FASNÄCHTLICHES URI

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Die Urner Katzenmusik im Detail

1871 Altdorf - Internierung von Bourbaki-Soldaten
   

Gruppenbild mit Bourbaki-Soldaten und ihren Bewachern.

Am 1. Februar 1871 trat während des Deutsch-Französischen Krieges die französische Ostarmee, bestehend aus rund 85’000 Soldaten, unter dem Befehl von General Charles Denis Sauter Bourbaki (1816 – 1897), Sohn eines griechischen Generals, bei Les Verrières im Val de Travers über die Grenze auf Schweizergebiet. Ihr Auftrag, die Festung Belfort von der deutschen Belagerung zu befreien, war gescheitert. Der Bundesrat beschloss am gleichen Tag, die Kriegsgefangenen auf die Kantone aufzuteilen. In Uri sollten 400 interniert werden. Da bei den Internierten Blatternfälle aufgetreten waren, mussten die Mannschaften sofort nach der Ankunft an Ort und Stelle untersucht werden. In Uri sollte das neu erstellte Kantonsspital für die kranken Franzosen in Anspruch genommen werden. Das Gros der Franzosen war in der damaligen Kaserne auf dem Lehn, dem heutigen Zeughaus, unterzubringen und durch eine Jägerkompagnie des Auszuges zu bewachen. Die Bewachungstruppen waren im Gemeindehaus, dem heutigen Tellspielhaus, untergebracht.

Am 7. Februar 1871, um Mitternacht, bei hohem Schnee und grimmiger Kälte, rückten die französischen Truppen, 383 Mann stark, in verwahrlostem Zustand in Altdorf ein. Viele hatten ihre Füsse in Lumpen umhüllt, alle waren sie von Ungeziefer geplagt. Der Zustand der Truppe war jedoch nicht so schlimm wie angenommen; von der Benützung des Kantonsspitals konnte abgesehen werden und die kranken Franzosen wurden im Fremdenspital untergebracht. Zur Reinigung wurden die Bäder im Moosbad benutzt und für die nötige Wäsche und Kleider sorgte der Frauenverein von Altdorf durch eine Hauskollekte. Zur Unterstützung der Internierten rief auch das Komitee des urnerischen Hilfsvereins für Wehrmänner auf. Der Aufruf hatte grossen Widerhall und es ging die damals ansehnliche Summe von 1275 Franken sowie eine grosse Menge von Kleidungsstücken ein. Für die notwendigsten Bedürfnisse der Internierten war damit gesorgt. Die Hilfe war umso dringender, weil der Bundesrat die Kantone darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er keine Vergütung von Wäsche, Schuhen und dergleichen an die französischen Militärs übernehme, sondern es der privaten Wohltätigkeit überlasse, für die dringendsten Bedürfnisse zu sorgen. Die Franzosen waren für die an ihnen erwiesene Wohltätigkeit und Gastfreundschaft sehr dankbar; der Aufenthalt der französischen Internierten in Uri gestaltete sich sehr herzlich. Die ursprüngliche Uniform bestand aus roten Hosen, blauem Kaput mit Käppchen oder Mütze. Viele Uniformteile hatten jedoch weniger militärischen Ausrüstungsgegenständen weichen müssen. Offiziere waren in Altdorf keine interniert. Sporadisch kamen sie von Luzern in den Urner Hauptort, sollen sich jedoch mehr in den Hotels vergnügt als um die Mannschaft gekümmert haben. Die Franzosen lehrten die Altdorfer Jungmannschaft die Kunst des Billardspiels. Sie durchstreiften aber auch Feld und Wald auf der Suche nach Pilzen, Kräutern und dem Löwenzahn, aus dessen Blättern sie einen schmackhaften Salat zuzubereiten verstanden.

Trotz der guten Pflege sollten zwei junge französische Soldaten ihre Heimat nicht mehr wiedersehen. An Nervenfieber verschieden im Fremdenspital der 24-jährige, ledige Jäger zu Fuss, Louis Leguay, und der gleich alte Korporal Eugène Rives. Dumpf tönten die schwarz umflorten Trommeln, als die Bewachungsmannschaft die Toten im Fremdenspital abholte, um diese auf dem Friedhof beizusetzen. Am 21. März erfolgte die Abreise der Internierten. Als Anerkennung für deren gutes Benehmen wurde am Vorabend von der Militärkommission ein Abschiedstrunk mit Wurst und Brot im Hotel Adler in Altdorf geboten. Die von Trompetenkorporal Ingli flott geleitete Militärmusik belebte den gemütlichen Abend. Auch beim Abschied am Morgen spielte die Musik wieder auf. Zurück blieben in Uri eine grössere Anzahl Bourbaki-Pferde und Maulesel – und die Melodie von «Aux champs en marchant...»


Der Grabstein für die beiden in Altdorf verstorbenen Bourbaki-Soldaten.


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1900 Altdorf – Katzenmusikprobe am Mittwochabend
   
Ende des 19. Jahrhunderts konstituierte sich aus der Faschingsgesellschaft ein eigener Vorstand, der unter dem Namen «Katzenmusik Altdorf» das Frühkonzert organisierte. Die Organisation und vor allem die Finanzierung des Freitrunkes blieb weiterhin eng mit der Faschingsgesellschaft verknüpft. So wurde jeweils an der Jahresversammlung beschlossen, der Katzenmusik wie gewöhnlich 100 Liter Bier zu verabfolgen. An der Generalversammlung wurden auch drei Katzenmusikdirektoren gewählt. Diese waren dafür verantwortlich, dass die Katzenmusik rechtzeitig aufhörte. Man traf sich nun jeweils am Mittwochabend vor dem Schmutzigen Donnerstag in der Höfli-Kaserne zur Versammlung. Jedes Mitglied hatte ein Instrument mitzubringen. Das Haupttraktandum war gemäss Inserat: «Freibier»! Nebst dem Freibier wurde an diesem Abend auch das kakofonische Repertoire eingeübt, weiss doch ein einheimischer Dichter die musikalische Vorführung gereimt zu loben:

«Eu d’Üswahl als gilungä gilt; /
Sie sellet sehr viel Stickli ha, /
Und häbet’s alli abbägspielt, /
So fienget’s halt vo vornä a.»

Des Dichters Worte spielen zwar auf das grosse Repertoire der Katzenmusikanten an, dieses dürfte sich jedoch auf den traditionellen «Heeräli»-Marsch und auf die dreiteilige Bourbaki-Melodie beschränkt haben. Mit diesem monotonen Musizieren marschierten die Urner keineswegs alleine, denn im schwäbischen Raum folgten die Fasnachtsmärsche ebenfalls einem strengen Rhythmus, und die einzelnen Teile wurden unendlich oft wiederholt. Die Versammlung am Mittwochabend und das obligate Freibier wurden um 1900 zur Tradition, und das mitgebrachte Instrumentarium sorgte in Altdorfs Strassen an diesem Abend bereits für eine inoffizielle Eröffnung der Fasnacht. Kakofonisches Hauptereignis blieb das Frühkonzert am Morgen des Schmutzigen Donnerstags, an dem in jener Zeit 120 bis 150 Personen teilnahmen. Es endete um 6 Uhr, zum Zeitpunkt der Frühmesse.
Literatur: Gisler-Jauch Rolf, Fasnächtliches Uri, S. 72.


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1900 Chlefälä, Lefflä
   
Das Chlefäli besteht aus zwei kleinen Holzbrettchen und ist oft rhythmisches Begleitinstrument bei volkstümlichen Formationen an. Zu rassigen Klängen werden eigene Schläge erfunden. Früher wurde das Chlefäli auch in der Fasnacht verwendet. Auch das "Lefflä" mit Ess- oder Holzlöffeln wird gleich gehandhabt.

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1905 Altdorf – Uraufführung des Urner Faschings-Marsches
   



Im Jahre 1905 schaffte die Bourbaki-Sonnerie auf der Bühne des Tellspielhauses den endgültigen Durchbruch. Am 26. Februar führte die Harmonie Altdorf – wie alle Jahre – ein Konzert und eine theatralische Aufführung im Theatersaal auf. Dabei kam es zur Aufführung des Urner Faschings-Marsches von Wilhelm Kesselbach (1868 – 1919). Das Stück stiess auf grosses Echo und wurde als Knalleffekt bezeichnet, der unter stürmischen Beifalls- und Bis-Rufen wiederholt werden musste. Eine zweite Aufführung fand am 12. März statt. Die Katzenmusik brachte in den folgenden Jahren Wilhelm Kesselbach für seine musikalische Meisterleistung immer ein Ständchen in seinem Garten seines Hauses im Winterberg. Als Lohn gab es jeweils Bier.
Literatur: Gisler-Jauch Rolf, Fasnächtliches Uri, S. 72 f.


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1945 Die Katzenmusik und der Briefkasten-Onkel
   
Im Oktober 1945 wollte man von kompetenter Stelle Näheres über den Ursprung der Katzenmusik erfahren und lancierte eine Anfrage an den Briefkasten-Onkel des Radio-Studios Basel. Mittelsmann war ein Herr aus Zollikon, der in einem Brief nach Basel die folgenden Worte schrieb: «Ganz zufällig kam ich im letzten Februar in die Innerschweiz nach Flüelen, wo ich plötzlich durch etwa 20 Personen mit Trommeln, Fanfaren und Pauken einen Ohren betäubenden Lärm hörte, wobei diese ulkigen Burschen während Stunden durch das Dorf zogen und immer im gleichen Rhythmus einen negerartigen Marsch paukten, der ohne Ende zu sein schien.» Der Briefschreiber liess sich vom Hotelier erklären, dass es sich bei dem «negerartigen Marsch» um die so genannte «Katzenmusik» handle. Der «liebe Neffe aus Zollikon» schrieb dem Briefkasten-Onkel weiter, dass während des Vorbeiziehens dieser Katzenmusik die vielen Zuhörer diesen Rhythmus mitmachten und mit allerhand Geräten ebenfalls Lärm veranstalteten. Ein Einwohner erklärte dem Herr aus Zollikon, dass dies noch nichts im Vergleich zu friedlicheren Zeiten sei und die Katzenmusik dann einen noch ganz anderen Eindruck hinterlasse. Nun denn, vielleicht hätte diese fasnächtlich zentrale Frage nach Basel nicht ein Zürcher stellen sollen, da das Verhältnis zwischen den beiden Städten in der Narrenzeit jeweils etwas belastet ist. Auf jeden Fall wurde die Anfrage, obwohl in der Kürze die Würze liegt, etwas fad nicht am Radio-Briefkasten, sondern vom Briefkasten-Onkel mit Datum vom 29. Dezember 1945 folgendermassen schriftlich beantwortet: «Diese Sitte geht schon auf einen alten heidnischen Brauch zurück. Wie früher mit Lärm und Geschrei die bösen Geister vertrieben wurden, so wird hier gleichsam der Winter-Geist aus dem Lande gejagt.» Die Flüeler wussten somit, dass ihr Tun nicht mit den Buschtrommeln Schwarzafrikas zusammenhing, sondern eher in Konkurrenz zum «ältesten Urner», dem Föhn, stand. Literatur: Gisler-Jauch Rolf, Auszug aus dem Buch "Fasnächtliches Uri.   

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1947 Katzenmusik der Flüeler Frauen als Protestaktion
   


Zu einer Protestaktion der feineren Art kam es in Flüelen im Jahre 1947. In Flüelen scharte sich aus Protest gegen das fehlende Frauenstimmrecht eine Anzahl von Stauffacherinnen zu einer Katzenmusik zusammen. Diese Damenkatzenmusik vom Donnerstagabend sollte den Freunden und Feinden des Frauenstimmrechts zu denken geben. Man konnte laut Korrespondentenbericht dabei feststellen, «dass die Musikantinnen absolut nicht gewillt waren, immer nach dem Taktstock ihres männlichen Dirigenten zu spielen, sondern sich hin und wieder rhythmische Seitensprünge erlaubten». Und der männliche Beobachter folgerte: «Ungefähr gleich würde es auch zugehen, wenn man die Frau zur Politik zuliesse! Diese Gefahr bestehe nun für Flüelen nicht mehr. Die Damenkatzenmusik hätte nämlich mit einem Schlag einen Ausweg aus diesem erbitterten Streit zwischen Mann und Frau gewiesen. Der Mann solle in Flüelen den Frauen das hohe Alleinrecht verleihen, Katzenmusik zu machen, und dafür das Recht der Politik für sich behalten!»

Text: Gisler-Jauch Rolf, Fasnächtliches Uri, S. 100.


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1967 Tryychlä an der Silener Fasnacht
   


In Silenen hat sich das «Tryychlä» während der Fasnachtszeit als fasnächtlicher Weckbrauch bis heute erhalten. Wie bei der Katzenmusik ging es beim frühmorgendlichen «Tryychlä» am Schmutzigen Donnerstag mehr um den Krach, als um den Takt. Dabei wurde mit dem Kirchensigrist ein Abkommen getroffen, dass er bereits um 4 Uhr zum Beten läute, damit das «Tryychlä» im Dunkel der Nacht um 5 Uhr begonnen werden konnte. Mit der Übernahme des Urner Katzenmusikmarsches geriet das «Tryychlä» einige Zeit ausser Brauch. 1967 aktivierte Hans Fedier († 1984) die «Tryychler»-Gruppe, die seither jeweils am Güdelmontag in der Frühe mit viel Geschelle durch das Dorf zieht. Es nehmen daran hauptsächlich Bauernsöhne in weissen Hirtenhemden teil. Es wird im Laufrhythmus «tryychlet». Teilnehmen an dem Umzug kann jedermann, die grossen Glocken werden bei Bauern ausgelehnt. Seit 1984 besuchen die «Tryychler» auch Amsteg. Die in den 1990er-Jahren gegründeten «Tryychler»-Vereine sind nicht durch das Fasnachtsgeschehen bedingt. Einzelne dieser «Tryychler-Gruppen» haben jedoch auch an der Fasnacht ihre Auftritte.

Text: Gisler-Jauch Rolf, Fasnächtliches Uri, S. 118; Foto: Christof Hirtler, Altdorf.


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2005 Urner Katzenmusikmarsch - Musikalische Würdigung
   


Der Urner Faschings-Marsch von Wilhelm Kesselbach besteht aus 104 Takten. Er ist in der Haupttonart G-Dur notiert. Taktart 2/4. Die zweiteilige Komposition ist in achttaktige Perioden gegliedert. Der Hauptteil (keine musikalische Satzbezeichnung, 48 Takte) ist in dem heutigen aktuellen Urner Katzenmusikmarsch in allen vorkommenden Versionen des Kantons Uri nicht vertreten.
Der zweite Teil «Trio» (C-Dur, 56 Takte) wird teilweise in der Katzenmusik verwendet. Takte 1– 8 (Takt 9 – 16 ist eine Wiederholung) bilden den A-Teil. Takte 17 – 24 bilden den B-Teil. Teil C der Katzenmusik ist im Urner Faschings-Marsch nicht vertreten. Dieser musikalische Teil der Katzenmusik ist interessanterweise fast identisch mit dem zweiten Teil des 16-taktigen Clairon-Signals der Franzosen (Takte 9 – 16).
Das Dreiklangmotiv im Trio des Urner Faschings-Marsches von Wilhelm Kesselbach ist eine freie Improvisation auf das Clairon-Signal der Franzosen. Warum in der Katzenmusik Teil A und B des Trios übernommen und Teil C durch das Clairon- Signal ersetzt wurde, ist im Moment noch nicht geklärt. Spekulativ könnte ein Zusammenhang mit der Dreiklangsthematik und der Naturtonreihe auf den Blechblasinstrumenten bestehen.
Das Arrangement, das am 26. Februar 1905 durch die Harmonie Altdorf zur Aufführung gelangte, dürfte der Grund für die unterschiedliche instrumentale Besetzung der einzelnen drei Teile der aktuellen Katzenmusik sein.
Werner Tschalèr, Bauen; Notenschriften: Hanspeter Arnet, Altdorf, in: GIsler-Jauch Rolf, Fasnächtliches Uri, S. 72.


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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 18.01.2020