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Themen des Eisenbahnwesens in Uri im Detail

Konkurrenz zwischen Bahn und Strasse beim Gütertransport



Die ständige Zunahme der Zahl an Lastwagen in den 1930er-Jahren war für die Eisenbahn zur empfindlichen Konkurrenz geworden. Nach einem Betriebsaufschwung Ende der 1920er-Jahre hatten die SBB in den 1930er-Jahren wieder massive Einbussen und eine dauernd negative Bilanz zu verzeichnen. An dieser misslichen finanziellen Lage konnten auch Meldungen über Rekordverkehr am Gotthard anscheinend nichts ändern. Die Selbstkosten des Lastwagentransportes sanken zum Teil wesentlich unter die Tarifsätze der Bahnen. Die Konkurrenz der Strasse verlangte von den SBB, dass sie die Transportleistungen verbilligte. Die Eisenbahn diente dem öffentlichen Verkehr und hatte somit eine volkswirtschaftlich wichtige Aufgabe übernommen. Der Konkurrenz des Lastautomobils war die Bahn aber nicht mehr gewachsen. Das alljährliche Defizit verlangte nach einer politischen Lösung. Die Eisenbahn, welche vor einem halben Jahrhundert die Existenz des einheimischen Transportgewerbes massiv bedroht hatte, musste nun selbst vor Konkurrenz geschützt werden, damit ihre Wirtschaftlichkeit in Zukunft wieder gewährleistet würde.

Im Frühjahr 1935 gelangte das so genannte Verkehrsteilungsgesetz zur Volksabstimmung. Durch das Gesetz sollte der gewerbsmässige Gütertransport auf der Schiene und auf der Strasse gleichermassen vom Erfordernis einer Konzession abhängig gemacht und damit das verkehrspolitische Postulat nach Annäherung der Wettbewerbsgrundlagen von Bahn und Lastauto verwirklicht werden. Auf dem Gebiet des Güterverkehrs sollten durch diese Vorlage Schiene und Strasse zu einer gesetzlichen Arbeitsteilung veranlasst werden, bei der jedem Verkehrsmittel jene Aufgaben zugewiesen würden, für die es sich am besten eignete. Für Gütertransporte im Ortsbereich oder auf Entfernungen bis zu 10 Kilometer galten demgemäss für das Automobil überhaupt keine Einschränkungen. Für Transporte in einem Umkreis bis zu 30 Kilometern bedurfte es inskünftig einer Konzession für gewerbsmässige Güterbeförderung. Auf Entfernungen über 30 Kilometer sollte der gewerbsmässige Güterverkehr generell den Bahnen verbleiben. Völlig frei blieb der Werkverkehr, also der Transport eigener Waren, mit eigenen Fahrzeugen und eigenem Personal. Das Gesetz verpflichtete weiter die Bahnen binnen drei Jahren nach der Inkraftsetzung in der ganzen Schweiz eine ausreichende "Haus-Haus-Bedienung" einzurichten. Das Gesetz sollte ein Werk der Verständigung zwischen dem Bund, den Bundesbahnen und dem Gewerbe, besonders dem Autogewerbe", sein. Es wurde erwartet, dass dadurch der Verkehr allgemein verbilligt würde. Die Bahnen sollten auf die grossen Entfernungen vermehrten Verkehr erhalten, und sie wurden von den Aufgaben des Nahverkehrs, die vom Automobil vorteilhafter ausgeführt werden konnten, befreit.
In den Kreisen der Befürworter war man überzeugt, dass auf längere Frist das Automobil die Aufgaben der Eisenbahn nicht übernehmen könnte und vor allem bei Übernahme von öffentlichen Aufgaben ebenfalls defizitär arbeiten würde.
Die Gesetzesvorlage wurde von den beiden grössten Urner Parteien auch unterstützt. Die fortschrittlichdemokratische Partei Uri setzte sich offen für das "Werk der Verständigung" ein. Der Leitende Ausschuss der Schweizerischen Konservativen Volkspartei hatte beschlossen, das Verkehrsteilungsgesetz zur Annahme zu empfehlen, ohne diesem Beschluss für die kantonalen Organisationen verbindlichen Charakter zu geben. Opposition erwuchs der Vorlage jedoch aus den Reihen der Sozialdemokraten, welche sich im Urnerland vorwiegend aus den Eisenbahnern rekrutierten. Dem Gesetz erwuchsen teils Gegner, weil für sie der staatliche Eingriff zu gering erschien, anderseits sah sich das Transportgewerbe in seiner wirtschaftlichen Freiheit allzu sehr bedroht. Im Kanton begannen politische Parteien zum ersten Mal in einer wichtigeren Automobilfrage gegnerische Standpunkte zu beziehen. In Uri erwuchs der Vorlage die Opposition nicht einmal vorwiegend aus automobilinteressierten Kreisen. Stellung gegen das Gesetz bezog der Eisenbahnerverband. Für die Eisenbahner war die Vorlage zu wenig einschneidend. Sie brachte nach ihrer Ansicht dem Automobil wiederum Vorteile, während die Eisenbahn auf weitere Marktanteile verzichten sollte. Man wies darauf hin, dass rein zahlenmässig das Automobil die Eisenbahn gesamtschweizerisch schon überholt hätte. Die Verkehrsteilung zugunsten des Autos sei also schon längst Tatsache geworden. Nach ihrer Ansicht waren von Seiten der SBB bereits genug Konzessionen gemacht worden. Der Stückgüterverkehr sollte deshalb nicht noch an das Automobil abgetreten werden. Weiter wurde an der praktischen Durchführbarkeit der Monopolstellung der SBB im Fernverkehr gezweifelt, und man stiess sich daran, dass der Werkverkehr vom Gesetz nicht erfasst würde. Für den Eisenbahnerverband liessen sich die SBB durch das Gesetz nicht nur die Hände binden, sondern sie liessen "sich auch gerade noch beerdigen". Die politische Lösung sah der Eisenbahnerverband in der zusätzlichen Besteuerung der Automobile. Man forderte Gleichberechtigung unter den Verkehrsmitteln.
In der ganzen Diskussion hatten privat- und volkswirtschaftliche Sorgen die Fragen pro und kontra die Reduzierung des Automobilverkehrs in den Hintergrund gedrängt. Im Bergkanton mit seinen beschränkten Beschäftigungsmöglichkeiten machte das Gespenst der Arbeitslosigkeit auch in diesem Abstimmungskampf die Runde. Dabei suchten beide Parteien dieses zugkräftige Argument für sich in Anspruch zu nehmen. Auf der einen Seite wurde mit Reduktion von Arbeitsplätzen gedroht, auf der andern garantiert, dass die Vorlage Gewähr für sichere Arbeitsplätze biete.
Mit einem Mehr von rund 250'000 Stimmen verwarf das Schweizervolk schliesslich das Verkehrsteilungsgesetz (231'970 Ja gegenüber 485'783 Nein). Lediglich die Kantone Graubünden und Tessin nahmen das Gesetz an. Der Kanton Glarus verwarf die Vorlage knapp. Im Kanton Uri wurde die Gesetzesvorlage mit 2'341 Nein gegenüber 1'498 Ja deutlich abgelehnt. Dem Gesetz stimmten die Gemeinden Andermatt, Attinghausen, Bauen und Hospental zu. Seedorf zeigte ein unentschiedenes Resultat. Auffallend war die massive Ablehnung im Schächental. In Unterschächen konnte das Gesetz keine einzige Stimme auf sich vereinen.
In den Abstimmungskommentaren der Urner Zeitungen wurde die Verwerfung einmal damit begründet, dass sich der einzelne doch kein rechtes Bild von der beabsichtigten Verkehrsteilung machen konnte. Die Vorschriften waren zu kompliziert und zu unübersichtlich, auch mit zu vielen Polizeiparagraphen und Kontrollvorschriften gespickt, um bei der Mehrheit der Schweizerbürger die Zustimmung zu diesem Verständigungswerk zu erreichen. Weiter habe die aufdringliche staatliche Propaganda für das Gesetz negativ gewirkt. Der gesamte Apparat der Bundesbahnen war in den Dienst der Abstimmungspropaganda gestellt worden.
Nach der Verwerfung des Verkehrsteilunsgesetzes musste auf eidgenössischer Ebene trotzdem eine politische Lösung gefunden werden, um im Sinne der Volkswirtschaft den SBB aus der Krise zu helfen. Der Bundesrat erliess deshalb zwei Jahre später einen neuen Entwurf zur Verkehrsteilung. Wer gegen Entgelt für andere auf öffentlichen Strassen mit Motorfahrzeugen Personen oder Sachen beförderte, bedurfte nach dem Entwurf inskünftig einer Bewilligung. Diese wurde erteilt, wenn für die nachgesuchte Transportart ein Bedürfnis bestand und der Bewerber in persönlicher und finanzieller Beziehung die Sicherheit und Leistungsfähigkeit seines Betriebes genügend gewährleistete.
Weiter wurde die sogenannte Gütertransportinitiative lanciert. Die Unterschriftensammlung für dieses Volksbegehren ergab ein Rekordergebnis an amtlich beglaubigten Unterschriften. In Uri unterzeichneten 2'782 Stimmberechtigte die Initiative; mehr als damals das Verkehrsteilungsgesetz verworfen hatten. Das Ergebnis der Unterschriftensammlung wurde denn auch positiv interpretiert.
Doch der Himmel über Europa hatte sich verdunkelt, und im Verkehrswesen gewann das militärische Argument immer stärker an Bedeutung. Nach Auffassung des Generalstabes verfügte die Schweizer Armee für die Landesverteidigung über zu wenig Lastautomobile; von der Armee wurde deshalb das Volksbegehren nicht begrüsst. Man befürchtete, dass die Zahl der Lastwagen zurückgehen werde.

Literatur: Gisler-Jauch Rolf, Uri und das Automobil – des Teufels späte Rache, S. 226 ff. Foto: Umlad von Ghianti-Korbflaschen (Fiasco) von der Eisenbahn auf den Lastwagen der Fratelli Baldini beim Bahnhof Altdorf im Jahre 1935; Aufnahme Eduard von Matt, Altdorf (StAUR P-53).

EREIGNISSE ZUM THEMA

1935  / Sonntag, 5. Mai 1935
Verkehrsteilungsgesetz wird abgelehnt
Die Regelung der Beförderung von Gütern und Tieren mit Motorfahrzeugen (Verkehrsteilungsgesetz) wird vom Schweizer Volk abgelehnt. Durch gesetzliche Bestimmungen sollte der Güterverkehr auf die Transportmittel der Schiene und Strasse aufgeteilt werden. Lediglich die Kantone Graubünden und Tessin nehmen das Gesetz an. Im Kanton Uri wird die Gesetzesvorlage mit 2'341 Nein gegenüber 1'498 Ja deutlich abgelehnt. Dem Gesetz stimmen die Gemeinden Andermatt, Attinghausen, Bauen und Hospental zu. .
Quellen / Literatur: Gisler-Jauch Rolf, Uri und das Automobil – des Teufels späte Rache, S. 229
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 23.05.2021