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Gesetzesbestimmungen

Amtliche Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Bd 6 a (1864)
Gesetze und Verordnungen, Bd VI a
Paternitätsgesetz

LB UR (1864) Bd VI a S. 202-218.
Paternitätsgesetz
«Die Landesgemeinde des Kantons Uri,
Auf den Vorschlag des Landrathes, beschließt:

I. Titel.
Vaterschaftsklagen und Zuerkennung unehelicherKinder.


§. 1.
Jede unehelich schwangere Person ist schuldig die Anzeige ihrer Schwangerschaft, sobald sie davon Kenntniß hat, dem P räsidenten des Bezirksgerichts zu machen, oder durch Jemand machen zu lassen. Auf solche Anzeige, oder wenn dem betreffenden Bezirksgerichrspräsidenten durch Gemeindsvorsteher oder sonst solches angezeigt würde, wird dieser die Person vorrufen, sie sowohl über den Vater des unehelichen Kindes, als über Zeit und Umstände, allfällige Versprechen u.s.w. vernehmen und solches einschreiben.
Er wird hernach den Beschuldigten, wenn er im Lande sich befindet, auch vorrufen und vernehmen, oder sofern derselbe an einem bekannten Orte außer Landes sich aufhält, ihn durch die betreffende Behörde seines Aufenthaltsortes einvernehmen lassen, und so dieser die Vaterschaft eingesteht, solches ebenfalls einschreiben und soll derselbe, einzig rechtlich begründete Einsprache des betreffenden Bezirks vorbehalten, als Vater anerkannt bleiben. So der Beklagte es aber nicht geständig ist; soll dann vom Bezirksgerichtspräsidenten, mit Zuzug des Gerichtssekretärs, eine Konfrontation zwischen der Klägerin und dem Beklagten veranstaltet und ebenfalls zu Protokoll genommen werden.

§. 2.
Wenn eine Person diese Anzeige später als mit Ende des fünften Monats macht oder machen läßt; soll sie zu einem Viertel des Unterhalts des Kindes angehalten werden, und wenn sie solche nicht wenigstens vor ihrer Niederkunft macht oder machen läßt; so hat sie die in §§. 6 u. 24 bezeichneten Folgen zu gewärtigen.

§. 3.
In jedem Fall soll das bisher übliche Verhör während den Geburtsschmerzen, oder so dieß nicht möglich, so bald möglich darnach, unter Eidesverbindlichkeit, vor sich gehen und die Person nicht nur um den Vater des Kindes, sondern auch über allfällige dabei stattgehabte Eheversprechen, oder andere erschwerende Umstände befragt werden.

§. 4.
Der bürgerliche Stand und die Zuerkennung eines unehelichen Kindes wird jeden Fall durch das Gericht bestimmt, und zwar, wenn der Vater kanntlich oder belangbar ist, in der Regel durch das Bezirksgericht, in dessen Kreise seine Heimathgemeinde sich befindet, wo aber keine Vaterschaftsklage erhoben wird, durch das Bezirksgericht des Heimathorts der Mutter.

§. 5.
Das Kind wird dem Vater zugesprochen:
a. wenn er selbst die Schwängerung und Vaterschaft vor der Geburt anerkannte und zugleich von keiner andern Seite Einsprache gemacht wird;
b. oder wenn er dessen durch den gesetzlichen Eid der Mutter überwiesen ist.

§. 6.
Das Bezirksgericht, welches im Nichtanerkennungsfalle des Vaters, oder wenn wegen befürchtetem Einverständniß der Betheiligten der Bezirkes verlangt, jedesmal über die Gestattung des Beweiseides zu entscheiden hat, wird diesen Eid der Klägerin nicht gestatten und somit das Kind ihr zusprechen:
a. wenn die Anzeige der Schwangerschaft bei betreffender Stelle nicht vor der Niederkunft gemacht wurde, oder die Geschwächte ohne genügende Entschuldigung die vorgeschriebene Einvernahme bei derselben nicht veranstalten ließ, oder auch, wenn die Klägerin die Angabe über den Urheber ihrer Schwangerschaft abgeändert hat und sich nicht ergibt, daß sie zu falscher Angabe des Schwängerers, oder zur Unterlassung der Anzeige durch Drohung oder Hinterlist verleitet worden;
b. wenn zur Zeit der Schwängerung der Beklagte noch nicht das 16te, die Klägerin aber das 24te Altersjahr zurückgelegt hat;
c. wenn das Kind von der angegebenen Schwängerung an bis zum 300sten Tage nicht, oder vor dem 180ten Tage geboren worden, in letzterm Falle jedoch erweisliche Frühgeburt vorbehalten. In der Regel wird vermuthet, daß ein Kind ausgetragen sei, bei sich ergebenden Zweifeln soll die Hebamme die Reife des Kindes durch einen patentirten Arzt untersuchen und bescheinen lassen;
d. wenn die Reife des Kindes mit der angegebenen Schwängerung in erheblichem Widerspruche steht;
e. wenn der Beklagte die Unmöglichkeit der Vaterschaft durch die Thatsache, daß er sich zur Zeit der Schwängerung erweislich anderswo befunden habe, oder aus physischen Gründen beweist;
f. wenn die Klägerin durch ein Urtheil ihrer Ehre entsetzt, oder wirklich schon an Behörde einer infamierenden That beklagt ist;
g. wenn der Beklagte vor der Niederkunft stirbt und die Vaterschaft nicht geständig war, oder vor seinem Tode keine Anzeige der Schwangerschaft betreffenden Orts gemacht wurde, in welch' letzterm Falle die Vaterschaftsklage gänzlich erlischt;
h. wenn die Vaterschaftsklage nicht innert 6 Monaten nach der Niederkunft dem hiesigen Gerichte zum Entscheide anhängig gemacht wird;
i. wenn der Klägerin das zur Eidesleistung nöthige Geistesvermögen fehlt.
k. wenn der Beklagte beweist, daß die Klägerin einen ausschweifenden, liederlichen Lebenswandel geführt hat, oder sie selbst zwei oder mehrere beim Gerichtspräsidenten angibt; so hat das Gericht jedesmal nach gewissenhafter Prüfung der Akten und Beweise zu erkennen, ob die Beeidigung stattfinden möge, oder nicht.
Wenn die Fälle von Litt, a, f, i oder k der Nichtbeeidigung eintreten und der Beklagte die Vaterschaft nicht kanntlich ist; so soll derselbe aufgefordert werden, den Reinigungseid zu leisten, der mit üblicher Feierlichkeit in Anwesenheit des Ortspfarrers stattzufinden hat und darin besteht, zu erhärten, daß er vom 10ten bis zum 6ten Monat vor der Geburt des Kindes keinen fleischlichen Umgang mit der Person gehabt habe.
Im Fall der Beklagte selbst nicht eidesfähig ist, wird das Gericht durch angemessenen Untersuch und Konfrontation sonst die Wahrheit zu ermitteln suchen.
Wenn der oder die Beklagten den Fehltritt mit der Klägerin in einer Zeit zugeben müssen, wornach die Möglichkeit der Vaterschaft vorhanden ist, oder sie in obbenannten Fällen den Reinigungseid nicht leisten dürfen, so wird das Gericht in den Fällen von Litt. a, f. i und k der Nichtbeeidigung, gleichwohl nach gewissenhafter Prüfung der Umstände den- oder dieselben zur gänzlichen oder theilweisen Unterstützung des Kindes anhalten, in bürgerrechtlicher Beziehung und Geschlechtsnamen folgt es aber sodann der Mutter , was auch dann zu geschehen hat, wenn dieselbe, obwohl ihr der Eid gestattet wird, zwei oder mehrern Mannspersonen den Beischlaf in einem Zeitpunkt gestattet hat, daß dadurch ein Zweifel über den wirklichen Vater begründet wird.
Im Falle auch die Zuläßigkeit des Eides erkannt ist; so wird das Kind dennoch der Mutter zugesprochen:
a. wenn die Klägerin den gesetzlichen Eid nicht leisten darf, oder dabei einen Andern, als den im frühern amtlichen Verhöre angegeben hat;
b. wenn der Vater ein Landesfremder oder Angehöriger eines Staates ist, wo der Maternitätsgrundsatz gesetzlich eingeführt ist, oder wo das Kind anderer Beweggründe wegen dem fremden Vater nicht zugestellt werden kann, obgleich die Mutter den Eid leistet.
In dem sub Litt. b bezeichneten Falle bleibt jedoch der Mutter das volle Recht für gesetzliche Kosten und für Beiträge zum Unterhalt und Erziehung des Kindes gegen den Vater vorbehalten.
Wenn der Beklagte außer dem Kanton sich aufhält, oder unbekannt landesabwesend ist und vor Gericht ans erfolgte Vorladung nicht erscheint, und zur Stellung nicht angehalten werden kann; so soll die gerichtliche Zusprechung des Kindes, der Alimentation und Strafe, nach Vorschrift dieses Gesetzes, contumatialiter stattfinden, wogegen der Verurtheilte, oder, bei dessen unbekanntem Aufenthalt, seine Anverwandtschaft, innert der Frist von 6 Wochen vom Urtheil angerechnet, das Recht der Purgation ausüben mag, ansonst dasselbe in volle Rechtskraft erwächst.

§. 7.
Wenn ein hiesiger von einer Auswärtigen der Vaterschaft beklagt wird, so soll er vor hiesigem Gericht dafür belangt werden.

§. 8.
Der von der Weibsperson, nach abgelesener Auslegung des Eidschwures, unter Beobachtung der üblichen Feierlichkeit abzuschwörende Eid soll lauten, wie die Landraths-Erkanntniß vom 4. April 1839 (vide Nachtr. zum l. Bd. des Landb. S. 16) vorschreibt.

§. 9.
Wenn die Klägerin nach der Anzeige, aber vor der Eidesleistung stirbt, ohne erstere zu widerrufen; so hat die Anzeige volle Beweiskraft, sofern kein Grund laut §. 6 zur Ausschließung der Beeidigung vorhanden ist.

§. 10.
Dem betreffenden Bezirke ist das Recht der Einsprache in jeder Beziehung gestattet, und es mag derselbe nach seinem Ermessen die Zusprechung des Kindes an den Vater, oder die Mutter fordern, und daher auch nach Umständen gegen die Gestattung des Beweiseides protestiren, worüber das Gericht nach Anleit des Gesetzes entscheiden wird. Die jeweiligen Vaterschaftsklagen sind daher vor ihrer gerichtlichen Beurtheilung dem Bezirksseckelamte zur Kenntniß zu bringen.

§. 11.
Ist der Beklagte ein Ausländer, in dessen Heimath das Kind nicht ausgenommen wird, so tritt mit jenem Augenblick, wo die außereheliche Schwangerschaft angezeigt wird, die Befugniß ein, genügende Kaution von ihm zu fordern, oder nöthigen Falls seine Effekten und Vermögen mit Arrest zu belegen, und ihn für das Kind zum Einkauf in das Bezirksbürgerrecht der Mutter, sowie für Beitrag zum Unterhalt und für Erziehung des Kindes gerichtlich anzuhalten. Die nöthige Erledigung der Sache soll aber mit möglichster Beförderung geschehen.
Wenn gegen einen Beklagten, sei er ein Landmann oder nicht, der Verdacht vorliegt, daß derselbe sich widerrechtlich einer gesetzlich gegen ihn erhobenen Vaterschaftsklage entziehen wolle; so kann derselbe zu genügender Kaution für Alimentation des Kindes und Strafe etc. angehalten und nöthigen Falls durch persönliche Haft gegen ihn eingeschritten werden, bis er dem Begehren entsprochen hat.
Vorbehalten bleiben allfällige Bestimmungen von Staatsverträgen.
Es kann auch eine unehelich schwangere Person, wenn sie in ihrer Anzeige in Angaben sich ergeht, welche entweder offenbar oder doch höchst wahrscheinlich als unwahr erscheinen, auf Verlangen des Gerichtspräsidenten, im Einverständniß mit dem Polizeidirektor, in Verhaft gesetzt werden.

§. 12.
Soweit zuläßig wird in Paternitätsfällen gegen Nichtkantonsangehörige der Grundsatz der Reziprozität ausgesprochen, gegen Ausländerinnen hat er jeden Fall in Anwendung zu kommen.

II. Titel.
Unterhalt und bürgerliche Verhältnisse unehelicher Kinder-


§. 13.
Das dem Vater zugesprochene uneheliche Kind trägt dessen Familiennamen und erwirbt dessen Land- und Bezirksbürgerrecht, bezüglich des Armenrechts fällt dasselbe dem Bezirke anheim.
Wird das Kind der Mutter zugesprochen, so trägt es deren Geschlechtsnamen und erwirbt deren Land- und Bezirksbürgerrecht.
Das Gemeindsrecht erhält ein uneheliches Kind, mit Ausschluß des Armenrechts, jeweilen in derjenigen Gemeinde, in welcher der betreffende Theil, welchem das Kind zugesprochen wird, zur Zeit des Fehltritts dasselbe besessen hat.

§. 14.
Uneheliche Kinder sollen von derjenigen Person, welcher sie zugesprochen worden, mit Vorbehalt der in §§. 2 und 6 enthaltenen Fälle der Mithülfe durch den andern Theil, die gehörige Verpflegung und Erziehung erhalten, bis sie im Stande sind, für ihr Auskommen selbst zu sorgen.
Wenn aber auch das Kind dem Vater zugesprochen wird, soll doch die Mutter in der Regel während dem ersten Jahr für dasselbe sorgen und es behalten, wogegen der Vater aber ihr wöchentlich Fr. 1.75 Entschädigung bezahlen soll. Auch hat er die Kindbette-, Hebammen- und allfällige Doktorkosten auszuhalten.
Wenn aber der Vater allein zum Unterhalt des Kindes zu unvermögend ist; so ist die Mutter verpflichtet, nach Maßgabe der Umstände, hiezu beizutragen, indem beide solidarisch dazu verbunden bleiben.

§. 15.
Wenn beide sehr arm und zum Unterhalt gänzlich unvermögend sind; so sind solche Kinder vom Bezirksseckelamte zwar zu erhalten, aber das betreffende Dorfgericht soll schuldig sein, eine billige Kost für das Kind in der Gemeinde auszumitteln und Aufsicht halten, daß dasselbe recht besorgt werde, und soll jährlich der Finanzkommission Bericht geben; das Dorfgericht soll auch nebst dem Pfarrer Aufsicht über die andern unehelichen Kinder, in der Gemeinde, so deren Eltern erhalten müssen, tragen.
Ebenso werden auch bei erwiesener oder notorischer Unzahlbarkeit von Vater und Mutter die Hebammen- und allfällig wegen der Niederkunft stattgehabter Doktorkosten durch das Bezirksseckelamt bestritten.

§. 16.
Findelkinder, die weder dem Vater noch der Mutter zugesprochen werden können, fallen, in Bezug auf Unterhalt und Armenunterstützung, dem ganzen Lande zur Last, und ist ihnen nach Anleit des Gesetzes über Einbürgerung der Heimathlosen das Bezirks- und Gemeindsbürgerrecht auszumitteln.

§. 17.
Die Verbindlichkeit, uneheliche Kinder zu verpflegen und zu erziehen, oder die daherigen Kosten denen, welche solche bestritten haben, zu ersetzen, geht gleich einer andern Schuld auf die Erben der verpflichteten Person über, was aber nur zu verstehen ist, vom Unterhalt der Kinder, bis sie sich ihr Auskommen selbst zu verschaffen im Stande sind; oder wenn das Kind vor oder bei Absterben der verpflichteten Person auch als Erwachsen wirklich der Unterstützung anheim gefallen wäre. Und es steht dem Bezirke das Recht zu, für Erfüllung dieser Pflicht, aus der Verlassenschaft eine Sicherheit zu fordern. Im streitigen Fall bestimmt der Regierungsrath das Maß der zu leistenden Sicherheit. Hat aber die verpflichtete Person eheliche Kinder als Erben, so steht denselben frei, entweder die Erziehung des unehelichen Kindes zu übernehmen, oder dasselbe mit ihnen nach gleichem Recht in die Erbschaft ein treten zu lassen, sonst haben uneheliche Kinder kein Erbrecht.

§. 18.
Wenn ein solches Kind in der Folge sich etwas erwirbt und einiges Vermögen hinterläßt; so soll aus dessen Verlassenschaft vorweg die ihm vom Bezirke und allfällig aus der Verlassenschaft seiner verstorbenen Eltern nach §. 17 geleistete Unterstützung zurück vergütet werden und zwar, wenn vom Bezirk und der elterlichen Verlassenschaft gemeinsam die Unterstützung stattfand, nach Verhältniß derselben. Der Rest des übrigen hinterlassenen Vermögens eines solchen Kindes fällt dessen ehelichen Nachkommen, oder im Abgang derselben dem Bezirke zu.

§. 19.
Kinder, welche außer der Ehe geboren sind, treten, sobald ihre Eltern sich miteinander verehelichen, in die Familie ein und werden unter die ehelich Erzeugten gerechnet, wofern der Landrath seine Genehmigung hiefür ertheilt.

III. Titel. Strafen.

§. 20.
a. Wenn eine ledige Mannsperson und eine ledige Weibsperson sich in Unzucht vergehen; so soll jeder Theil durch das Bezirksgericht, vor welchem sie sich persönlich zu stellen haben, im ersten und einfachen Fall, um Fr. 30 nebst einem Zuspruch durch das Präsidium bestraft werden. Ueberdieß kann das Gericht die Fehlbaren auf eine bestimmte Zeit in ihre Gemeinde eingrenzen, welche Strafe bei Nichtkantonsbürgern in Landesverweisung umzuwandeln ist.
b. Im Wiederholungsfall, oder wenn die Weibsperson durch den Umgang mit verschiedenen Mannspersonen und die vorhandenen Umstände, nach der Ansicht des Gerichts, sich als eine liederliche Dirne qualifizirt wird die obige Geldstrafe verdoppelt und überdieß mit viertägiger Gefangenschaft verbunden; im übrigen tritt auch noch die Strafbestimmung der Gemeindeeingrenzung, oder Landesverweisung, wie bei Litt. a gemeldet ist, ein.
c. Im dritten Falle der Hurerei, sowie bei erschwerenden Umständen wie Verführung, Betrug, absichtlicher Berauschung, Unzucht mit Minderjährigen, wenn dieselbe nicht zur eigentlichen Schändung sich qualifizirt, soll die betreffende Person mit Fr. 120-200, nebst zwei- bis achtwöchentlicher Gefangenschaft oder Zuchthausstrafe belegt, und von 1 bis 4 Jahr im Aktivbürgerrecht eingestellt werden, während welcher Zeit in der Regel Eingrenzung in die Gemeinde und bei Nichtkantonsbürgern Landesverweisung zu verhängen ist.
d. Das vierte und weitere Unzuchtvergehen soll als kriminell betrachtet und bestraft werden, doch mag das Gericht, sofern weitere Erschwerungsgründe dabei nicht vorkommen, die Fehlbaren mit einer Geldbuße von Fr. 200 bis 400 und ein- bis zweimonatlicher Gefangenschaft, nebst vier- bis achtjähriger Einstellung im Aktivbürgerrecht bestrafen, sonst aber hat angemessene Zuchthausstrafe oder körperliche Züchtigung einzutreten, womit obige Strafarten nach Umständen verbunden werden mögen.
Wenn bei einem Fehltritte Eheversprechen stattgefunden haben und es gehörig bewiesen wird, soll der fehlbare Theil zur Erfüllung seines Versprechens, wenn nicht gesetzliche Hindernisse vorhanden sind, angehalten, oder deßwegen Fr. 100 bestraft werden, wovon der betreffenden Person die Hälfte zukommen soll.

§. 21.
Der Ehebruch zwischen einer verehelichten und ledigen Person ist, wenn keine erschwerende Umstände dabei vorkommen, an jedem Theil nach §. 20 Litt, b , wie das zweite Unzuchtvergehen, zu bestrafen; der Ehebruch zwischen zwei verehelichten Personen ebenso, außer daß die Geldbuße auf Fr. 100 festzusetzen ist.
Der zweite Ehebruch, sowie Ehebruch mit erschwerenden Umständen, ist, wie der zweite Rückfall in das Unzuchtvergehen, laut §. 20 Litt, c, zu bestrafen.
Der dritte Ehebruch u.s.w. soll als Kriminalfall gehalten und als solcher strenge bestraft werden.
Kinderabtreiben, Nothzucht, Schändung, Blutschande, Bigamie (Doppelehe) und andere schändliche Verbrechen sind laut Gesetz Malefiz und sollen als solche an Thäter und Mithelfer bestraft werden.
Da in diesen Fällen genügsame Beweise oft mangeln; so wird der Richter auf die Umstände und mehr oder minder begründete Anzeigen und Vermuthungen Rücksicht nehmen und nach selben gehörig zu verfahren wissen.

§. 22.
Wenn einer mit seiner Mündel, Magd oder Untergebenen sich verfehlte, soll die auf den Fall gesetzte Strafe dem Fehlbaren doppelt auferlegt, die Person aber auf die erste Anzeige aus dem Hause entfernt und ihr der Eintritt nie mehr gestattet werden.
Ebenso sind jene mit der doppelten auf den Fall gesetzten Buße zu bestrafen, welche entgegen dem bestehenden Ehegesetz nach, durch betreffende Behörde, verweigerter Verehelichung sich miteinander fleischlich verfehlen.

§. 23.
Wenn eine unehelich schwangere Person sich ohne obrigkeitliche Bewilligung zu ihrer Entbindung aus dem Lande entfernt, soll sie mit Fr. 40-100, oder auch mit Gefangenschaft, je nach Verhältniß der mehr oder minder erschwerenden Umstände und unterloffener Gefährde, gebüßt, und nach ihrer Rückkehr mit ihr ein strenges Verhör über das Schicksal des Kindes vorgenommen, und so sie sich hierüber nicht hinlänglich ausweist, das weitere Angemessene zum Schutze des Kindes und Ermittlung der Wahrheit, Behufs Bestrafung der allfällig weitern Fehler oder Verbrechen, verfügt werden.

§. 24.
Wenn eine außerehelich schwangere Person, ohne die Anzeige bei Behörde gemacht zu haben, niederkömmt, ist sie wegen Verheimlichung der Schwangerschaft, und wenn eine solche ohne eine Hebamme oder ehrbare und unverdächtige Zeugen zur Niederkunft zu rufen, und ohne diese Unterlassung rechtfertigen zu können, entbindet, ist sie wegen Verheimlichung der Niederkunft zu bestrafen. Die Strafe soll — nebst der Hälfte Unterhaltspflicht an das Kind — im einfachen Falle in einer Geldbuße von Fr. 20-40 bestehen, wobei in der Regel die Verheimlichung der Niederkunft als der schwerere Fall zu betrachten ist; wenn aber beide Verheimlichungen zusammen stattgefunden haben; so soll die betreffende Person, nebst Unterhaltspflicht, wie obbemerkt, mit einer Geldbuße von Fr. 50-100, oder mit entsprechender Gefangenschaft, gebüßt werden.
Wenn aber bei einer solchen verheimlichten Niederkunft das Kind nicht mehr am Leben und auch nur zur Wahrscheinlichkeit ausgemittelt ist, daß dasselbe keines natürlichen Todes gestorben; so soll die Mutter, wenn sie auch die böse Absicht läugnet, dennoch kriminaliter bestraft werden, außer sie könne sich durch aktenmäßige Umstände wider den Verdacht einer absichtlichen Tödtung entschuldigen, was auch in dem Falle zu geschehen hat, wenn das Kind nicht mehr vorgefunden wird und die Mutter entweder sich beharrlich weigert anzugeben, wo sie das Kind hingebracht, oder wenn sie durch absichtliche Veranstaltungen den Körper vertilgt und dadurch eine ordnungsmäßige Untersuchung durch Sachverständige, über den Zustand der Leibesfrucht, verhindert und vereitelt hat.

§. 25. Wer die schuldige Geldbuße, sowie die gesetzlichen Unterstützungsbeiträge zum Unterhalte unehelicher Kinder nicht bezahlt, soll solche nach den Bestimmungen des Gesetzes über Umänderung unerhebbarer Geldbußen in eine andere Strafe, vom 14. August 1851, durch Zwangsarbeit abtragen müssen. Das Kantonsseckelamt soll demnach bei selbsteigener Haftbarkeit für den Betrag verpflichtet sein, die dießfalls verhängte Geldbuße alljährlich zu verrechnen, oder nachzuweisen, daß die Schuldner zum gesetzlichen Abverdienen derselben dem Polizeiamte eingegeben worden seien.

§. 26.
Wenn Eltern, Vormünder, Hausvorsteher und Leute, mit deren Pflichten die Aufsicht über junge oder ledige Leute verbunden ist, wie auch Wirthsleute, sich hierin mit Sorglosigkeit betragen, oder gar Vorschub zum Laster geben würden, besonders wenn sie darüber noch von geistlichen oder weltlichen Vorstehern ermahnt worden wären und solches erwiesen wird, so sollen solche nicht nur gebührend bestraft, sondern nach Maßgabe der Sache auch zur Mitpflicht des Unterhalts und der Erziehung des Kindes angehalten werden. Es ist auch die gefallene Person im Verhör beim Gerichtspräsidenten darüber zu fragen.

§. 27.
Alles Verhandeln schwangerer Personen zur Ehe an andere, wodurch oft traurige Folgen und große Ungerechtigkeiten entstehen können, ist verboten und so ein solches innert Jahresfrist bekannt oder angezeigt würde, soll das Kind gleichwohl dem wahren Vater zugeschrieben und derselbe in die gesetzliche Strafe verfällt werden.
Es sollen daher auch die Pfarrer keine schwangere Person, sofern begründeter Verdacht oder gar Gewißheit obwaltet, daß der zu Trauende nicht der wahre Vater sei, ehelich einsegnen, noch Bewilligung hiefür ausstellen.

IV. Titel.
Pflichten von Gemeindsvorstehern und Geburtshelfern.


§. 28.
Die Pfarrer haben bei Führung der Taufbücher mit größter Sorgfalt und Genauigkeit zu verfahren und werden zwar unehelichen Kindern die hl. Taufe ohne weitern Verschub reichen, sollen aber deren Vater und Geschlechtsnamen nicht in's Taufbuch einschreiben, noch einen Schein ausstellen, bis hierüber gerichtlich erkennt sein wird.

§. 29.
Die Räthe und Dorfgerichte sind verpflichtet, wenn ledige Weibspersonen in ihrer Gemeinde schwanger oder in Verdacht wären es zu sein, oder wenn Weibspersonen ohne bekannte anderweitige Ursachen sich entfernen, solches dem Gerichtspräsidenten oder Landammann anzuzeigen, damit im ersten Fall die Person vorgerufen, im letzten aber das Angemessene verfügt werden kann, um so Verheimlichung und andere damit oft verbundene Verbrechen zu verhüten.

§. 30.
Wenn eine Landesangehörige außer dem Land geschwängert wird, soll ihr dann der Heimathschein abgefordert und zurückgenommen werden, ansonst die Gemeinde für künftige solche Fälle zu haften hat und wenn dieselbe einer solchen Person später wieder, ohne besondere obrigkeitliche Erlaubniß, einen Heimathschein zustellte und diese wieder in solchen Fall käme, mag die Gemeinde für den Unterhalt solcher Kinder belangt werden.

§. 31.
Wenn Fremde in unserm Land uneheliche Kinder erzeugen, die Gemeinden, in denen solche sich aufhalten, in Zeit 15 Tagen, nachdem ihnen der Aufenthalt bekannt geworden, von ihnen keinen Heimathschein abgefordert und im Verweigerungsfall die weitere Weisung von Obrigkeit nicht verlangt haben, oder so dieselben mit Heimathschein und Erlaubniß sich aufhielten, und aber einen verdächtigen Lebenswandel geführt und dieses dem Dorfgericht bekannt gewesen, so soll ein solches Kind, wenn die Eltern zum Unterhalt unvermögend oder todt sind und also die Anwendung des §. 15 eintrifft, zur Hälfte von der Gemeinde erhalten werden, und das Seckelamt nur die Hälfte beitragen. So dieß Kind in der Folge etwas hinterließe, mag dann die Gemeinde mit dem Fiskus erben.

§. 32.
Die Aerzte, Wundärzte und Geburtshelfer, so wie die bejahrlöhnten und andere Hebammen sind bei einer Strafe von Fr. 40-60 schuldig, alle Schwangerschaften lediger Personen, worüber sie zu Rath gefragt, so wie die Geburten dieser Art, bei denen sie berufen werden, ebenfalls dem Gerichtspräsidenten oder Landammann anzuzeigen, sofern sie nicht Gewißheit haben, daß denselben der Fall schon angezeigt worden.

V. Titel.
Besondere Bestimmungen


§. 33.
Wer einen auf dem Seinigen, Eigen oder Zins , bei seiner Frau, Tochter, Schwester oder einer andern seiner Obsorge untergebenen Person in Sünd und Laster antrifft, soll mächtig sein, sich desselben habhaft zu machen, und seine Hausgenossen und Nachbarn auf seinen Ruf ihm hiezu zu helfen schuldig sein, worauf er den Thäter an Behörde angeben, auch so er entwiche, ihn gleichwohl anzeigen solle. Auf eine solche Anzeige, wenn auch die That selbst durch Zeugen nicht bewiesen werden kann, soll obrigkeitlich inquirirt und der Prozeß eingeleitet werden, um wo möglich die That zu erproben. In diesem Falle dann soll ein solcher nicht nur mit der auf das von ihm verübte Laster gesetzten Strafe belegt; sondern nach Umständen auch wegen Verletzung des Eigenthumsrechts, Beschimpfung und Ehrverletzung des beleidigten Theils schärfer, nach Maßgabe selbst an Leib und Ehre bestraft werden.

§. 34.
Wer mit einer Frau, Kind oder Dienstboten fleischlich zu schaffen hätte, und von denselben etwas abnähme, das nicht ihr, sondern des Vaters, der Mutter, des Ehemanns oder des Meisters Gut wäre, und so auch gegenseitig, soll solches angesehen werden, als habe er es gestohlen, und soll auch also dafür nach Umständen, nebst Rückstattung des Empfangenen, bestraft werden.

§. 35.
Wer wider den Willen von Eltern oder Vormündern eine Person, die über die bestimmten Jahre 25 ist, und wenn es auch nicht zu Unehren wäre, vorzüglich aber zu Unehren entführte, verkuppelte, oder mit Rath und That dazu behülflich wäre, soll mit Fr. 100 Buße belegt, und wann die Person noch unter den bestimmten Jahren, nebst dieser Buße noch ferner, nach Umständen auch an Leib und Ehre, bestraft werden, und wer nicht zu zahlen hätte, soll es im Thurme abbüßen.

§. 36.
Es soll Niemand in unserm Kantone öffentliche Huren noch Kupplerinnen behausen, noch denselben einigen Aufenthalt geben, bei Fr. 50 bis 100 Buße, mit dem Beisatz, daß nach Umstände noch mehr und sehr scharf bestraft werde. Würden derlei Vorschubleister Wirthe oder Gastgeber sein; so wird diesen überhin noch auf immer alles Wirthen gänzlich untersagt.

§. 37.
Zur Verhütung aller Mißbräuche und Gefährlichkeiten ist das Vertragen und der Transport unehelicher Kinder nach Italien , oder anders wohin, gänzlich und zwar bei Fr. 50 verboten, und soll dem, der einen Uebertreter dieses Verbots entdecken und an Behörde anzeigen wird, eine Belohnung von Fr. 50 gegeben werden, welche der Uebertreter ebenfalls bezahlen soll.
So ist gleichfalls bei angemessener Gefängnißstrafe und bei Verantwortlichkeit für die dem Staate oder Bezirke allenfalls daraus erfolgenden Kosten verboten, fremden unehelich schwängern Personen in unserm Lande Unterschlauf oder Aufenthalt zu verschaffen, oder solche in hier entbinden zu lassen.»

Landsgemeinde-Erkenntnis vom 03.05.1857.
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RECHTSAMMLUNGEN

Übersicht
Rechtsquellen vor 1798
Urner Landbuch, 1823-1841
Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Das Landbuch, 1891-1916
Sammlung der Gesetze, 1892-1958
Zwischenspiel Amtsblatt, 1959-1975
Das Urner Rechtsbuch, ab 1976

ABKÜRZUNGEN

LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat

 

 

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 20.2.2018