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Kleidermode

Kleider bieten dem Menschen Schutz gegen Nässe, Kälte und Hitze. Kleider schmücken und Kleider verhüllen. Schambinden, Tangas und Lendenschurze aus Leder, Fell oder Rindenstoff gelten als älteste Kleidungsstücke. Die Kleidung wurde zum Teil der materiellen Kultur einer Gesellschaft, richtet sich nach ihren Gewohnheiten und Möglichkeiten und ist ständigen Veränderungen unterworfen. Das Kleid ist Teil der Persönlichkeit, aber nicht Sitz der Seele! Der Schein der Kleidung kann trügen: Man empfängt den Mann nach dem Kleide und entlässt ihn nach dem Verstande, lehrt das Sprichwort. Durch die Kleidung wird der Mensch in seinem äusseren Wesen und Auftreten beeinflusst. Der Mensch schafft das Kleid, wird aber auch durch das Kleid gestaltet. Kleider machen Leute! Gottfried Keller. Kleider spiegeln den Gemütszustand wider. In Festkleidung gibt man sich anders als im Freizeitdress. Kleider begleiten den Menschen auf seinem Lebensweg. Bei den grossen Übergängen des menschlichen Lebens, vor allem bei der Feier der Taufe, der Ersten Kommunion, der Hochzeit und des Begräbnisses sind die im Mittelpunkt stehenden Personen und die Gemeinschaft der Teilnehmenden durch besondere Bekleidung ausgezeichnet - früher stärker als heute! Das Beispiel der Trauer: Der Schwund der Trauerabzeichen ging vom Trauerkleid und Trauermantel zur Armbinde, zum Streifen am Revers. Schliesslich verschwand auch noch der Trauerknopf.
Kleider legen den Unterschied in den Altersklassen dar - früher stärker als heute! Knaben und Mädchen trugen im vorschulpflichtigen Alter den Kinderrock. Der zweite Übergang bestand bei den Knaben von den kurzen zu den langen Hosen - als Zeichen der männlichen Vollwertigkeit. In der Bekleidung wurde auch der Übertritt in die Gruppe der Ledigen öffentlich kundgetan - mit der Erlaubnis zum öffentlichen Rauchen, zu Wirtshausbesuch, zu Tanz und Liebschaft. Die Kleidung wurde in der Geschichte allgemein zum Unterscheidungszeichen zwischen den Geschlechtern in der Männer- und Frauentracht. Dazu kamen noch Unterschiede zwischen den Kleidern lediger und verheirateter Personen - wie früher im Kopfputz der Frauenkleidung. Einzelne Kleidungsstücke wurden im Laufe der Entwicklung geradezu zu Geschlechtszeichen: die Hose für das männliche, die Schürze für das weibliche Geschlecht! Individualistische Willkür gegen natürliche und brauchmäsige Ordnungen sowie die Frauenemanzipation liessen die Grenzen zwischen Altersklassen und Geschlechtern verwischen.
Weiss Richard, Volkskunde der Schweiz, Erlenbach-Zürich 1946, s. 144 ff.

Die Frauenmode des Mittelalters (12.-13. Jhdt)
In der "höfischen" Zeit, der eigentlichen Blüte des Ritterums, besingt der Ritter in seinem Minnegesang die zum Idealbild erhobene Frau und vollbringt für sie Heldentaten. Hinsichtlich der Bekleidung entsprachen dem höfischen Schönheitsideal der Frau enganliegende geschnürte Oberteile, weite Hängeärmel und lange Schleppröcke. Das Kleid sollte "heimelich" sitzen und die weiblichen Formen möglichst deutlich erkennen lassen. Wolfram von Eschenbach (um 1170 - um 1220), der Dichter des Epos "Parzival", besang voll Minne die Kleidung seiner Angebetetsten: „Wie Ameisen pflegen in der Mitte schlank zu sein, so schlank war auch das Mägdelein!“ Die Wespentaille der Ameise war im Mittelalter für die Frau erstrebens- und für den Mann bewundernswert. Die Kleider liessen sich an der Seite durch Schnüre verengen und bildeten so den Vorläufer des Korsetts. Eine andere mittelalterliche Erfindung war die Schleppe, "swenzelin" genannt. Seit dem 13. Jahrhundert erhielt der untere Teil des Rocks mehr Weite, gestaltete sich immer faltenreicher und wurde zum Teil als Schleppe am Boden nachgeschleift. Beim Gehen musste die Frau Rock und Schleppe von Hand raffen oder - besonders vornehm - sich diese von Dienerinnen nachtragen lassen. Die mittelalterlichen Dessous bestanden im Hemd und in den Beinlingen, welche über dem Knie mit Strumpf- oder Hosenbändern befestigt wurden.
Die Frauenkleider waren geringen Veränderungen unterworfen. Das ergab sich vor allem aus der kaum variablen Rocklänge der Frauen, welche die Beine züchtig stets zu verbergen hatten. Im sittlichen Gegensatz trug die Dirne den Rock hochgeschürzt. Nennenswerte Variationen in der Frauenmode waren deshalb vorerst nur im Dékolleté und in der Gestaltung von Kragen und Ärmeln möglich. Der erste Versuch im Anheben des Frauenrockes bestand im Doppelgewand. Der obere der beiden Röcke wurde gekürzt, so dass er zwischen Knie und Knöchel aufhörte und das Unterkleid in bekannt anständiger Maximallänge hervortreten liess. Das Sichtbarwerden der Unterkleidung war ein Effekt, den sich die Mode bis in das 17. Jahrhundert nicht wieder nehmen sollte.
Von Boehn Max, Die Mode, S. 78 ff.; Meyer Werner, Hirsebrei und Hellebarde, S. 193.

         
Das weibische Aussehen der Männer (12.-13. Jhdt)
Im 12. und 13. Jahrhundert war eine Annäherung der Gewandformen bei Männern und Frauen erfolgt. Dieses oft getadelte "weibische" Aussehen der Männerwelt bezog sich allerdings nur auf ihr "Zivil", die Zeit wo sie Helm und Harnisch abgelegt hatten. Im Hochmittelalter bestand die Kleidung des Mannes aus einem langärmeligen, bis zu den Knien reichenden Leibrock, der in der Taille durch einen Gürtel zusammengerafft war. Über dem Rock konnte der Herr noch einen Mantel anlegen, der in seiner Passform dem weiblichen ganz entsprach. Unter dem Rock trug man ein Hemd. An der so genannten Bruoch oder Bruch - eine Art Unterhose aus Leinen - wurden die Beinlinge, die langen Strümpfe, angenestelt. Um diese Beinlinge der Körperform besser anzupassen, wurden sie meist gestrickt. Das Anziehen war eine unbequeme Prozedur, die sich aber lange hielt, denn es sollten Jahrhunderte vergehen, ehe Bruch und Hosen zu einem Stück verschmelzen. Das Paar Hosen wurde seinem Namen im Mittelalter also noch gerecht! Mit dem Beginn des 14. Jahrhunderts vollzog sich ein grosser Wandel im Stil der Kleidung, welcher mit der Veränderung in der Gesellschaft einherging. Das Bürgertum wurde zur allmählich tonangebenden Schicht. Damit gingen auch die ritterlichen Sittlichkeits- und Schönheitsideale verloren. Es kamen nicht nur andere Gewandformen auf, sondern diese waren auch einem immer stetigeren Wechsel unterworfen. Die Mode konnte sich neu entfalten und erhielt vor allem in den aufblühenden Städten ihren Nährboden.
Von Boehn Max, Die Mode, Eine Kulturgeschichte vom Mittelalter bis zum Barock, München 1982, S. 78 ff.; Meyer Werner, Hirsebrei und Hellebarde, S. 190.

         
Der Männerrock wird immer kürzer (14.-15. Jhdt)
Im Gegensatz zu den Frauen wanderte die Rocklänge beim Mann stetig und scheinbar unaufhörlich nach oben, bis das Kleidungsstück den Namen Rock nicht mehr verdienen sollte. Gegen Ende des Mittelalters war der Rock so kurz geworden, dass er die Bruoch (Unterhose aus Leinen) nicht mehr bedecken konnte. Wenn man früher von den Körperformen des Mannes so gut wie nichts hatte erkennen können, so sah man jetzt - oh du Burschenherrlichkeit - klare Konturen! Man trug eine kurze, enganliegende Überhose oder vereinigte Bruoch und Beinlinge miteinander zu einer Art Strumpfhose. In beiden Fällen musste wegen der engen Anpassung an die Körperformen für die männlichen Geschlechtsteile eine vorstehende Aussparung - die Schamkapsel oder der Hosenlatz - angebracht werden. Zur Verbreitung dieser Mode trugen in der Eidgenossenschaft vor allem die Reisläufer bei. Die sichtbar gemachten männlichen Konturen wurden jedoch immer mehr als Ärgernis empfunden. Die Obrigkeit versuchte die Mode in sittliche Bahnen zu lenken. Ein Unterfangen, von welchem sie - obwohl mehr oder weniger erfolglos - über Jahrhunderte nicht mehr ablassen wollte.
Von Boehn Max, Die Mode, München 1976, S. 105 ff.; Meyer Werner, Hirsebrei und Hellebarde, S. 192.

         
Die Freude an der Farbenpracht (14.-15. Jhdt)
Nebst der Verkürzung des Rockes wurden die Körperformen des Mannes auch durch das enganliegende, zum Teil gepolsterte Wams immer stärker betont, während die Arme unter weiten Puffärmeln verschwanden. Das Oberteil lag so dicht um den Oberkörper, dass es nicht mehr über den Kopf gezogen werden konnte. Der Schritt zu dieser beengenden Kleidung vollzogen auch die Frauen. Um diese modischen Kleider An- und Ausziehen zu können, musste sich Frau und Mann etwas einfallen lassen. Man erfand die Knöpfe und die Herren trugen ebenfalls ein Dékolleté. Den tiefen Ausschnitt auf der Brust deckte ein Latz, der vorn wie ein Mieder verschnürt wurde. Im Laufe des Mittelalters wird die Männer- und Frauentracht immer bunter. Graue, unscheinbare Tuchfarben galten als bäuerlich und ärmlich. Der graue, einfache Bauernrock wurde vom modischen Städter verächtlich als "Aschensack" bezeichnet. Als ein Element einer Erscheinung, die nur der Laune ihre Existenz verdankt, ist das sogenannte Mi-parti anzusehen. Stark kontrastierende Farben wurden beliebt und die Kleidungsstücke wurden in zwei oder mehrere Farben geteilt. Auf eidgenössischem Gebiet lehnten sie sich oft an die heraldischen Farben (Tinkturen) der einzelnen Orte an. Das Mi-parti sollte ein zähes Leben haben und sich Jahrhunderte hindurch in der Gunst beider Geschlechter behaupten. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird diese farbliche Unterteilung wieder verschwinden.
Von Boehn Max, Die Mode, München 1976, S. 95 ff.; Meyer Werner, Hirsebrei und Hellebarde, S. 153.

         
Die Kleidung als Spiegel des Standes (15. Jhdt)
Die soziale Differenzierung der Gesellschaft im beginnenden 16. Jahrhundert zeigte sich auch in der Bekleidung, welche sich vielfältig und bizarr präsentierte. Es herrschte die grösste Willkür in Schnitten und Farben, alles schien der Laune überlassen zu sein, jeder war nur sich selber Regel und Gesetz. Das Aufkommen des Individualismus, das Betonen der eigenen Persönlichkeit offenbarte sich im Kostüm. Anderseits drängte die Mode zu Nachahmungen. Im 15. Jahrhundert gingen vor allem vom burgundischen Hof die Impulse in der Kleidermode aus. In den Städten kleidete sich das Bürgertum - im Handel daheim - in Sammet und Seide, ausländischer Leinwand und in feinen Tücher. Die Kleider der Oberschicht waren überladen mit Goldketten, kostbarem Perlen- und Silbergeschmiede aller Art. Die obrigkeitliche Vorstellung ging dahin, dass die ständische Gliederung auch in der Bekleidung zum Ausdruck kommen sollte. Mit luxuriösen Kleidern konnte der ständische Unterschied verwischt werden. Sittenpolizeiliche Kleidermandate entsprangen in der Folge vor allem einmal ständischem Denken. Die Kleidung sollte statussymbolische Bedeutung bekommen. Die Bauern hatten gefälligst mit selbstverfertigter Leinwand, Riste, Barchent, Kölsch, grober Wolle und "Chudertuch" zufrieden zu sein. "Chuder" nannte man die Abfälle der Wolle, des Flachses und des Hanfes. Die Bauern unterschieden sich äusserlich auch von den sogenannt besseren Leuten, indem sie bei warmer Witterung hemdsärmlig durchs Leben gingen.
Rolf Gisler-Jauch, in UW 17, 6.3.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, S. 171; Meyer Werner, Hirsebrei und Hellebarde, S. 190; Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J., S. 15.

         
Die aufgeschlitzten Kleider (15. Jhdt)
Der grosse Umschwung des Schnittes, welches alles Enge und knapp Gespannte der alten Kleidung verwarf, machte sich wiederum zuerst in der Männerkleidung bemerkbar. Die Eidgenossen waren an dieser Entwicklung nicht unbeteiligt. In die Beute der Eidgenossen aus den Kriegen gegen den Herzog von Burgund (1433-1477) fielen auch kostbare Kleider. Als sie diese anziehen wollten, hätten sie nicht gewusst, wie man diese Burgunder Mode trägt. Und so soll - angesichts dieser einengenden Kleidung - der erlösende Gedanke gekommen sein, die Kleidung, den Körper befreiend, aufzuschlitzen. Die neue Mode wart geboren! Der Chronist Konrad Pellikan von Rufach schrieb in seiner Chronik zur Zeit des ausgehenden 15. Jahrhunderts, dass bis anhin niemand buntfarbige, zerhauene Kleider gesehen habe und die Schneider nun diese Flickkunst zu lernen hätten. Man schnitt Wams und Hose dort auf, wo sie die Glieder am engsten umschlossen, und unterlegte die so entstandenen Schlitze mit andersfarbigem Stoff, welcher sich durch die Schlitze drängte und Arm und Bein bauschig erscheinen liess. Die Mode des Zerhauenen, wie man damals zu sagen pflegte, griff auch auf Schuhe und Barett über und bemächtigte sich der eleganten Welt. Die Landsknechte trugen Pluderhosen, das Wams wurde über der Brust zugeknöpft. Über die Achselnähte hatte man Wülste aufgesetzt, im heutigen Modejargon Achselpolster genannt. Das Wams wies nun einen Schoss auf, der bis zum Knie reichen konnte. Ragte der Schoss als Schurz unter dem Brustpanzer hervor, wurde er Waffenrock genannt. Die männliche Kleidung wäre jedoch unvollständig gewesen ohne den mantelartigen Oberrock, die Schaube.
Bei der Frauenkleidung verschwand die Schleppe. Der Rock wurde kürzer, blieb aber lang und erhielt die runde Form, die überall den Boden erreichte, ohne aufzuliegen. Das Hemd stieg bis zum Kinn herauf und legte sich genau wie das Männerhemd in einem schön verzierten Stehkragen um den Hals. Manche Frauen trugen den Goller (später: Koller), einen breiten Schulterkragen, der Hals und Brust verhüllte.
Rolf Gisler-Jauch, in UW 17, 6.3.1999; Literatur: Chronik Konrad Pellicanus von Rufach; Von Boehn Max, Die Mode, S. 178 ff.

         
Der Einfluss Spaniens auf die europäische Mode (16. Jhdt)
Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geriet die Mode unter starken spanischen Einfluss. Das Hauptmerkmal der spanischen Mode war die Einfarbigkeit und die Rückkehr zur engen und knappen Bekleidung. Beim Mann modellierten enge Beinkleider das ganze Bein fast bis zur Hüfte. Über dieser engen Strumpfhose sass nicht einmal bis zur Hälfte des Oberschenkels reichend, ein rundes, kurzes Beinkleid. Um ihm eine feste Form zu geben wurde es ausgestopft und in der Modewelt spanische Heerpauke genannt. Die spanische Mode gab die Schaube auf und ersetzte sie durch ein kurzes, vollrundes Mäntelchen. Die spanischen Modefarben waren düster; schwarz wurde bevorzugt. Die spanische Mode wurde zwar überall angenommen, doch musste sich in allen Ländern gewisse Änderungen gefallen lassen.
Die spanische Mode verpasste der Frau ein beinahe geometrisches Aussehen. Keine Konturen der Gliedmassen waren zu erkennen, Ober- und Unterkörper der Frau waren wie zwei Kegeln, die mit den Spitzen aufeinander gestellt schienen. Keine Falte entstellte die geometrische Regelmässigkeit. Um diese geometrische Form zu erreichen, wurde alles wattiert, gepolstert und geschnürt. Den Oberkörper umschloss das Korsett wie ein Panzer; mit erbarmungsloser Härte wurden die Weichteile in eine anormale Lage gedrückt. Von einem Dékolleté war in Spanien keine Rede. Um den Hals legte sich bei Frau und Mann die Kröse, der umfangreiche, eng gefaltete Leinenkragen von brettartiger Steifheit. Mit silbernen oder eisernen Drähten wurden die mühlsteinförmigen Halskrausen unterlegt, damit die ringsherum weit abstehenden Falten besser erhalten blieben.
Rolf Gisler-Jauch, in UW 17, 6.3.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, S. 205 ff.

         
Der Krieg verlangt taugliche Kleidung (17. Jhdt)
Im 17. Jahrhundert breitete sich das Kriegsfieber allmählich in ganz Europa aus. Europa trat in die Wirren des Dreissigjährigen Krieges. Die spanische Mode verurteilte ihre Träger zu grosser Steifheit und Bewegungslosigkeit. Diese war nicht kriegstauglich. So sagte sich zuerst die Männerkleidung vom spanischen Einfluss los: Die spanische Heerpauke, das kurze Beinkleid, wurde fallengelassen. Die Kleidung weitete sich. Das Beinkleid ging nun bis unter das Knie, wo es zusammengebunden wurde. Diese Veränderungen wurden von denen des Schuhwerks begleitet. Der niedere Schuh, der zur engen Strumpfhose der spanischen Tracht gehörte, wich dem Schaftstiefel, welcher allmählich bis zu den Knien heraufgezogen wurde. Die Bekleidung des Oberkörpers bestand aus zwei Stücken, dem Ärmelwams und dem Koller. Häufig war letzterer aus Leder, dem Bürger zur Zierde, dem Soldaten zum Schutz. Allmählich gab das Wams die Ärmel an das Koller ab, welches nun die Form eines Rockes erhielt. Die Kröse wurde nicht mehr gestärkt oder ganz weggelassen. Die Nachfolge trat der breite weiche Spitzenkragen an.
Rolf Gisler-Jauch, in UW 19, 13.3.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, S. 298 ff.

         
Die Geburt der Krawatte (17. Jhdt)
In der Mitte des 17. Jahrhunderts trat eine Modeerscheinung immer mehr auf. Der Kragen wurde um den Hals herum schmäler getragen, hing dagegen auf die Brust in langen Enden herab: die Vorläuferin der Krawatte begann die Welt zu erobern. Ihren Namen erhielt sie von dem seit 1636 in Diensten der französischen Krone stehenden Regiment Kroaten. Die neue Kragenmode rief zu einer Kettenraktion, von welcher Frisur und schliesslich auch die Kopfbedeckung betroffen wurde. Das Haar konnte nun vom Mann wieder lang getragen werden. Leider besass jedoch nicht jeder Bourgeois, nicht jeder Offizier eine natürliche Fülle des Haares. Die Mode liess sich etwas einfallen und kreierte die Perücke. Die neue Frisur - ob echt oder unecht - verlangte nach einem anderen Hut, und so kam der grosse halbweiche Filzhut mit breiter Krempe und langwallender Feder auf. Man nannte ihn Respondent.
Rolf Gisler-Jauch, in UW 19, 13.3.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, S. 298 ff.

         
Zurück zu menschlichen Formen (17. Jhdt)
Mit der Zähigkeit, mit der die spanische Mode die Frauenwelt in die geometrischen Formen zwang, hielt die Weiblichkeit am spanischen Kostüm fest. Sie trug im 17. Jahrhundert noch das sehr steife Mieder, die Mühlsteinkröse und den steifen, faltenlosen Rock. Die erste merkliche Änderung der Damentoilette war das Fortfallen des Reifrocks. Der Rock fiel gefälliger und die Umrisse nahmen wieder menschenähnliche Formen an. Die Stilisierung der Figur wich dem natürlichen Fluss der Linien. Man trug mehrere Unterröcke verschiedener Farben. Allerdings schweigen sich Urner Quellen dazu aus. Das Dékolleté schloss immer mehr die Schultern ein. Das Haar folgte dem Zug nach Freiheit und Leichtigkeit. Ein Laune der Zeit waren die Schönheitspflästerchen im Gesicht, welche als Sterne, Mond, aber auch als Pferdchen die Gesichter der Schönen noch zu verschönern suchten.
Rolf Gisler-Jauch, in UW 19, 13.3.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, S. 318 ff.

         
Der Vorstecker - ein erster Bestandteil der Volkstracht (18. Jhdt)
Die Oberbekleidung der Dame bestand aus drei Hauptstücken, dem Oberteil und zwei Röcken. Der Oberrock - Robe oder Manteau - wurde vorn aufgeschnitten und nach rückwärts gebauscht und endete in einer langen Schleppe. War die Mode von vorn sehr schmal, so wurde hinten mit Hilfe von künstlichen Einlagen die Rundung betont. Der untere Rock - la jupe - war meist von anderem, aber ebenfalls kostbarem Stoff sowie von anderer Farbe als der Manteau. Das Oberteil öffnete sich zu einem dreieckigen Ausschnitt, der wieder durch Schnüren und Spangen zusammen gezogen wurde. Dieses dreieckige Stoffstück, das hinter der Schnürung sichtbar blieb, wurde zum Stecker, das heisst, da es der Bequemlichkeit wegen als Einzelstück gefertigt wurde, brauchte es nur eingesteckt zu werden. Als solches hatte es sich in der Urner Volkstracht bis heute erhalten. Während die spanische Mode durch Fischbein und Schnürung den Busen völlig negiert hatte, sollten nun die weiblichen Formen betont werden. Der Ausschnitt, der vielfach bis zum Brustansatz reichte und die Schultern miteinbezog, wurde mit schmalen Spitzen und Stoffdraperien verziert.
Rolf Gisler-Jauch, in UW 19, 13.3.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, S. 318 ff.

         
Die französische Mode wird zur Weltmode (18. Jhdt)
Die Kleidung der Gesellschaft begann Ausgang des 17. Jahrhunderts überall zur gleichen, nämlich zur französischen zu werden. Wer sich französisch kleidete, dokumentierte dadurch seine Zugehörigkeit zu einer höheren Klasse. Diese Tendenz wurde von Frankreich aus unterstützt, indem die französischen Manufakturen zum grössten Teil Luxusartikel produzierten wie Samt- und Seidenstoffe, Spitzen und dergleichen. Die Mode wurde immer mehr zum Wirtschaftszweig. Die französische Mode beschränkte sich auf die oberen Stände. Um diese den unteren sozialen Schichten fernzuhalten, wurden Kleider und Frisuren immer teurer und für den arbeitsreichen Alltag immer unpraktischer. Ein Beispiel ist der Kopfputz. Die Haarpracht - Fontage genannt - wurde mit schweren Bändern mehrere Stockwerke hoch aufgebaut. Montesquieu schreibt 1721 in den persischen Briefen, dass es eine Zeit gegeben hätte, wo man wegen der unermesslichen Höhe der Fontange das Gesicht eines Frauenzimmers in der Mitte ihrer Figur gesehen hätte. Der erste, der sich gegen die Ausschreitungen der Mode wandte, war ausgerechnet Ludwig XIV. selbst. Als verliebter König hatte er die Fontage in Mode gebracht. Kam die Mode jedoch einmal in Fahrt, konnte sie anscheinend auch der Sonnenkönig nur mehr schwer bremsen. Die Fontage erhielt sich trotz des königlichen Verbots bei der Frauen- und Männerwelt vorerst noch grosser Beliebtheit. So wenig die Verbote etwas gegen die Mode auszurichten vermochten, so wenig waren auch Erwägungen des guten Geschmacks, der Sparsamkeit und des Patriotismus imstande, der französischen Mode Einhalt zu gebieten.
Rolf Gisler-Jauch, in UW 19, 13.3.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, S. 325 ff.

         
Die Standesunterschiede in der Kleidung fallen (18.-19. Jhdt)
Die Ideen der Französischen Revolution hatten ihre Auswirkungen auch auf die Bekleidung. Eine der ersten Taten der Nationalversammlung war denn auch die feierliche Aufhebung aller Standesunterschiede in der Kleidung. Das erste Vorrecht der privilegierten Klasse war gefallen, andere sollten folgen. Die Demokratisierung der Kleidung hatte sich in England schon im Laufe des 18. Jahrhunderts abgezeichnet. Auf der Insel gelangte neben der höfischen Mode immer mehr die Bürgerkleidung zu modischem Aussehen und zur allgemeinen Nachahmung. Auf künstliche Vergrösserung des Rockes wurde verzichtet. Das Korsett passte sich den Körperformen an. Die Kleider wurden aus leichten weissen Baumwollstoffen gefertigt. Die englische Mode konnte auf dem Kontinent sich jedoch erst verbreiten, wenn sie in Paris Namen und Anerkennung gefunden hatte. Die Revolution befreite auch das Kind. Bis anhin wurden die Kinder aus sogenannt besserem Hause gekleidet wie die Erwachsenen: der Sohn wurde frisiert und gepudert wie der Vater, die Tochter in das Mieder gezwängt wie die Mutter. Die Kleider waren vom gleichen Schnitt und von gleichem Stoff wie die der Erwachsenen. Die französische Mode beugte sich am Vorabend der Französischen Revolution dem neuen Kleidertrend, welcher aus England kam und eine vernünftige, dem kindlichen Körper angepasste Kleidung brachte.
Während den Revolutionswirren vollzog sich der Wandel in der Kleidermode nicht in Paris, sondern in England. In der französischen Metropole wurde die englische Mode mit Begeisterung aufgenommen. Mit der Revolution fielen bei der Frau der Reifrock, die Unterröcke, das Korsett und die hochgetürmten Frisuren. Rock und Oberteil bildeten nun ein einzelnes Stück, so dass man nicht mehr von einer Robe, sondern von der Chemise sprach. Galt es früher als nobel möglichst viele Kleider anzuziehen, so entstand nun ein Wettstreit, welche Dame es wagte, sich mit möglichst wenig zu kleiden. Das englische Kleid, welches seine Reise nach Paris langärmelig und bis an den Hals geschlossen angetreten hatte, kam nach der französischen Veränderung stark dekolletiert und ärmellos daher.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 25, 3.4.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, München 1976; Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J, S. 25 f.

         
Die Pantalons der Sansculotten (18.-19. Jhdt)
Die Revolution in der Männerkleidung war dem politischen Umsturz vorausgegangen. Die Nuancen der Veränderung bestanden darin, dass der Mann Stiefel anstelle der Schuhe zu tragen begann, dass er einen glatten Hut anstelle des gold- und federgeschmückten Dreispitz aufsetzte und sein Haar offen und ungepudert trug. Als die Französische Revolution noch das Tragen der Pantalons brachte, widerspiegelte sich der Untergang der alten Gesellschaft in der Bekleidung. Kleid und Tracht des gemeinen Mannes eroberten die noble Welt. Nur die Ärmsten hatten bis anhin ihr Haar ungepudert gelassen, hohe Stiefel hatten die Fuhrknechte und lange Hosen nur Matrosen getragen. Das lange Beinkleid, welches für das Einsetzen der neuen Mode so charakteristisch war, war nichts anderes als die Hosen der englischen Matrosen und seinen Namen Pantalons vom „ Pantalone", dem bekannten Typ der italienischen Komödie erhielt. In der französischen Revolution trugen die Pantalons die radikalen Republikaner. Der Gegensatz zu den Kniehosen der Aristokratie brachte ihnen den Spottnamen Sansculotten („ ohne Kniehosen") ein. Lange Beinhosen, hohe Stiefel und offenes Haar waren nicht bloss Geschmacksache, sondern wurden zum Bekenntnis einer politischen Meinung, für welche mit der Kleidung in der Öffentlichkeit Zeugnis abgelegt wurde. Die Mode wurde mit der Politik verschmelzt, das Kleid manifestierte die politische Meinung seines Trägers.
Die Pantalons setzten sich nur langsam durch, sie reichten zuerst zur Wade und erst allmählich bis zum Schuh. Die Kniehosen kamen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch in der lnnerschweiz aus der Mode. Hierzulande wurde die Hosenlänge jedoch nicht zu einem politischen Bekenntnis, sondern war vielmehr eine Folge der militärischen Uniformierung. Karl Franz Lusser hält in seiner Beschreibung des Kantons Uri (1834) fest, dass die schwarzen kurzen Lederhosen, welche früher so allgemein waren, fast verschwunden sind, seit jeder Militärpflichtige sich lange Hosen anschaffen musste. Die Militärhosen bestanden aus einem rauhhaarigen, dunkelfarbigen Tuch, welches aus Abfällen der Wolle gearbeitet wurde. Die langen Hosen wurden nun auch nach oben verlängert, so dass sie endlich bequem auf den Hüften sassen. Bevor die gestrickten Fussstrümpfe allgemein in Gebrauch kamen, schützten so genannte Stösse aus dickem "Nördlinger" die Waden. Es war eine Art Filz, naturfarbig, hellgelblich, und wurde aus Nördlingen im Bayerischen in die Schweiz eingeführt.
Die knielangen Hosen haben sich in der Männertracht der Sennenbruderschaft Bürglen erhalten. Das Beinkleid der Urner Männertracht besteht hingegen aus langen schwarzen Hosen.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 25, 3.4.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, München 1976; Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J, S. 25 f.; Lusser Karl Franz, Der Kanton Uri, St. Gallen 1934, S. 50 f.

         
Der Herr stand nicht mehr im Mittelpunkt der Mode (19. Jhdt)
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wandte sich das Interesse der Mode immer mehr vom Mann ab und der Frau zu. Um 1815 fanden Pantalons, Rock und Gilet ihre definitive Gestalt, jede Extravaganz wurde vermieden. Diese Tendenz zur Versachlichung und Demokratisierung der Herrenkleidung wurde im Laufe des Jahrhunderts noch verstärkt. Frack und Gehrock wurden zwar noch auf der Strasse getragen, aber sie hatten ihre Farbigkeit eingebüsst. Nur die Westen blieben noch eine Weile bunt, bis um 1860 der ganze Herrenanzug, bestehend aus Rock, Weste und Hose, aus dem gleichen Stoff gefertigt wurde. Die Mode zielte nun darauf aus, den Mann in erster Linie unauffällig zu kleiden. Nur daheim durfte der Herr seinen farbigen Hausrock tragen, sobald er aber in der Öffentlichkeit erschien, hatte er sich von der übrigen Männlichkeit nur durch den besseren Schnitt zu unterscheiden. Der Herrenanzug verlor an Effekten, gewann aber an Nuancen. Die Herren empfingen ihre Gesetze nicht mehr aus Paris, sondern aus London. Die englische Gesellschaft forderte vom Gentleman, dass er zu jeder Stunde des Tages "richtig" angezogen war.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 25, 3.4.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, München 1976.

         
Der einsetzende Kauf ab der Stange (19. Jhdt)
Ein Zeichen für die Demokratisierung der Mode war auch das Einsetzen der Konfektion, die gleichmässig die Bedürfnisse aller befriedigen konnte. Seit 1791 gab es in Paris Magazine mit fertiger Kleidung und gedruckter Preisliste. Entscheidenden Aufschwung bekam die Konfektionsmode durch die Erfindung der Nähmaschine, welche sich in den 1850er-Jahren endgültig durchsetzte. Während des ganzen 19. Jahrhunderts wurden die Kleider für den Kauf ab der Stange jedoch nicht in Fabriken, sondern in Heimarbeit angefertigt.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 25, 3.4.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, München 1976.

         
Das weisse Hirthemd - uralter Bestandteil der Älplertracht (18.-20. Jhdt.)
Das weisse Hirtenhemd ist nach dem Zeugnis der Volkssagen ein uralter Bestandteil der schweizerischen Älplertracht. Durch vieles Waschen wurde die grobe rohe Leinwand, die "Riste", je länger, je weisser und geschmeidiger. Die Länge des Hirtenhemds war recht verschieden, bald reichte es knapp auf die Hüften, bald deckte es auch die Knie. Im letzteren Falle hielt es ein Ledergürtel oder auch nur ein Strick zusammen. Die langen Ärmel schloss ein Brisli an der Handwurzel oder sie waren an die Oberarme aufgerollt. Dem Halsausschnitt fügte sich oft im Nacken eine Kapuze an, die als Kopfschutz bei gewissen Arbeiten, wie beim Heuen, oder beim Regenwetter gute Dienste versah, aber auch beim Schlafen über den Kopf gezogen wurde. Auch Karl Franz Lusser bezeichnet in seiner Beschreibung des Kantons Uri das weisse, bis in die Mitte der Schenkel reichende Hirtenhemd als "allgemeinstes Oberkleid". Im Winter trugen die Männer gewöhnlich kurze Jacken und kurze oder lange Hosen von grobem, starken Wolltuch von grauer Farbe, das aus weisser und schwarzer Wolle selbst gezogener Schafe gewoben wurde. Nach Lusser trug der Urner im Sommer aus Wolle gefertigtes, aber leichteres und meist blau gefärbtes "Zeug" mit roten oder bunten "Wämsern". Der Arzt und Historiker schmeichelt in seiner Beschreibung den Urnern keineswegs: "Zu Hause und bei der Arbeit kommt der Landmann gemeiniglich unordentlich, schmutzig und ärmlich." Das weisse Hirtenhemd kennt im Gegensatz zum Appenzell und Toggenburg keine Verzierungen. Der Grund mag darin liegen, dass die blaue Bluse aufkam und das Hirtenhemd zum Heuerkleid verdrängte.
Anfangs des 20. Jahrhunderts wurde denn auch das weisse Hirtenhemd in der lnnerschweiz nur noch in der Zeit der Heuernte getragen. Fehlte die Kapuze, so wurde der "Burdisack" übergeworfen, um die oft ein bis zwei Zentner schweren Lasten, Burdenen (Burdi = Bürde), auf dem Kopfe von den steilen Hängen in die Heustadel zu tragen und zu verhüten, dass die dürren Halme nicht zwischen Hemd und Hals hinunterschlüpfen können, um unerträglich zu jucken. Im Kanton Uri hiess dieser Sack "litragsack".
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 27, 10.4.1999; Literatur: Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J, S. 31 ff.; Lusser Karl Franz, Der Kanton Uri, St. Gallen 1934, S. 50 f.

         
Die blaue Burgunderbluse (19. Jhdt.)
Säumer und Fuhrleute, die Waren aus Frankreich nach der Schweiz führten, kamen zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einer glänzend blauen Leinenbluse, dem "Burgunder", in die Schweiz. Die lnnerschweizer Bauern hatten eine Schwäche für diese blaue Farbe und so fand die Burgunderbluse, das "Welschhemp", eine rasche Verbreitung in der ganzen Schweiz. Auch in der lnnerschweiz ersetzte dieses Kleidungsstück bald das Hirtenhemd. Die Bluse wurde zum allgemeinen Arbeitskleid der lnnerschweizer Bauern, es wurde aus billigem, dunklem Futterstoff gefertigt. Die Form war dieselbe wie beim kurzen, leinenen Hirtenhemd, nur fehlte die Kapuze. Zwischen Vorder- und Rückenteil wurde auf den Achseln ein Verbindungsstreifen eingesetzt, welcher sich mit Knöpfe öffnen liess. Dadurch wurde das über den Kopf Aus- und Einschlüpfen etwas bequemer als beim Hirtenhemd. Seine Form war auch gegenüber dem Rock so praktisch, dass hoffärtige Bauernjünglinge sich dasselbe an Stelle des Rockes für "Besser" aus schwarzem Wollplüsch herstellen liessen, um dieses Stück als Ausgangskleid zu benutzen. Diese Bluse liess den Knopfverschluss auf der Achsel weg. Die Achselstreifen verblieben als Garnitur und verbreiterten sich zu Achselpatten. Dem Schönheitsgefühl folgend, verzierte man diese kurzhaarigen, schwarzen Wollplüschblusen um den Halsausschnitt, um die Handbrisli und auf den Achselpatten mit hellfarbigen Zierstichen.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 27, 10.4.1999; Literatur: Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J, S. 35 ff.

         
Braun und Schwarz werden Mode (19.-20. Jhdt.)
Von etwa 1860 an bevorzugte die Mode Blusen aus braunem Wollstoff, aus so genanntem Tuch. Die Zierstiche erfuhren eine Bereicherung, indem mehrere Farben, vorzugsweise braune, in helleren und dunkleren Tönen mit eingestreuten Stahlperlen zur Verwendung gelangten. Bereits um 1880 hatte sich der Geschmack den Blusen aus schwarzem Tuch zugewendet. In die immer bunter werdende Stickerei von Ähren, Blüten und Blättern mischten sich nun statt Stahlperlen Goldfäden und Silberpailletten. Die Frauen und Mädchen hatten sich selber zu geschickten Stickerinnen ausgebildet. Sie entwarfen auch selber Vorlagen und zeichneten die Muster dafür. Manche schufen sich dadurch einen lohnenden Verdienst. Ausgangs des Jahrhunderts gesellten sich zu den Röslein, Vergissmeinnicht und Ähren, die Alpenrose und das Edelweiss. Die Alpenrose und das Edelweiss waren die offiziellen Blumen der neuen schweizerischen Eidgenossenschaft geworden. So schmückte der Alpenrosenkranz die Silbermünzen von 1850 mit der sitzenden Helvetia. Nachdem die Stickereien eine so bedeutende Ausdehnung angenommen hatten, wurden sie der leichteren Handhabung beim Sticken wegen nicht mehr direkt auf die Bluse, sondern auf schwarze Samtstreifen gearbeitet. Der bestickte Samt wurde dann auf die Blusen aufgesetzt. In den beiden letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts fand die gestickte Bluse auch im Kanton Uri recht häufig Anhänger. Der Arzt Dr. Karl Gisler-Lusser, der erste Präsident des Trachtenvereins Altdorf, stellte anfangs der 1930er-Jahre fest, dass der Urner zum Ausgang eine halb städtische, dunkle Kleidung anziehe. Die jüngeren Leute würden mit Vorliebe ein gesticktes braunes oder blaues Oberhemd tragen. Auch er stellte fest, dass man in der Kirche fast keine weissen Hirtenhemden mit Kapuzen mehr sah.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 27, 10.4.1999; Literatur: Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J, S. 35 ff.

         
«Holzbeedä» und «Kartatschä» (19.-20. Jhdt.)
In der lnnerschweiz wurde das Barfusslaufen als ein Zeichen von Armut angesehen. Auch zerrissene und zerlumpte Männer gingen in Schuhen. Das Barfusslaufen war nur das Vorrecht der Buben. Barfuss ging der Bauer in die Kirche, nachdem er seine "Holzbeedä" vor der Kirchentür deponiert hatte, um das Kappern im Innenraum zu vermeiden. Die "Holzbeedä" müssen, wenn sie "diänig" sein sollen, aus einem Stück geschnitzt und gut der Grösse des Fusses entsprechend ausgehöhlt sein sowie aus Arven oder Ahorn bestehen. Buchenholz soll die Füsse wund machen. Mit Lederriemen werden sie über den Zehen und um die Knöchel festgebunden. Die Winterschuhe, die sogenannten "Kartatschä", bestehen aus Holzsohlen, denen Filz- oder Lederteile angenagelt sind, die über die Fussknöchel heraufreichen.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 27, 10.4.1999.

         
Kleider- und Modefarben (16.-21. Jhdt.)
Der Volksmund wies den Farben eine bestimmte Bedeutung zu: Rot ist die Liebe, Blau die Traue, Grün die Hoffnung, Gelb der Neid, Weiss die Unschuld und Schwarz die Trauer. Das Mädchen trug Weiss zur Ersten Kommunion, die Jungfrau Weiss zur Hochzeit - heute jedoch mehr aus Tradition als zur Symbolik.
Bei einem Todesfall trug man Leid. Nach der Beerdigung schloss die Trauerpflicht einst den Verwandtenkreis ein. Der Schwund der äusserlichen Trauer ging sodann vom schwarzem Trauerkleid und Trauermantel zur Trauerbinde und zum Trauerknopf. Schliesslich wurde auch noch dieser abgelegt.
Die Farben sind ein wichtiges Element der Mode. So war die Kleidung bereits im Mittelalter sehr farbenfreudig. Eine erste Modelaune liess die Kleidung farblich unterteilen. Die Kunst des Färbens wurde in klösterlichen Werkstätten gepflegt. Nur Gelb hätte mancherorts von Rechts wegen verpönt sein sollen, da es die Farbe war, die alle Abzeichen der Juden und Huren kenntlich machte. Das hielt die Mode aber nicht davon ab, sich im Laufe der Zeit auch dieser Farbe zuzuwenden. Der Mode sei Dank! Eine grosse Neuerung brachte in die Farbenpracht die eintönige burgundische Hoftracht der Männerwelt und steckte sie von Kopf bis Fuss in schwarzen Samt..
Im 16. Jahrhundert wurde Schwarz noch durch die spanische Tracht unterstützt, die es im 17. Jahrhundert an Holland weitergab, wo es von der lutherischen Bürgerschaft dankbar angenommen wurde. Eine grosse Rolle spielte das Schwarz auch im 19. Jahrhundert beim Herrenanzug und blieb schliesslich lange die ausschliessliche Farbe für festliche Gelegenheiten.
Zwischen den schwarzen Zeiten liebte es die Mode farbenfroher. Die buntesten Farben wurden in Paris zur Schau getragen. Wer die Mode nicht mitmachten konnte und sich unscheinbar kleidete, wurde als graue Alltagsmaus, die Bauern als Aschensack verhöhnt. Die Mode verlangte nicht nur Mut zur Farbe, sondern zwang auch dazu, alles Farbenfrohe noch farbenfreudiger zu machen. Die Buntheit des Kostüms gehörte zur Eleganz; in zehn bis zwölf verschiedenen Farben gekleidet zu sein, war nichts Aussergewöhnliches. Die Modefarben waren denn auch nicht einfach blau oder rot, auch nicht einfach nuanciert wie himmelblau oder scharlachrot. In der Namengebung der Modefarben entwickelten die Pariser Händler schon Anfang des 17. Jahrhunderts eine viel ausschweifendere Phantasie: "lustige Witwe", "kranker Spanier" oder - etwas makaber - "Pockenfarbe" wurden die kostbaren Stoffe genannt. Rot gehörte durch die Jahrhunderte allgemein zur Lieblingsfarbe. Rot hatte den Beigeschmack des Vornehmen: vielfach durften es nur die besseren Stände tragen.
Auch die Bauern genügte mit der Zeit das Grau ihrer Kleidung oder das Weiss ihres Hirtenhemdes nicht mehr. In der Hausfärberei konnte braun und vor allem blau gefärbt werden. Diese zwei Farben erfreuten sich denn auch bei der hiesigen Männerwelt grosser Beliebtheit. Auch in der heutigen Zeit ist die Kleidung noch an Farben gebunden. Die Kirche kennt die liturgischen Farben. Gewisse Beruf geben sich ihrer Bekleidung spezielle Farben: Das zwangsläufige Schwarz des Kaminfegers, das sicherheitsbedingte Orange des Strassenwärters, das tarnende Grün des Jägers, die weisse Bluse des Kochs. Auch der Sport kennt seine farblichen Kleidungsvorschriften, welche heutzutage allerdings nicht mehr so eintönig gehandhabt werden: das Weiss im Tennis, das Rot des Reiters oder das Schwarz des Schiedsrichters. Die Mode bemächtigte sich auch hier der Tradition. Rolf Gisler-Jauch, in: UW 27, 10.4.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, München 1976, S. 82, 112, 192, 305, 322.

         
Die Vorliebe der Urnerin für rote Röcke (17.-19. Jhdt.)
Als die spanische Mode im 16. Jahrhundert zu ihrem Siegeszug über die Pyrenäen ansetzte, erfuhr sie auf ihrer Reise durch Europa vor allem Veränderungen in der Farbe. In der lnnerschweiz machte die Mode den Frauen an ihren Röcken vor allem die rote Farbe beliebt. Die Bäuerinnen hielten dem Rot lange die Treue, während sich um 1700 die adeligen und höheren Stände sich nur noch in Schwarz zu kleiden begannen, weil schwarze Stoffe die teuersten und kostbarsten waren. Das rote "Tuch" verblieb hierzulande also dem gemeinen Volk, während die rote Farbe anderorts oder zu anderen Zeiten eben den höheren Ständen vorbehalten war. Die verschiedene schnelle und starke Akzeptanz der Mode schuf so regionale Unterschiede. Trotz den Vorschriften in den Kleidermandaten schlugen dann die Wellen der französischen Mode auch in die einsamsten Bergtäler. Die Intervalle ihrer Brandung wurden dabei immer kürzer und erfassten allmählich alle Schichten der Bevölkerung.
In Altdorf, an der Handelsstrasse des Sankt Gotthard gelegen, kleideten sich die Aristokratinnen und Bürgerlichen genauso wie es die französische Allgemeinmode vormachte. In den Bergtälern führte das Kalenderjahr die Bewohner dieser Täler ausser beim Kirchgang und bei kirchlichen und weltlichen Festen nicht allzu oft zusammen. Kontakt ausserhalb der dörflichen Gemeinschaft brachten vor allem die Märkte. Für eine beschleunigte Annahme der Mode sollte dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem der einsetzende Tourismus liefern. Somit dauerte es auch ziemlich lange, bis die Bergbevölkerung jeweils Kenntnis von der Veränderung einer Kleidermode erhielt und Notiz nahm. Im harten Alltagsleben interessierte es die Gebirgsbevölkerung auch nicht in hohem Grade, denn bei ihren selbst hergestellten, ausserordentlich dauerhaften Kleidern war der Bedarf an etwas Neuem sehr selten. Die wirtschaftlichen Verhältnisse erlaubten es kaum mehr als ein Standes- oder Feiertagskleid in ihrem Leben anzuschaffen. Diese sparsamste Subsistenzwirtschaft liess es meistens nicht zu, dem Diktat der Mode zu folgen. Deshalb wurden in Berggegenden weit ins 19. Jahrhundert hinein rote Scharlachröcke, rote und blaue Mieder getragen. Diese regionalen Rückständigkeiten wurden von ausstehenden Beobachtern oft für eine eigenständige Tracht gehalten.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 29, 17.4.1999; Literatur: Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J, S. 57 ff.

         
Die Geburt der bäuerlichen Tracht (18. Jhdt)
Während Ende des 18. Jahrhunderts die herrischen Frauen sich der früheren, übertriebenen Kleiderpracht bereits entledigten, ergaben sich nun die bürgerlichen Frauen der grossen Dörfer dem Luxus in hohem Grade hin. Viele von den Städtern und Adeligen her rührende Kleider verwandelten sich zu bürgerlichen und bereits zu bäuerischen Trachten, sei es durch Verbleiben längst veralteter Stücke und Hinzukommen von Neuem, sei es durch willkürliche, eigenartige Abänderung alter Formen oder Annahme und Verbleiben ganz bestimmter Farben für gewisse Stücke oder die bestimmte Art der Ausführung oder die eigenartige Ausschmückung dieses oder jenes Stückes. Die Bäuerinnen, die bis anhin den roten Tuchröcken und Miedern treu geblieben, wandten ihre Aufmerksamkeit nun allmählich bunten Röcken zu und überdeckten auch ihre Mieder mit bunten Stoffen. Sie bestickten ihre Vorstecker und Halstücher mit vielfarbigen Seidenstickereien. Wohl hatten sie das Krös der spanischen Tracht und den Hinderfür fallen gelassen, aber das Halsgöller (Schulterkragen) mitsamt Ketten und Anhängern wollten sie nicht missen. Aus diesem strickten Festhalten der Bäuerinnen an einzelnen alten Kleidungsstücken, denen sie willkürlich Teile neuer Moden beigaben und die sie nach eigenem Geschmacke veränderten, nahm die Kleidung in der lnnerschweiz im ausgehenden 18. Jahrhundert allmählich einen mehr und mehr ausgeprägten typischen Charakter an. Mehrere Unterröcke waren auch bei den lnnerschweizer Frauen ein Zeichen des Wohlstandes. Der mit Meerrohr oder dickem Karton gesteifte Vorstecker drückte die Brust völlig flach. Als Äquivalent wurden die Hüften künstlich gebauscht.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 29, 17.4.1999; Literatur: Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J, S. 47 ff.

         
Urner Frauentracht mit rotem Rock (19. Jhdt.)
Die französische Revolution schuf gänzlich neue Kleiderformen und neue Schnitte. Das Schönheitsgefühl veränderte sich vollständig. Der bisherige Kleiderluxus, die Kleiderpracht, die Verschwendung von Stoffmassen wurden beiseitegelegt. Bunte Seidendamaste, Brokate, farbige Stickereien fanden keine Beachtung, keine Verwendung mehr bei den modischen Frauen. Das weibliche Geschlecht verschmähte nun Hüftpolster, gesteifte Mieder, schwere Faltenröcke, es entsagte dem Schmuck, den Gold- und Silberketten. Der Arzt Karl Franz Lusser stellt in seinem "Gemälde des Kantons Uri" (1834) fest, dass die Urnerinnen immer mehr die stärkere wollene Kleidung als buntes, wenig dauerhaftes "Baumwollenzeug" tragen, welches von Hausierern in alle Täler gebracht wurde.
Die Frauen des Reuss- und Schächentales würden nach Lusser noch am ehesten eine dem Kanton eigentümliche Tracht tragen. Diese bestehe aus einem roten wollenen Rock, einer schmalen weissen leinen Fürscheibe und einem weissen leinenen Überhemdchen sowie einem schwarzem seidenem zusammengerolltem, um den Hals geschlungenem Halstuch. An den Beinen trug die Urner Frau weisse Halbstrümpfe, die blassen Füsse steckten in - mit Lederriemen befestigten - Holzschuhen aus Ahornholz. Als typische Kopfbedeckung erwähnt auch Lusser das schwarze Chäppli mit weissem Mousseline sowie den Haarpfeil für die Jungfrauen. Alltägliche Kopfbedeckung war jedoch auch der gelbe, blumengeschmückte Strohhut und das Kopftuch oder die Gewohnheit, "nach Art der Italienerinnen den Kopf mit einem Halstuch in Form eines Schleiers umhüllt zu haben". Tatsächlich war jedoch nur das Chäppli zu gewissen Zeiten eine Eigenart der Urnerinnen. Das um den Hals geschlungene Tuch war ein Charakteristikum der ersten Hälfte des 19. Jahhunderts für alle Ost- und lnnerschweizer Trachten. Auch die von Lusser erwähnte Haarnadel in Form eines Schwertes war nicht allein urnerisch, sondern ebensogut inner- wie ostschweizerisch.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 29, 17.4.1999; Literatur: Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J, S. 53 ff.; Lusser Karl Franz, Der Kanton Uri, St. Gallen 1934, S. 50 f.

         
Flache Brust und gebauschte Hüfte (19. Jhdt)
Die Alltagsröcke bestanden aus "Chudertuch" (Chuder = Abfälle), das aus den Abfällen der über den Winter selbst gesponnen Wolle, des Flachses und des Hanfes verfertigt wurde. Die dunkelfarbige Feiertagstracht behielt im Kanton Uri bis um 1880 die so genannten "Schinkenärmel". Danach waren gleichmässig enge Ärmel an der Tagesordnung. Bei den Mädchen war ein etwas tieferer Ausschnitt gestattet als bei den Frauenkleidern. Um den Hals und über die Schulter trug die Frau die grossen farbigen, oft seidenen, mit Fransen begrenzten Halstücher (Mailändertücher). Sofern es die Witterung erlaubte, besuchten Frauen und Männer die Kirche hemdsärmlig. Die früher weissen Schürzen (Fürtücher) aus Leinen fanden ihre Nachfolge in farbiger Baumwolle. Der Rock war um die Jahrhundertwende der allgemeinen Mode folgend die Krinoline, welcher in grossem Radius den Boden berühren musste. Der schmale Geldbeutel, welche Sorge zum Kleid gebot, versah alle Röcke im unteren Drittel mit einem Aufschlag. Wenn der Rock durch den steten Bodenkontakt unten abgenutzt war, konnte dieses Fältchen heruntergelassen werden, um die gehörige Länge des Kleides auch weiterhin beizubehalten.
Schwarze Kleider waren immer noch eine Seltenheit. Zu Begräbnissen wie zum Kirchenbesuch, aber auch für die Hochzeit genügten schwarze Schürzen. Alle "besseren" Mieder wurden nach 1840 mit kostbarem Samt aus Lyon überzogen, meist blauviolett gemustert oder mit kleinen Blumen durchsetzt. Erst später kam schwarzer Samt auf, der alle farbigen Mieder verdrängte. Dieser erst farbige, dann später nur noch schwarze Sammet gelangte bei den meisten schweizerischen Volkstrachten zur Verwendung.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 29, 17.4.1999; Literatur: Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J, S. 64 ff.

         
Korallenketten und Kreolen (19. Jhdt)
Alle Urnerinnen waren es von frühster Jugend an gewöhnt, ihr Leben lang einen Halsschmuck zu tragen. Die Bäuerinnen schmückten den Hals mit Granaten- und Korallenschnüren. Kein Mädchen, keine Frau wäre so arm gewesen, nicht einen solchen zu besitzen. Es waren entweder Erbstücke oder Patengeschenke. Die grossen runden Ohrringe, die Kreolen, werden gerne als typisch urnerisch bezeichnet, was jedoch darauf zurückzuführen ist, dass diese runde Form in Uri am längsten im Gebrauch geblieben ist.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 29, 17.4.1999; Literatur: Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J, S. 56 ff.

         
Frauen in Hosen (19.-20. Jhdt)
Während Jahrhunderten war die Hose das Kleidungsstück des männlichen Geschlechts. Dass sich eine Frau in Hosen in der Öffentlichkeit zeigen würde, lag so fern der Realität und des sittlichen Anstandes, dass nicht einmal die strengen Sittenmandate eine Bestimmung in dieser Richtung aufgeführt hätten. Doch, keine Regel ohne Ausnahme! Im harten Alltag des Berglerlebens hatte die praktische Tauglichkeit eines Kleidungsstücks mehr Gewicht als moralische Bedenken und das Diktat der Mode. So trugen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Frauen in den Berggebieten - vor allem im Tessin und Wallis, aber auch in Uri - Hirtenhemd und Hosen zum Heuen oder zur Arbeit im Stall. Für einen Städter, welcher auf einer Gebirgsreise einer in Hosen gekleideten Frau begegnete, war dies ein aussergewöhnlicher Anblick.

Eine andere Ebene, auf welcher die Hose für die Frau vorsichtig gesellschaftskonform wurde, war der Sport. So war denn noch vor dem Ersten Weltkrieg für den Reitsport bereits die Hose erlaubt, aber nur wenn die Dame darüber ein geschlossenes Mantelkleid oder einen langen Rock trug. Denn Durchbruch der Hose für die Frau als bequemes und praktisches Kleidungsstück brachte dann weder die Haute Couture noch die Alltagskleidung, sondern die Arbeitskleidung vor allem in den Jahren des Ersten Weltkrieges. Die Vermännlichung der Frauenkleidung ging in den Zwanzigerjahren einher mit der Frauenemanzipation. Manch betont emanzipierte Frau gefiel sich im Smoking-Kostüm mit Krawatte und trug das Haar männlich kurz als Bubikopf. Das Skifahren gewann durch die Einführung der Olympischen Spiele 1924 an Popularität - und dadurch die Keilhose.

Was jedoch praktisch und gut für die Gesundheit war, musste noch nicht standesgemäss und sittsam sein. So hatte sich der Urner Erziehungsrat in den 1930er- und 1940er-Jahren mehrmals mit der Frage zu befassen, ob die Mädchen in der Schule Skihosen tragen dürfen. Der Entscheid wurde gar wissenschaftlich abgestützt und 1942 zwei diesbezügliche Gutachten von Professoren an der Universität Zürich und Freiburg eingeholt. Die Gutachter waren sich sogar einig, dass das Tragen von Hosen oder männlicher Bekleidung für Mädchen als Schul- und Strassenkleid abzulehnen sei. Grundsätzlich war für die Schulmädchen das standesgemässe Kleid, der Rock, vorgeschrieben. Lediglich Mädchen, welche in Berggebieten mit den Ski zur Schule fuhren, waren die Hosen gestattet, sofern sie beim Unterricht eine Schürze über die nicht standesgemässe Skihose trugen.
Die Hosenfrage war auch ein Thema im Urner Blätterwald. Ein Einsender suchte das Verbot damit zu begründen, dass man im Sommer auch nicht mit der Weiblichkeit tauschen könne, und anstelle der - von Schweiss am Bein klebenden - Hosen im kniefreien Röckli durch die Strassen Altdorfs spazieren dürfe.

Spätestens seit den 1970er-Jahren stellte die Hose auch für die Frau die ideale, für jede Gelegenheit passende Kleidung dar. Die Mode liess es denn auch nicht bei der einen Hose bewenden: Die Skala der modischen Formen reichte von Glockenhosen über Knickerbocker sowie Kosakenhosen bis zu Smokinghosen. Die Hose hatte sich durchgesetzt und ihre Länge war unbeständig wie beim Rock. Als Nonplusultra der kurzen, freizügigen Mode zeigten sich Shorts im Alltag. Die „ Hot pants" oder „ heissen Höschen" wurden zum grossen Modeschlager - wiederum nicht zur Freude der Moralisten!
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 27, 10.4.1999; Quellen/Literatur: UW 12, 14.2.1942; UW 95, 12.12.1942; GP 10, 7.3.1942; RschB UR 1934/35, S. 12 f.

         
Vom Glocken- über den Humpel zum Hosenrock (20. Jhdt)
Anfang des 20. Jahrhunderts begann sich der enge, gerade Rock anstelle des üblichen Glockenrockes durchzusetzen. Mit den weiten Röcken verschwanden auch die mit Rüschen besetzten Unterröcke. Der gerade, enge Rock kam der Forderung der Frauenrechtlerinnen nach einer nüchternen, sachlichen Kleidung ohne weibliche Verspieltheit entgegen. 1910 lancierte Paul Poiret einen um die Fesseln extrem engen Rock, den so genannten Humpelrock. Als Ausgleich zu der schlanken Kleidermode waren die Hüte überdimensional gross. Dieser Kopfschmuck zeigte sich auch im Altdorfer Dorfleben und er schien - zumindest aufgesetzt - nicht immer eitel Freude zu verbreiten.
Auf den engen Humpelrock folgte der Hosenrock. Er wahrte die enge Silhouette, gab den Beinen aber die notwendige Bewegungsfreiheit. Es wagten sich zwar auch in Städten nur wenige Modemutige mit dem Hosenrock auf die Strasse, doch wurde dieser zumindest auch 1911 im Urner Hauptort gesichtet. Der Erste Weltkrieg liess die Alltagskleid der Frau einfacher, strenger und zweckmässiger werden.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 33, 1.5.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, München 1976; Loschek Ingrid, Mode im 20. Jahrhundert, München 1988.

         
Die Goldenen Zwanzigerjahre (1920er-Jahre)
Die Frauen waren durch den Ersten Weltkrieg und die damit verbundene Berufsausübung selbstständiger geworden. Ihre Ideale waren Freiheit und Selbstständigkeit. Dieses völlig neue Frauenbild drückte sich auch in ihrer Kleidung aus. Die Frau der 1920er-Jahre war das Bild der gertenschlanken, Charleston tanzenden Person in einem kurzen Hänger mit langer Zigarettenspitze, Perlenkette und Bubikopf. Kaum zehn Jahre zuvor aber war die Frau noch ein langes, hochgeschlossenes, wenn auch enges Kleid gehüllt. Die Frau zeigte sich dem Mann gegenüber gleichberechtigt, sie wurde zur "Garçonne". Die emanzipierte Frau der „Goldenen Zwanzigerjahre" trug ihr neues Selbstverständnis in der gleichnamigen Mode zur Schau. Manche Frau gefiel sich nun in einem Smoking-Kostüm mit Krawatte und steifem Filzhut. Wollte die Frau aber weiterhin anziehend auf Männer wirken, musste sie zu einer neuen erotischen Ausstrahlung finden. Zum ersten Mal in der Neuzeit zeigten die Frauen Bein. Die Röcke wurden ab Mitte der 1920er-Jahre sehr kurz. Während der Tourismussaison, bei grossen Anlässen wie den Tellspielen oder den Klausenrennen erreichte dieses Frauenbild auch das Urnerland.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 33, 1.5.1999; Literatur: Loschek Ingrid, Mode im 20. Jahrhundert, München 1988.

         
Eine Frage der Rocklänge beginnt die Mode zu beschäftigen (1920er-Jahre)
Während der 1920er-Jahre tauchte die Frage um die Länge oder Kürze des Rockes auf, welche die Mode während mehreren Jahrzehnten beschäftigen sollte. Die Frauen hatten sich an die bequem kurze Länge gewöhnt und waren nicht bereit, sich in dieser Hinsicht einem neuen Modediktat zu unterwerfen. Berufstätigkeit, Autofahren und Sport liessen die knöchellange Mode schliesslich passé werden. 1927 war der Höhepunkt der kurzen Mode erreicht; der Kleidersaum lag fünf Zentimeter oberhalb der Knie! Die herrschende Mode erlaubte den Frauen weder Busen noch Hüften zu zeigen. Ersterer wurde durch einen Leibgürtel kaschiert. Vorder- und Rückendékolleté waren gleich gross, so dass das Kleid oft nur durch zwei Spaghetti-Träger gehalten wurde. Böse Zungen behaupteten, sie hätten Schwierigkeiten, bei der Weiblichkeit die Vorder- und Hinterseite zu erkennen. Anstelle der Bluse kam der bequeme, knitterfrei Pullover auf. Die 1920er-Jahre verhalfen auch dem Kunstseidenstrumpf zum Durchbruch. Er wurde zwar bereits 1912 in England erfunden, hatte sich jedoch infolge des Krieges erst jetzt durchsetzen können.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 33, 1.5.1999; Literatur: Loschek Ingrid, Mode im 20. Jahrhundert, München 1988.

         
Zurück zur Häuslichkeit (1930er-Jahre)
In den 1930er-Jahren kehrte die Gesellschaft wieder zu alten Normen zurück. Häuslichkeit, romantische Liebe, Weiblichkeit und makellose Schönheit waren erneut gefragt. Das Resultat war eine betont frauliche Kleidung. Das figurbetonte wadenlange Prinzesskleid, das in den vielfältigsten Schnittvariationen nie langweilig zu werden schien, bestimmte die Mode der 1930er-Jahre. Wichtig bei allen Kleidern war, dass sie die schlanke weibliche Linie unterstrichen. Da die neue Kleidmode sehr figurbetont war, griffen die Damen wieder zum Mieder. Die Brust wurde hochgehalten, Hüften und Oberschenkel mussten weggepresst werden. In den Dreissigerjahren setzte sich eine neue Erfindung durch: der Reissverschluss.
Seit 1916 war die Familie Leuzinger mit ihrem Reisezeitkino unterwegs und besuchte mit den neusten Filmprogrammen auch Altdorf. Nach dem Aufkommen des Tonfilms zeigte das Cinema Leuzinger ihre neusten Vorführungen im Altdorfer Tellspielhaus. Stars von Bühne und Film beeinflussten ebenfalls den Frauentyp der Dreissigerjahre, wobei das grosse Idol der Zeit Greta Garbo hiess. Die Schönheitspflege hatte die Aufgabe, aus jeder Frau eine "göttliche" Greta Garbo zu machen. Mit kühlem Charme wurde neuerdings die Welt erobert. Die amerikanische Kosmetikindustrie bot bereits falsche Wimpern und falsche Fingernägel an. Während des Zweiten Weltkriegs unterbrachen Stoffrationierungen und der Zwang, sich praktisch und einfach zu kleiden, jede modische Entwicklung. Die Mode wurde zur Nebensache.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 33, 1.5.1999; Literatur: Loschek Ingrid, Mode im 20. Jahrhundert, München 1988.

         
Gehrock, Smoking und Frack (20. Jhdt)
Die Herrenkleidung schritt ohne grosse Veränderungen ins 20. Jahrhundert. Als oberstes Gebot galt für den Herrn, gut und zu jeder Gelegenheit passend angezogen zu sein. Der Gehrock war der offizielle Tagesanzug, der Smoking der legere Abendanzug. Der eleganteste Anzug des Herrn war und blieb der Frack, er war Vorschrift für grosse Bälle und Diners. Die Krawatte war zum schmalen Langbinder geworden. Sie war jedoch nicht augenfälliger Farbfleck, sondern dem eintönigen Aussehen der Herrenkleidung angeglichen. Auf der Strasse war der Herr ausschliesslich mit Hut anzutreffen. Mit dem Krieg hatten die wehrpflichtigen Männer die Uniform zu tragen und den Stahlhelm aufzusetzen.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 33, 1.5.1999; Literatur: Loschek Ingrid, Mode im 20. Jahrhundert, München 1988.

         
Nach dem Kampf um die Kleiderlänge: "Anything goes" (1970er-Jahre)
Zu Beginn der 1970er-Jahre brach ein Kampf um die neue Kleidlänge aus. Die Modedesigner versuchten dreimal eine wadenlange- Kleid- und Mantellänge einzuführen; aber zweimal entschied sich das Publikum dagegen. Die Minimode wurde als jugendlich und praktisch angesehen. Den Durchbruch der Midi-Länge brachte der Slinky-Look, der an die Mode der späten 1930er-Jahre erinnerte und den Beginn einer Nostalgie-Welle signalisierte. Die Mode befreite sich immer mehr von Modediktaten der Modebranche. Dadurch wurde die Experimentierfreudigkeit gefördert, es fehlte jedoch eine klare Linie. "Anything goes", lautete die Parole. Die Mode wurde lässiger, unkomplizierter und origineller. Unkomplizierter, weil vieles nebeneinander modern war; origineller, weil individueller und legerer. In den ersten Hälfte der 1970er-Jahre dominierte eine insgesamt sportlich-praktische Mode. Hinzu kam, dass modische Leitbilder fehlten. Dadurch kam es zu einem unübersehbaren Moment des modischen Experimentierens, der modischen Spekulation und des beschleunigten Modewechsels. Die Mode wurde demokratischer denn je. So konnte jede Saumlänge getragen werden. Speziell in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre bekam die Mode viele Gesichter: Verwandlungen, die sich bis zu Verkleidungen steigern liessen, waren im "China-, Beduinen-, Russinnen-, Mongolen-, Indien-, Piraten-Look" gegeben. Den stärksten Ausschlag für die Mode der nächsten Jahre aber gab 1977 die Kleidung der Punks. Ihre Kleidung wurde unmittelbar von Modeschöpfern zum Military-Look, zur Anarcho-Mode sowie zum Löcher- und Fetzen-Look gemacht.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 35, 8.5.1999; Literatur: Loschek Ingrid, Mode im 20. Jahrhundert, München 1988.

         

EREIGNISSE

1481  - Samstag, 19. März 1481
Obrigkeit schreitet gegen "schandtliche Kleider" ein
Im Vorfeld des Stanser Verkommnis äussern sich in Stans die Gesandten der Stände Luzern, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Zug und Glarus zur Kleidermode. Die fünfköpfige Urner Delegation wird angeführt von Ammann in der Gasse. Man ist sich in dieser Sache einig: Wegen der "kurzen schandtlichen Kleidern" muss etwas übernommen werden! So lässt man überall in der Eidgenossenschaft verkünden, dass niemand kürzere Kleider tragen noch machen lassen dürfe, als dass sie hinten und vorne die Scham wohl bedecken. So oft einer ein kürzeres Kleid anzieht, ist er mit einem Gulden zu bestrafen. Der Schneider aber, welcher so schamlose Kleider herstellt, ist mit zwei Gulden zu bestrafen.
Eidgenössische Abschiede, 3. Band, 1. Abteilung, 1478-1499, S. 92.

1710  - Sonntag, 28. Dezember 1710
Erlass einer Kleiderordnung
Die hochwohlgeborenen gnädigen Herren und Oberen sowie der ganz wohlweise Landrat von Uri erlässt zur Vermehrung der Ehre Gottes und zur Schaffung schädlichen Missbrauches eine Ordnung zu „männiglichem“ Verhalten. Dieses Sittenmandat äussert sich auch zur Bekleidung. Alle Weibs- und Mannspersonen werden aufgefordert, sich standesgemäss zu bekleiden. Man schreitet nicht zu einem generellen Verbot, sondern versucht Umfang und Grösse in ein undefiniertes Mass zu setzen. Die Kappen dürfen nicht zu gross, die Haarbänder nicht zu lang, die Manschetten müssen bescheiden und die Hauben nicht zu kostspielig sein, damit nicht Anlass bestünde, solche Modeerscheinungen des gänzlichen zu verbieten. Niemand soll sich zudem erfrechen, die standesgemässen Normen zu überschreiten.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 21, 19.3.1999; Quellen: StAUR A-540.

1732  - Montag, 29. Dezember 1732
Pfarrer von Ursern wettert wegen der Kleidermode
Pater Bonaventura, Pfarrer von Ursern, fordert in einem Schreiben an Talammann und Rat, beim Volk von Uresern "überflüssige Kleiderpracht“ und „Neuwe Mode“ abzuschaffen. Die Frauenzimmer würden mit ihren „damastenen brüsten“ nicht allein zum Spott, sondern den Eltern zur Schande gereichen.
Die weissen Hauben seien zu fest ausgebreitet oder werden mit „Guffen“ (Nadeln) so verkrümmt, dass sie Hörnern ähnlich sehen würden. Die Frauen sollen nach altem Brauch wiederum Ohrenhauben tragen. "Die schwartze streuss" unter den Hauben, aus reinsten Spitzen gemacht, würden ihre Trägerinnen weder ehrbar machen, noch wären sie notwendig, sondern dienten alleine der "stinkhenden hoffarth". Auch die Jungfrauen sollten sich ehrlicher und anständiger kleiden. Es sei doch gar unrühmlich, dass Christus, unser Herr und König Dornen auf seinem Haupt, sie aber Rosen tragen würden. Das Chäppli sei so schmal geworden, dass es nicht mehr das ganze Haupt bedecke wider die ausdrückliche Ermahnung des heiligen Apostel Paulus. Pater Bonaventura bittet schliesslich, das Gerügte "mit aller Gewalt auszumustern". Der Talrat versucht in der Folge mit aller Strenge dem Ansinnen des Kapuzinerpaters Nachahmung zu verschaffen.

Furrer Peter, Wie man in Ursern gegen die Kleidermode kämpfte, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, 7. Jahrgang, Zürich 1903, S. 57.

1745  - Freitag, 28. Mai 1745
Zwölf Frauen stehen wegen der Kleiderordnung vor dem Talrat
Zwölf Frauen haben sich in Ursern wegen Verstoss gegen die Kleiderordnung vor dem Talrat zu verantworten. Sie haben Spitzen und Manschetten getragen sowie "viel Bendel am Kaplin". Jede wird mit der Busse von einem Gulden bestraft.
Furrer Peter, Wie man in Ursern gegen die Kleidermode kämpfte, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, 7. Jahrgang, Zürich 1903, S. 57.

1747  - Montag, 15. Mai 1747
Die Urschner Frauen sollen das Haar nicht „kruseln"
Der Talrat von Ursern verordnet, dass die Weiber das Haar nicht „kruseln" sollen und in den Werktagskleidern keine Taschen haben dürfen. Es ist nur gestattet, einen so genannten "Pumpersack" unter der Schürze anzuhängen.
Furrer Peter, Wie man in Ursern gegen die Kleidermode kämpfte, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, 7. Jahrgang, Zürich 1903, S. 57.

1751  - Dienstag, 28. Dezember 1751
Die Schuhe dürfen nicht zu schmuckvoll sein
Der Talrat von Ursern verbietet das Tragen von gestickten oder mit Gold- und Silberbändern eingefassten Schuhen.
Furrer Peter, Wie man in Ursern gegen die Kleidermode kämpfte, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, 7. Jahrgang, Zürich 1903, S. 58.

1772  - Montag, 28. Dezember 1772
Die Reifröcke werden in Ursern verboten
Vor dem Talrat erscheint die Schwiegertochter des Statthalters Nager. Weil sie sich „gepudert" und „durchbrochene Halskragen" getragen hat, werden ihr zwölf Gulden Strafe auferlegt. In der gleichen Ratssitzung werden auch die Reifröcke verboten.
Furrer Peter, Wie man in Ursern gegen die Kleidermode kämpfte, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, 7. Jahrgang, Zürich 1903, S. 58.

1780  - Donnerstag, 28. Dezember 1780
Verbot der übertriebenen fremden Kopftracht und Mode
Das vom Landrat erlassene Sittenmandat verbietet die gar übertriebene fremde Kopftracht oder Mode. Den Weibspersonen und deren Mägden wird das Pudern des Haars sowie das Tragen von seidenen Kleidern und „Fürtüchern“ (Schürzen) obrigkeitlich untersagt und verboten. Weiter gilt ein Verbot für seidene Gold- und Silberknöpfe sowie Gold-, Silber und andere kostbare Spitzen, seien sie nun echt oder unecht. Um den Verboten Nachhaltung zu verschaffen, kommen der Klägerin oder dem Kläger der dritte Teil der Busse zu. Eine Ausnahme gilt namentlich für Urner Offiziere in fremdem Solddienst. Ihnen wird gestattet, solange sie im Kriegsdienste stehen, auf Heimaturlaub die Uniform - wenn sie auch nicht dem Sittenmandat entsprach - zu tragen.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 21, 19.3.1999; Quellen: Wymann Eduard, Sittenmandate, in: Schweiz. Archiv für Volkskunde, Band XVII (1913), S. 247 ff.

1795  - Montag, 28. Dezember 1795
Verbot des Tragens von Fuchsschwänzen
Durch das Sittenmandat werden die Männer ermahnt, die Fuchsschwänze ab den Kappen „hinwegzuthun“. Die „Weibspersonen“ werden aufgefordert keine übertriebenen und ärgerlichen so genannten „Bufet“ zu tragen. Damit sind Kleider gemeint, welche die Brust betonen. Widrigenfalls müssen die „gnädigen Herren“ zu schärferen Massnahmen greifen.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 21, 19.3.1999; Quellen: Wymann Eduard, Sittenmandate, in: Schweiz. Archiv für Volkskunde, Band XVII (1913), S. 251.

1856  - Dienstag, 1. Juli 1856
Junge Frau in Hosen
August Corrodi begegnet im Juli 1856, zusammen mit zwei Engländern, geführt von einem Bergführer Zgraggen, auf dem Weg zum Hüfigletscher der 16-jährigen Barbara Walker, welche ihnen in dicken, knielangen Lodenhosen entgegenkommt. Für Corrodi und die beiden Engländer ist dies ein ungewohnter Anblick. „Ich traute meinen Augen nicht, aber es war so und gab grosse Heiterkeit unter uns", schreibt er in seinem Reisebericht.
Ohne Quellenangabe in: UW 27, 10.4.1999.

1911  - Samstag, 18. März 1911
Der Hosenrock sorgt in Altdorf für Aufsehen
In Altdorf wird erstmals ein Hosenrock gesichtet. Ob diesem Ereignis greift der Korrespondent des "Urner Wochenblatts" zur Feder: "Eigentlich sind hosentragende Frauen gar nichts Neues. Wie manche Ehemänner sagen könnten, wenn sie wollten, tragen ihre bessern Hälften längst die Hosen, aber blass bildlich. Und da ja ein starker Wind durch die Frauenwelt weht, ein Emanzipationswind, der die Oberherrschaft des Mannes umblasen will, wie die jüdischen Posaunen die Mauern Jerichos, so ist es leicht möglich, dass die Hosenröcke oder Rockhosen nichts anderes sind als die Fahne der Frauenrechtlerinnen, die nicht nur bildlich, sondern nun auch in Tat und Wahrheit die Hosen tragen wollen."
UW 11, 18.3.1911.

1912  - Samstag, 17. Februar 1912
Der Vorschlag zur Gründung eines "Anti-Mode-Vereins"
Auch in der „Gotthard-Post" äussert sich eine Lesebriefschreiberin gegen die Modesucht und stösst auf grosses positives Echo. Modern gekleidete und aufgeputzte Frauen und Töchter sehe man überall an allen Vergnügungen und Anlässen. Dafür fehle es zu Hause bisweilen am "Notwendigsten", was auch die vielen unbezahlten Rechnungen und Zahlungsbefehle bezeugen würden. Es sei fürwahr lächerlich, dass man den Frauen zumute, sozusagen jede Saison alles das, was einigen überspannten Köpfen entspringe, als neuste Mode nachahmen respektive nachäffen zu müssen. Unbekümmert darum, ob das betreffende Kleidungsstück "à la dernière mode" einem gut oder total verunstalte, sei es nun einmal Mode und dieser müsse gefrönt werden, während sich die Lieferanten ins Fäustchen lachen würden. In der Modeangelegenheit spiele einzig der Kostenpunkt keine Rolle, dafür werde bei den Krämern und auf dem Gemüsemarkt wieder stramm "drauflos gefeilscht" und gemarktet, um ein paar Batzen willen oder gar einem armen Bettler die Türe vor der Nase zugeschlagen. Allzu auffallende, übertriebene Toiletten seien vielfach Kennzeichen von Bildungsmangel und Geistesarmut. Die Leserin machte abschliessend den Vorschlag, „ im Zeitalter des Vereinswesens" einen „Anti-Mode-Verein" zu gründen.
GP 7, 17 2.1912

1967  - Montag, 6. Februar 1967
Mini-Mode ist Thema des Altdorfer Narrenblatts
Im «Minilog» äussert sich das Altdorfer Narrenblatt «DR’ Mini Bock», dass es zu erwarten gewesen sei, dass nachdem letztes Jahr mit der Bikini-Mode die obere Bekleidungsgrenze nach unten gerutscht war, nun 1967 die untere nach oben rutsche. Damit werde das Motto des Schweizer Nationalzirkus Allgemeingut: «Knie bleibt Knie»; oder ausführlicher: «Es zeigen sich bei Armen und Reichen gerade oder krumme Scheichen». Mini sei jedoch allgemein in Mode, vom Mini-Velo über den Mini-Cooper bis zum Mini-Radio.
Nächstenliebe Altdorf, Narrenblatt «DR’ Mini Bock».

2014  - Samstag, 12. April 2014
Modeschau mit über 80 selber hergestellten Kleidungsstücken
Die 19 Lernenden in Bekleidungsgestaltung am Berufs- und Weiterbildungszentrum Uri (BWZ) präsentieren in der Ausstellungshalle der Christen Automobile AG in Schattdorf über 80 selber hergestellte Kleidungsstücke.
UW 29, 16.4.2014, S. 9.

 
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Die Schattdorferin Noemi Mehani Walker hat in Berlin Design studiert. Nun lebt sie in der deutschen Bundeshauptstadt und arbeitet an ihrem Modelabel «Size egal». Ein Blick in ihre Webseite lohnt sich.
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 22.03.2015