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Alraune
   
Die im Volksglauben bekannteste Heil- und Ritualpflanze war die Alraune, die menschenähnliche Wurzel des Nachtschattengewächses Mandragora (Mandragora officinarum, im Mittelmeerraum vorherrschend, althochdeutsch alrûna = altgermanische, mythische Wesen, die im Geheimen wirken). Nördlich der Alpen war die sagenumworbene Pflanze selten und dementsprechend begehrt.

Über die Wurzel mit ihrer menschenähnlichen Form entstanden bisweilen exotische Ansichten: Alraunen fand man unter einer dreigipfligen Haselstaude, an der eine Mistel wuchs. Sie lag so tief im Boden, wie die Mistel über der Erde sass.

Die Alraune wurde auch «Galgenmännchen» genannt, denn nach der Legende wuchs sie auf dem Galgenhügel aus dem Sperma eines gehenkten Diebes. Eine andere Legende besagte, dass die Alraune beim Herausziehen aus der Erde einen so schrecklichen Schrei ausstiess, dass jeder, der ihn hörte, auf der Stelle starb. Die Mandragora zu finden war das eine, die Pfahlwurzel aber zu ergattern das andere. Das Ausreissen war nämlich mit lebensbedrohenden Gefahren und deshalb mit einem ganz besonderen Ritual verbunden: Um sie zu gewinnen, ging man in der Johannisnacht (24. Juni) zur Geisterstunde (24 Uhr) mit einem schwarzen Hund an die besagte Stelle und verstopfte sich zuerst die Ohren mit Wachs. Nun grub man rund um die Pflanze ein Loch, bis fast die ganze Wurzel frei war. Dann umwickelte man sie mit einer Schnur und band das andere Schnurende an den Schwanz des Hundes. Man schlug drei Kreuzzeichen über die Alraune, hielt dem Hund ein Stück Brot vor den Mund und sprang eiligst davon. Der Hund wollte den Bissen schnappen und riss die Wurzel aus dem Boden. Die Alraune stiess einen jämmerlichen Schrei aus, an dem jeder, der ihn hörte, starb. Der Hund starb auf der Stelle, als stellvertretendes Opfer dessen, der die Pflanze nahm.

Die Alraune galt als kostbarer Schatz und wurde dementsprechend in Samt und Seide gebettet aufbewahrt. Innerhalb der Familie durfte sie nur vom Vater an den Sohn vererbt werden, der ihm dafür ein Stück Brot oder ein Goldstück in den Sarg legen musste. Andere Quellen besagen, dass man die Alraune jeden Samstag in Wein baden sollte, damit sie heilbringend blieb. Echte Wurzeln erzielten Höchstpreise. Oft boten Scharlatane angeblich echte Alraune zu Wucherpreisen an. Dabei handelte es sich aber meist um die Wurzel der Zaunrübe (Bryonia alba L.), des Gelben Enzians oder des Allermannsharnisch (Allium victorialis).

Die Alraune zog die Menschen seit der Antike in ihren Bann. Die menschenähnliche Gestalt der Wurzel und die Giftigkeit der Pflanze verstärkten ihre Rolle im Zauberglauben. Die Hoffnung reichte von der stark beruhigenden bis berauschenden und halluzinogenen, von der schmerzstillenden und abführenden bis hin zur aphrodisierenden Wirkung und dem Glauben, dass sie gegen Unfruchtbarkeit wirkte und eine leichte Geburt ermöglichte. Ferner verhalf sie zu Reichtum, Glück und Ansehen, schützte das Vieh vor dem Verhexen. Das Geld, das man ihr unterlegte, verdoppelte sich über Nacht. Sie half im Spiel, deckte Schätze auf, schützte vor Unfällen und der Pest, hielt Blitz, Feuer und den Teufel ab, beschirmte die Herden und verlängerte das Leben. Sie stärkte auch den Verstand und die Urteilskraft. In besonderem Masse half die Alraune auch im Liebesleben. Der Name Mandragora – vom persischen mardom ghiah (= Manneskraft) oder mehr-e-giah (= Liebeskraut) – führte zum Glauben an die aphrodistische Wirkung der Pflanze. Kein Wunder, dass die Alraune sehr begehrt war!

Als Amulett getragen, bewahrte sie vor Zauber, dem Bösen Blick und vor Verletzungen. Dem Besitzer versprach die menschenähnliche Zauberwurzel Glück und die Erfüllung geheimer Wünsche, machte Frauen fruchtbar und Männer unverwundbar. Wie die Tollkirsche, das Bilsenkraut und der Stechapfel war auch die Alraune ein Bestandteil der Hexensalben, die rauschähnliche Zustände verursachten. Daneben schützten sie vor Entzündungen, Geschwüren, Kröpfen, Schadenzauber und dem Albdrücken des «Toggäli». Gestalt, Giftigkeit und Seltenheit der Pflanze trugen dazu bei, dass sie in Sagen und Aberglauben oft vorkam.

In den Urner Sagen war die Alraune meist eine Kröte. Sie hatte die gleiche Wirkung wie die Pflanze; auch ihr konnte man Geld unterlegen, das sich dann verdoppelte. Darum nannte man in Uri die Alraune «Geldscheisser». Es war schwierig, eine Alraune wieder loszuwerden. Wenn sie in die dritte Hand kam, war der Besitzer dem Teufel verfallen.

Autor: Bär-Vetsch Walter, Kraft aus einer andern Welt, S. 28 ff. Literatur: Büchler-Mattmann Helene und Tschumi-Häfliger Hedy, Objekte erzählen Geschichten, S. 9; Niederberger Hanspeter, Hirtler Christof; Bann und Herrgottswinkel, S. 152, 155; Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 28; Hofmann Lea, Schutz, in Zeichen zeigen, S. 67; „Suisse Primitive“, Forum der Schweizer Geschichte Schwyz, Museumsführer (2002); Watteck Arno, Amulette und Talismane, S. 31 f.

NACHWEISE

«Und siehe! Kaum gedacht, hüpfte so ein kleines, grünes Fröschlein daher, das man im Aberglauben „Allarünä, Allrünäli“ nennt.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 360.
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«Rellis einer, von Bürglen, trachtete beständig nach einer Allarunä ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 1467.
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«Kaum gedacht, hüpfte so ein kleines, grünes Fröschlein daher, das man im Aberglauben »Allarünä, Allrünäli« nennt. Wenn man einem solchen Geld unterlegt, so scheisst es immer das Doppelte dazu. ... Wer aber stirbt, während er eine Allarünä besitzt, ist des Teufels, und wenn sie in die dritte Hand kommt, so wird sie der Besitzer nicht mehr los und ist unrettbar dem Höllenfürst verfallen. ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 360.
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«Allarünä sind grasgriäni Freschli, mä findet-s' mängisch mitzt i dä Mattä-n-innä und mängisch a dä Haselstüdä. Da hennt-si alligs g'seit, diä tiäget Gäld schyssä.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 359 1.
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«In einem Hause in Seedorf kehrte eines Abends ein Fremder ein, und der sprach unter anderm auch von den Alraunen. ... Das Tier wollte aber nicht mehr weg; sie mussten den Geistlichen holen.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 359 2.
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«Ein Bauer hatte ein Alrünli, das ist ein Tier wie ein Fröschchen; es hatte ihn reich gemacht. Aber gegen das Ende seines Lebens wurde es ihm angst; denn, wer so einen Geldscheisser vor dem Tode nicht losbekommt, ist des Teufels. ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 357.
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«Ein Bauer hatte ein Alrünli, das ist ein Tier wie ein Fröschchen; es hatte ihn reich gemacht.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 357.
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«In des Tröschen Häuschen im Fröschenviertel zu Erstfeld war es nicht geheuer.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 606.
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«... sind drei Kisten mit Gold im Erdboden vergraben. Sie werden aber von einer Kröte oder von einem Frosch behütet.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 389 1.
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«Der Pater packte den Frosch und heftete ihn samt Umhüllung (oder in ein Kelchtüchlein eingewickelt) an das grosse Kruzifix zu Füssen des Gekreuzigten.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 355 a.
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«... Er (das Bäuerlein) klagte ihm (dem Mandli) seine Bedrängnis und erhielt den Rat, er solle einen bestimmten Ort aufsuchen, den ihm das Mandli genau bezeichnete, dort werde er einen grünen Frosch (nach andern: eine Kröte) finden; den solle er in ein Lumpli einwickeln, mit nach Hause nehmen und ihm dort ein Geldstück unterlegen, so werde er am nächsten Tag das Doppelte wegnehmen können. ... Lange besann sich der Pater und schien keinen Ausweg zu finden. Endlich sprach er ein erlösendes Wort und nahm dem Bäuerlein den Stein vom Herzen: „Bringet die Alraune morgen abends, in ein Lumpli fest eingewickelt, hieher an die Pforte; ich werde dann bereit stehen und euch öffnen; werfet sie blitzschnell hinein, schliesst die Türe und macht euch davon! Aber ich fürchte, es wird schwierig sein.“»

«Nach anderer Darstellung hatte er die Kröte in der Heiligen Nacht, während es zur Wandlung läutete, unter einem Weisshaselbusch hervorgegraben.»

«Statt der Kröte oder des Frosches eine Spinne.»

Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 355 a-c.
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«Ein Schächentaler, dessen Name genannt wird und der sich vom armen, gänzlich mittellosen Hüterbub zum hortreichen Bauer emporgeschwungen hatte, soll eine „Allarünä“ oder einen „Gäldschysser“ besessen haben. Darüber hört man allerlei Vermutungen und Ansichten. ... Es gibt auch solche, die behaupten, der „Gäldschysser“ sei eine Wurzel gewesen, die exakt einem ganz kleinen Mandli geglichen habe, oder auch ein wirkliches, lebendes, munzigkleines Mandli. Es sei schwierig, ihn wieder loszuwerden, und wenn er in die dritte Hand komme, sei der Besitzer ohne Pardon dem Teufel verfallen. ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 358.
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«Allarünä sind grasgriäni Freschli, mä findet-s' mängisch mitzt i dä Mattä-n-innä und mängisch a dä Haselstüdä. Da hennt-si alligs g'seit, diä tiäget Gäld schyssä.»

«... und da erzählte es, es habe jeden Morgen einen Frosch mit Blut zu hirten. Das gefiel den gottesfürchtigen Eltern nicht, und sie liessen die Tochter nicht mehr in diesen Platz zurückkehren»

Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 359 1, 3.
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«Eine Gesellschaft Walser pilgerte durch Uri zu Fuss nach Einsiedeln. Einem unter ihnen hüpfte beständig ein Frosch nach. In Einsiedeln schlüpfte das Tier unter die hinterste Bank der Kirche und wurde nie mehr gesehen.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 611.
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«Das hed yserä Vatter mängsmal g'seit, mä sell kei Chrott, kei Fresch, iberhäut keis Tierli nie plagä, das syget Armi Seelä“, erzählt eine Köhlerstochter aus dem Maderanertal.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 1090.
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«... Er sprach es (das Mandli) an, klagte ihm seine Bedrängnis und bat um einen Rat, indem er bekannte, ein fahrender Schüler habe ihn an es gewiesen. „Du bist am Rechten“, erwiderte der Lederbraune, „gehe und grabe unter einem Erbselenbusch (Sauerdorn, Berberis vulgaris), dort wirst du eine Kröte („ä Chrottä“) finden, nimm sie nach Hause, lege ihr Geld unter, und sie wird dir jeden Tag noch einmal soviel dazu legen!“ ...» «... in einem unbewachten Augenblicke daselbst eine Kröte gesehen haben, die auf einem Haufen Geld hockte.»

«Er grub und fand drei schwere Kisten. Auf ihnen hockten drei grässliche Tiere, eine Kröte, eine Schlange und ein Drache.»

«... da syg au ä Schatz gsy, und ä Chrott heig-ä müässä vergaumä.»

« Dort thronte sie – äs prächtigs Wybervelchli! – auf einer Kiste, und ein Krötlein kauerte auf ihrer Schoss.»

«In einer Höhle am Rynächt liegt ein Schatz. Darauf sitzt eine Kröte.»

«... sind drei Kisten mit Gold im Erdboden vergraben. Sie werden aber von einer Kröte oder von einem Frosch behütet.»

«Im Kloster Seedorf ist ein grosser Schatz verborgen. Aber auf ihm hockt eine grosse Kröte, und es muss, wer den Schatz will, dem Tier nachts zwischen zwölf und ein Uhr drei Küsse geben.»

«Doch war sein Erstaunen gross, als er auf dem Leichnam eine mächtige Kröte fand, die das Geld in den Rachen des Toten stopfte, der es hinunterwürgte.»

«Als er auf die Steinplatte kam, die das Geld bedeckte, hockte eine schreckliche Kröte darauf.»

«Doch da fanden sie ihn den Edelstein) nicht mehr; an seiner Stelle kauerte nun eine grosse Kröte, und sie fingen an, selbe zu plagen.»

«Sie gruben und gruben und kamen endlich auf eine eiserne Kiste, und auf dieser kauerte eine Kröte.»

«Wieder wurde ihm zugemutet zu graben, und wieder stiess er auf eine Platte, worauf eine Kröte kauerte.»

Müller Josef, Sagen aus Uri, Sagen 356, 358, 385 1 und 2, 387 1 und 4, 389 1 und 4, 394, 395 2, 1478, 1480, 1485.
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«... und ging dem Gesange nach und fand bald eine blühende Jungfrau, die auf einer Geldkiste sass und ein Fröschlein auf ihrem Schosse trug.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 390.
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«Wenn man im Namen »aller Rünä« unter einer Weisshaslen gräbt, bekommt man Geld.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 359 4.
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«... Gehe hinauf zuoberst ins Hältäli (Maderanertal), dort findest du eine Weisshaslen und daran eine Mistel. So hoch die Mistel am Strauche, so tief grabe unter dem Strauche in den Erdboden, und du wirst reich genug sein.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 305.
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«Dä-n-Allarünä miäss mä-n-all Tag bützä-n-und schorä wiä amm-änä Chind.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 359 5.
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Stand der Arbeiten:
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 1.6.2019