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Gesetzesbestimmungen

Gesetze zwischen Amtlicher Sammlung und Landbuch, 1863-1890
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Amtsblatt des Kantons Uri 1866
Dekret und Antrag des Landrates betreffend Verfassungsrevison

Abl UR 1866 nach S. 12 (Beilage 1a, 01-07)
Dekret und Anträge des Landrates des Kantons Uri betreffend die Bundesrevision
«Der Landrath,
Um in Gemässheit des Bundesgesetzes vom 19. verflossenen Wintermonats die Abstimmung über die von der h. Bundesversammlung vorgeschlagenen (bereits publizirten) Abänderungen gegenwärtiger Bundesverfassung in hiesigem Kantone anzuordnen, beschliesst:

1. Die h. Landesgemeinde des Kantons Uri wird Sonntags den 7. Januar 1866, Mittags 12 Uhr, in der Pfarrkirche zu Altdorf sich versammeln, um vorab die Stimme des Kantons (Standesvotum) über die vorgeschlagenen neun Abänderungen der Bundesverfassung abzugeben.

2. Bei dieser Landesgemeindeverhandlung mögen alle Diejenigen stimmen, welche laut Gesetz in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigt sind (Kantonsbürger und über zwei Jahre gesetzlich Niedergelassene).

3. Die Stimmgebung des Volkes über gleiche Revisionspunkte wird sodann in allen 19 Gemeinden des Kantons Sonntags, den 14. Januar 1866, in Gemeindeversammlungen stattfinden.

4. Die Gemeinderäthe werden beauftragt, diese Gemeindeversammlungen in ihren Gemeinden auf besagten Zeitpunkt durch eine acht Tage vorausgehende öffentliche Auskündung zu obigem Endzwecke anzuordnen, wobei Folgendes zu beobachten ist:
a) Zur Theilnahme bei dieser Volksabstimmung ist jeder Schweizerbürger berechtigt, welcher bei den Wahlen in schweizerischen Nationalrath stimmfähig ist. (Kantonsbürger, schweizerische Niedergelassene und Aufenthalter, wofern sie übrigens die gesetzlichen Requisiten besitzen.)
b) Jeder Gemeinde bleibt es überlassen, zu bestimmen, ob die Abstimmung durch offenes Handmehr oder geheim vermittelst Stimmzettel (wovon jede Gemeinde die erforderliche Anzahl durch die Kanzle! erhalten wird) erfolgen soll. Auch in letzterem Falle ist jedoch die persönliche Anwesenheit bei der Gemeindeversammlung zur Ausübung des Stimmrechts erforderlich.
c) Ueber die Abstimmung ist in jeder Gemeinde ein Protokoll laut Formular aufzunehmen, in welchem genau anzugeben ist, wie viele Stimmende jede einzelne der vorgeschlagenen Verfassungsänderungen angenommen und wie viele sie verworfen haben.
Indem diese Abänderungen der eidgen. Bundesverfassung hiemit der Prüfung und dem Entscheide des urner'schen Volkes unterbreitet werden, glaubt sich der Landrath verpflichtet, mit Folgendem seine Ansicht hierüber der h. Landesgemeinde vorlegen zu sollen.
Der I. Revisionspunkt (Art. 37. Die Festsetzung von Maass und Gewicht ist Bundessache.) unterscheidet sich nur dadurch vom jetzigen Art. 37 der Bundesverfassung, dass er nicht mehr dem frühern Konkordatssystem ruft, auf welchem unser dermaliges Maass- und Gewichtssystem beruht. Bundessache ist also die Regelung von Maass und Gewicht jetzt schon, wie jene des Münzwesens. Durch die neue Redaktion würden nun die Bundesbehörden in den Stand gesetzt, zweckmässige Verbesserungen, wohl möglich auf Kosten des Bundes, so z. B. wenn sich die Nothwendigkeit zeigte, das reine Meter-Maass einzuführen. Der Grund dafür scheint jetzt schon darin zu liegen, dass dieses Maass bereits in Frankreich und Italien eingeführt ist und in Folge neuerer Vereinbarungen auch in den angrenzenden deutschen Staaten, Oesterreich ausgenommen, eingeführt werden soll. Es ist nun unzweifelhaft, dass, sobald alle die Schweiz begrenzenden Staaten das reine Meter-Maass eingeführt haben werden, die Schweiz das Gleiche thun muss, wenn sie im Verkehre nicht wesentlich gehemmt bleiben will. Desshalb erscheint es uns besser, den Bund bei Anlass der gegenwärtigen Revision vom alten Konkordatssysteme zu entbinden, als einer neuen Revision zu rufen, welche auch wieder neue Schmälerungen der Kantonalhoheit mit sich bringen dürfte.
Uri hat überdiess noch besondere Ursache vor der Annahme dieses Revisionsartikels nicht zurückzuschrecken, da das Metermaass seinem Landmaasse viel näher steht, als das neue Schweizermaass, indem zwei Meter beinahe ganz genau dem alten Urner-Klafter gleichkommen. Das betreffende Längenmaass wäre daher bei uns bald bekannt und eingebürgert. Auch das Hohlmaass würde unserer alten Urnermaass näher kommen, als die jetzige neue Maass. Das Gewicht würde so ziemlich dem Gegenwärtigen entsprechen, indem das französische Kilogramm genau zwei Schweizer-Pfunden gleichkommt.
Reichen daher auch wir die Hand zu Verbesserungen, zumal wo sie unsere Rechte nicht schmälern! Aehnlich verhält es sich mit dem VIII. Revisionspunkte (neuer Art. 59, a. Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen zum Schutze des schriftstellerischen, künstlerischen und industriellen Eigenthums zu erlassen.)
Es ist nicht billig, dass wenn Jemand mit der grössten Mühe ein schriftstellerisches oder künstlerisches Werk bearbeitet und veröffentlicht, dasselbe sogleich durch Nachdruck verbreitet werden kann, indem dadurch dem Künstler oder Schriftsteller der gebührende Lohn für sein Geistesprodukt auf ungerechte Art entrissen wird. Das Gleiche gilt für industrielle Erfindungen, wobei sich sehr oft nicht bloss das Genie eines hervorragenden Mannes Jahre lang anstrengt, sondern wobei derselbe durch Versuche und Proben aller Gattung sehr grosse Auslagen hat. Bei unfern jetzigen Verhältnissen kann die Erfindung sogleich nachgemacht werden, sobald sie bekannt wird. Aus diesem Grunde ist der Schweizer, der industrielle Erfindungen macht, in der Regel genöthlgt, sie im Auslande zu verwerthen weil das Vaterland ihm keinen Schutz für seine Erfindungen bietet. Der Urner wird es weder ungerecht, noch unbillig finden, wenn diesem Uebelstande auf angemessene Weise abgeholfen wird.
Es besteht in dieser Richtung bereits ein Konkordat unter einer Anzahl Kantone, zu denen auch der Kanton Uri zählt. Aber so lange nicht alle Kantone gleichartige entsprechende Gesetze erlassen, ist der Schutz nicht gesichert und aus diesem Grunde hat auch jenes Konkordat seinen Zweck nur theilweise erreicht.
Die übrigen sieben Revisionspunkte kann der Landrath zur Annahme in keiner Weise empfehlen, da sie kein Bedürfniss sind für die zeitgemässe Fortentwicklung unserer bundesstaatlichen Zustände, wohl aber auf grössere Schmälerung der Souveränitätsrechte der Kantone zu Gunsten der Bundesgewalt hinstreben.

So sind der II. und VI. Revisionspunkt (Eingang und Ziffer 1 von Art. 41 und Art. 48: Niederlassungsrecht für Nichtchristen u. s. w.; sowie Art. 44 freier Gottesdienst für jede Religionsgenossenschaft) lediglich, ein Ausfluss des französischen Handelsvertrags, zu dessen Abschluss, mit Opferung verfassungsmässiger Grundrechte, zur Zeit die Kompetenz bestritten wurde. Hintennach nun die Frage der Begünstigung von Nichtchristen sanktioniren, während zur gegebenen Zeit zu deren Entscheidung dem Volke keine Gelegenheit verschafft werden wollte, hiesse — abgesehen von der Verwerflichkeit der Sache an und für sich — die Bundesbehörden ermuntern: unter dem Titel von "Staatsverträgen" auch über andere verfassungsmässige Grundrechte zu verfügen.

Die Revisionspunkte III. und V. (Art. 41, Ziffer 4, Stimmrecht der Niedergelassenen in Gemeindeangelegenheiten und Art. 42: sofortiges Stimmrecht der Niedergelassenen in kantonalen Angelegenheiten) enthalten weitere Begünstigungen der Niedergelassenen, die gegenüber den schon bestehenden weder nöthig, noch von der Mehrzahl der schweizerischen Niedergelassenen selbst angestrebt worden sind, die aber dazu angethan scheinen, das kantonale Leben und Bewusstsein weiterer Verflachung entgegen zu führen. Dabei darf rücksichtlich der Niederlassungs-Verhältnisse nicht unbeachtet gelassen werden, der nicht geringfügige Umstand, dass in Folge der schweizerisch-französischen Handelsverträge und — wofern der bezügliche Revisionspunkt II. angenommen werden sollte — nicht nur den Bekennern einer christlichen Konfession, sondern auch sowohl französischen, als schweizerischen Nichtchristen die freie Niederlassung gewährleistet ist.

Gegen den IV. Revisionspunkt (Regelung der Besteuerung und zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen zwischen Heimath- und Niederlassungskanton durch die Bundesgesetzgebung) darf wohl mit gutem Grunde gesagt werden, dass wenn man sich einmal mit dem Gedanken der Regelung s. g. „ungeregelter" Verhältnisse für Niedergelassene und Bürger befreunden und die eidgenössische Gesetzgebung zu Hilfe rufen will, dieses in manch anderer ebenso wichtigen Materie geschehen müsste. Uebrigens haben gerade in der quästionirlichen bei Anlass der Behandlung von Rekursen die Bundesbehörden eine gewisse staatsrechtliche Praxis geschaffen, durch den Druck veröffentlicht und so den Kantonen eine Norm an die Hand gegeben, welche schon in letzter Zeit Rekurse zur Seltenheit gemacht haben.
Der VII. und IX. Revisionspunkt (Art. 54, a. Ausschliessung einzelner Strafarten und Art. 59, b. Verbot des gewerbsmässigen Betriebes von Lotterie- und Hazardspielen) sind vom Zaune gerissene, in jeder Beziehung lückenhafte, einem staatlichen Grundgesetze unwürdige Gelegenheitsartikel und ein Grundstein zu weitgehender Beschneidung kantonaler Autonomie. Dieses ist nun, in gedrängter Kürze zusammengefasst, die Anschauung des Landrathes über die nenn Revisionspunkte, welche ihn nach unbefangener Würdigung bestimmt, der h. Landesgemeinde gutachtungsweise die Annahme der zwei Eingangs bemeldten Revisionspunkte I. und VIII., Art. 37 und 59 a. (Festsetzung von Maass und Gewicht und Schutz des schriftstellerischen, künstlerischen und industriellen Eigenthums) zu empfehlen, dagegen die Verwerfung aller sieben übrigen Revisionspunkte anzurathen.



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RECHTSAMMLUNGEN

Übersicht
Rechtsquellen vor 1798
Urner Landbuch, 1823-1841
Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Das Landbuch, 1891-1916
Sammlung der Gesetze, 1892-1958
Zwischenspiel Amtsblatt, 1959-1975
Das Urner Rechtsbuch, ab 1976

ABKÜRZUNGEN

LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat

 

 

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 20.2.2018