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Bund Kantone Ausland

Einzelnes Geschäft an der Landsgemeinde

Sonntag, 29. November 1874
Ausserordentliche Landesgemeinde vom 29. November 1874
Pfarrkirche Altdorf, 12 Uhr
Landammann: Franz Lusser
Landschreiber: Gisler
Geschäfte: Entwurf eines Steuergesetzes / Vollmachtbegehren für ein Staatsanleihen / Botschaft des Regierungsrates zum Entwurf des Steuergesetzes

Entwurf eines Steuergesetzes
Antrag: «Der Landrat,
Um die Staarsbedürfnisse, namentlich mit Rücksicht auf die Gotthardsubvention, bestreiten zu können,
In Anwendung des § 21 der Kantonsverfassung beantraget:
dass die h. Landesgemeinde folgendes als Gesetz für die Erhebung von direkten Steuern beschliesse:

I. Steuerpflicht.

§ 1.
Die Deckung der Staatsausgaben, in soweit das Staatsvermögen und die indirekten Staatseinnahmen dazu nicht ausreichen, geschieht durch Erhebung einer Vernrögens-, Einkommens- und Kopf-Steuer.

§ 2.
Der Vermögens-Steuer ist unterworfen:
a) Aller innerhalb oder ausserhalb des Kantons befindliche Besitzthum von Privaten, Gesellschaften, Korporationen, Gemeinden, Klöstern, Familien und milden Stiftungen der Kantonsbewohner, nach Abzug aller darauf haftenden Schuldenlasten.

b) Alle im Kanton befindlichen Gebäude und Liegenschaften auswärtiger Eigenthümer nach ihrem wahren Werthe.
c) Jedes auch nicht liegenschaftliche Vermögen einer auswärts wohnenden Person, welches im Kanton verwaltet wird.

§ 3.
Von der Vermögenssteuer sind ausgenommen:
a) Alle ausserhalb des Kantons befindlichen, hierseiligen Eigenthümern zugehörenden Liegenschaften und Gebäulichkeiten, welche erweislichermassen versteuert sind.
b) Das gesammte Staatsgut, sowie Kirchen-, Schul- u. Armengüter.
c) Oeffentliche für die Zwecke der Gemeinden verwendete Gebäulichkeiten.
d) Das unter waisenamtlicher Curatela verwaltete Vermögen, welches den Betrag von Fr. 2000 nicht übersteigt.
e) Handwerks- und Feldgeräthe, Hausrath und Kleider.

§ 4.
Der Erwerb- und Einkommens-Steuer ist unterworfen:
Jeder, der im Kanton ein Gewerbe betreibt, Leibrenten, Pensionen, fixe Gehalte, Tantiemen etc. bezieht.

§ 5.
Von der Erwerb- und Einkommensteuer sind befreit :
a) Jeder Erwerb, der jährlich weniger als Fr. 400 reines Einkommen abwirft.
b) Jeder jährliche fünfprozentige Ertrag an Zinsen, Renten, Leibgedingen, und von Grundstücken, insoweit derselbe von bereits versteuertem Vermögen herrührt.

§ 6.
Der Kopf-Steuer unterliegen: Alle männlichen Kantonsbewohner, die das 20. Altersjahr erfüllt haben, mit Ausnahme der Armen- und Steuergenösstgen.

II. Berechnung des Steuerbetrages. § 7.
Bei Anlage der Vermögens-Steuer wird der Massstab von Fr. 1000 zu Grund gelegt und der zu erhebende Steuerbetrag nach Zehntelfranken bestimmt. Bruchtheile, welche sich von Fr. 1000—1500, von Fr. 1500—2000 u. s. w. ergeben, fallen als nicht steuerpflichtig, ausser Berechnung.

§ 8.
Jedes Vermögen an Grundeigenthnm und Kapitalien ist der Steuer unterworfen, und zwar sollen sowohl Kapitalien als Obligationen, Aktien und dergleichen Werthtitel — es mögen selbe auf was immer eine Art angelegt sein — (gesetzliche Ausnahmen vorbehalten) nach ihrem Nennwerthe versteuert werden.

§ 9.
Die Berechnung des Werthes von Grundeigenthum (Liegenschaften und Häuser) geschieht nach einem billigen Verkaufswerthe, mit Berücksichtigung des Ertrages und der darauf haftenden Grundlasten, und unterliegt der gleichen Taxation, wie das bewegliche Vermögen.

§ 10.
Bis eine — nach Massgabe bestimmter Vorschriften, deren Feststellung dem Regierungsrathe zukommt — noch vorzunehmende amtliche Schatzung sämmtlicher Liegenschaften stattgefunden haben wird, gilt die Selbst-Taxation derselben.

§ 11.
Bei Berechnung des Vermögens von im Kanton wohnenden Pflichtigen sind von dem Gesammtwerth des Besitzthumes allfällige Schulden in Abzug zu bringen. Bei steuerpflichtigem Besitzthum von Auswärtswohnenden darf ein Abzug darauf haftender Schulden nur dann stattfinden, wenn der Pflichtige sich darüber ausweisen kann, dass derselbe im Verhältniss zu seinem übrigen Vermögen nicht zu hoch mit Schulden beladen ist.

§ 12.
Die Gotthardbahngesellschaft ist von der Entrichtung aller und jeder Kantons-, Bezirks- und Gemeinde-Steuer befreit. Diese Bestimmung findet jedoch auf Gebäulichkeiten und Liegenschaften, welche sich, ohne eine unmittelbare und nothwendige Beziehung zu der Eisenbahn zu haben, in dem Eigenthume der Gesellschaft befinden möchten, keine Anwendung, und ebenso unterliegen die im Kanton Uri wohnenden Angestellten der Gesellschaft der gleichen Steuerpflicht, wie die übrigen Einwohner des Kantons.

§ 13.
Der Erwerb- und Einkommenssteuer wird der Massstab von Fr. 100 zu Grund gelegt und der zu erhebende Steuerbetrag auf je Fr. 100 bestimmt, in dem Sinne, dass bei einer Vermögenssteuer mit dem Ansätze vom einem Franken von Fr. 1000 die Erwerbsteuer 1/3 Prozent betragen soll.
Es bezahlt demnach ein Erwerb oder Einkommen:
von Fr. 400 Fr. 2
von Fr. 500 Fr. 2 ½
von Fr. 600 Fr. 3
von Fr. 1000 Fr. 5
und so weiter.

§ 14.
Bei Berechnung von Einkommen, welches von der Betreibung eines Gewerbes herrührt, sind fünf vom Hundert des Betriebskapitals, sowie die mit Gewinnung des Einkommens verbundenen Unkosten, jedoch mit Ausschluss der Haushaltungskosten, in Abzug zu bringen.

§ 15.
Die Kopf-Steuer, welche von jedem 20jährigen männlichen Kantons-Einwohner zu beziehen ist, beträgt Fr. 1 per Kopf, wenn die Vermögenssteuer per Tausend Fr. 1 beträgt; Fr. 1 ½ wenn diese auf Fr. 2, und Fr. 2, wenn sie auf Fr. 3 per Tausend zu stehen kommt.

III. Ausmittelung des steuerpflichtigen Vermögens und Einkommens. § 16.
Der Betrag der Steuerleistung wird durch Taxation ausgemittelt, zunächst durch Selbsttaxation der Pflichtigen, sodann durch den Geineinderath, endlich mittelst spezieller Ausübung der Oberkontrolle durch den Regierungsrath.

§ 17.
Wenn die Vermögensverhältnisse durch Erbschaft, Theilung, Kauf und Verkauf, Verheirathung, Geschäftsbetrieb, Gehaltserhöhung etc. wesentlich verändert werden sollten, so ist der Steuerpflichtige zur Angabe solcher Veränderungen aufgefordert.

§ 18.
Für Vornahme der Selbsttaxation wird jedem Steuerpflichtigen vom Gemeinderathe seiner Gemeinde ein gedrucktes Steuer-Formular zugestellt, auf welches die Werthung seines Vermögens und Einkommens, nämlich:
a) Liegenschaften,
b) Kapitalien,
c) Uebriges Vermögen,
d) Erwerb und Einkommen
nach Massgabe der §§. 2 und 4 eingetragen werden soll.
Der Pflichtige hat dieses Formular 14 Tage nach Empfang desselben, gewissenhaft ausgefüllt, dem betreffenden Gemeinderathe zuzustellen. Geschieht dies ohne genügende Entschuldigung nicht, so hat der Gemeinderath statt des Pflichtigen die Taxation zu bestimmen und es ist überdies der Säumige dem Strafrichter zur angemessenen Ahndung zu überweisen.

§ 19.
Die Gemeinderäthe führen über die Taxationen ein Gemeinde-Steuer-Register, haben die Vollständigkeit des Verzeichnisses aller Steuerpflichtigen und die Richtigkeit der eingetragenen Taxationen sorgfältig zu prüfen und die nöthigen Veränderungen vorzunehmen.
Von diesem Register ist dem Regierungsrathe alljährlich eine Abschrift einzureichen, auf dessen Grundlage ein Kantonal-Steuer-Register angefertigt und fortgeführt werden soll.

§ 20.
Bei obwaltenden Zweifeln über richtige Vermögens- und Einkommensangabe, sind die Gemeinderäthe verpflichtet, die betreffenden Taxationen selbst zu bestimmen. Dem Steuerpflichtigen steht der Rekurs an Regierungsrath als letzte Instanz offen, welcher innert Monatsfrist auszuüben ist.

IV. Steuerbezug. § 21. Der Einzug der Steuer wird durch den Staat besorgt. Säumige Entrichtung der Steuer nach vorangegangener Mahnung und Ablauf von 1 Monat zieht einen Zuschlag von 5% des Steuerbetruges zu Lasten des Pflichtigen nach sich.

V. Folgen unrichtiger Vermögens-, Erwerbs- oder Einkommens-Angabe. §. 22. Diejenigen, bei welchen es sich nachträglich ergeben sollte, dass sie zu wenig Vermögen oder Einkommen angegeben haben, verfallen in die Nachbezahlung des doppelten Betrages der Steuer. Bei inzwischen erfolgtem Absterben der Pflichtigen bleiben deren Erben für diese Nachbezahlung haftbar.

VI. Allgemeine Bestimmungen. § 23. Der Steuerbetrug wird vom Landrath jeweilen bei Feststellung des Voranschlages (Budget) bestimmt und der ordentlichen Landesgemeinde unter genauer Darstellung der Finanzlage des Kantons vorgelegt.
Der Landrath wird durch den Regierungsrath die Steuer-Register der sämmtlichen Gemeinden einer genauen Prüfung unterstellen.
Je alle 4 Jahre hat eine neue Taxation sämmtlicher Steuerpflichtigen in den Gemeinden stattzufinden. Jeder Einwohner ist verpflichtet, seine Steuern in derjenigen Gemeinde zu erlegen, in welcher er wohnhaft ist.
Das Korporations-Vermögen dagegen wird da versteuert, wo der Sitz der Verwaltung ist.»

  
Ergebnis: «Als nach Eröffnung der Gemeinde durch das Präsidium zur Behandlung des ersten Traktandums (Entwurf eines Steuergesetzes) geschritten werden wollte, machte sich ein Gelärm und Tumult Einzelner geltend, welcher jede Meinungsäusserung und Berathung verunmöglichte, wesshalb die Versammlung vom Präsidium wieder aufgehoben werden musste.»

   
Quelle: Abl UR 1874, Nr. 47, 19. November 1874, nach S. 392, 1-8 /1-8 (Beratungsgegenstände); Abl UR 1874, Nr. 49, 3. Dezember 1874, S. 491 (Kurzbericht);

 
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 02.02.2022