyt derglychä tüä“ verharren. Zu Hilfe kommt ihm dabei der Bann, der im Gegensatz zur Zauberei ausdrücklich erlaubt, ja geradezu geboten ist. Nur indem der Mensch um sich einen Bannkreis, einen Ring, zieht, kann er diese unstete Welt festigen. Aus diesem Grund versammelten sich die Bürger auch in einem Ring zur Landsgemeinde. Seinen wohl grossartigsten Ausdruck findet dieser Ringgedanke im Betruf, mit dem der Älpler eine Art Schutzwall um Herde, Hütte und Weide aufrichtet und alles Unheil bannt, so weit seine Stimme reicht.

Die Welt des Urner Berglers gründet im Unheimlichen. Es, Ring, Bann und Frevel galten für Renner als das Entscheidende dieser Welt. Das Unheimliche, das Es, lässt sich nicht direkt aufzeigen. Es ist nichts Bestimmtes. Es ist da im Grauen vor dem Unfassbaren und Unpersönlichen von Natur und Schicksal. Es ist – und dies ist das Unheimlichste – das gegen den Menschen gleichgültige Unmenschliche, auf das der Mensch jedoch immer angewiesen bleibt. Als Natur ermöglicht Es menschliches Leben. Es ist da in Naturkatastrophen (Ob eine Lawine ein ganzes Dorf auslöscht oder verschont, ist – abgesehen vom Menschen – gleichgültig.). Es ist da im Schicksal (Ob jemand an einer Krankheit stirbt oder nicht, ist an und für sich oder abgesehen vom Menschen gleichgültig.). Ob es regnet oder scheint ist – abgesehen von der dort wirtschaftenden Gemeinschaft – gleichgültig. Dass diesem Unmenschlichen entspringende Menschliche nennt Renner Ring. Menschliches und Unmenschliches bedingen einander. Ohne den Menschen als bedürftiges und sterbliches Wesen gäbe es das Unmenschliche nicht. Der Ring grenzt den vertrauten Umkreis des privaten und öffentlichen Lebens gegen das Unheimliche ab. Innerhalb dieser Grenze stehen Haus, Hof und Heim, Eigen und Allmend, Sitte und Recht. Der Ring zeigt sich zB. im Urner Landsgemeinde-Ring, in dem öffentliche Angelegenheiten gemeinsam geregelt und geordnet werden. Zwischen Es und Ring vermitteln die Handlungen Bann und Frevel. Ein Frevel ist ein Verbrechen, dass die Ursprünglichkeit der Welt gefährdet. Der Frevler handelt zu seinem Vorteil gegen die Gemeinschaft. In den Sagen besteht der Frevel nicht so sehr darin, dass bestehendes Recht verletzt wird, sondern dass dem Frevler die Gemeinschaft als solche gleichgültig ist, womit er selbst unmenschlich wird. Zudem gibt es Formen des Frevels, die sich direkt am Es vergehen, indem der Mensch vergisst, dass der Ring immer auf Es oder das Menschliche auf das Unmenschliche angewiesen bleibt. Dies ist in der Sage der Fall, wenn der Frevler die Zeichen der natürlichen Umwelt missachtet oder mit einer Nachbildung, wie dem Sennentuntschi Leben produziert oder imitiert. Dem Frevler ist das Menschliche im Ring also insofern gleichgültig, als er sich entweder an andern Menschen oder ihrem Eigentum vergeht oder schlichtweg Unmenschliches tut, wenn auch meist nur in Kleinigkeiten und aus Unachtsamkeit oder Übermut. In den Sagen ahndet Es den Frevel. Der Frevler und das ihm von der Gemeinschaft Anvertraute – z.B. eine Alp – werden vernichtet. Ein Bann ist ein feierlich ausgesprochenes Gebot, das für einen gemeinschaftlichen Bezirk gilt. Indem der Bann den menschlichen Bezirk vom Unmenschlichen abgrenzt, regelt er zugleich das Gemeinschaftliche im Ring, z.B. das Besitzverhältnis von Eigen und Allmend. Was aber im Ring Bestand und Gestalt hat, droht dem Es zu verfallen. Der Mensch bleibt dem Unmenschlichen ausgesetzt. Der Bann muss somit immer wieder erneuert werden.

Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 246 f.

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Walter Bär-Vetsch, Altdorf

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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 1.6.2019