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Gesetzesbestimmungen

Gesetze zwischen Amtlicher Sammlung und Landbuch, 1863-1890
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Amtsblatt des Kantons Uri 1884
Gesetz über das Wirtschaftswesen und den Kleinverkauf geistiger Getränke

Abl UR 1884 nach S. 236 (Beilage 1, 01-10)
Gesetz über das Wirtschaftswesen und den Kleinverkauf geistiger Getränke
«Die Landesgemeinde der Kantons Uri auf Antrag des Landrathes beschliesst und verordnet::

Titel I.
Wirthschaftspatente.

§ 1.
Der Betrieb einer Wirthschaft und der Kleinverkauf geistiger Getränke über die Gasse sind an eine spezielle Bewilligung und die Lösung eines Patentes geknüpft.

§ 2.
Die Wirtschaften werden eingetheilt:
a) in Tavernenwirthschaften, welche Gäste beherbergen und bewirthen;
b) in Speisewirthschaften, welche Gäste bewirthen, aber nicht beherbergen;
c) in Gelegenheitswirthschaften, welche vorübergehend oder ausserhalb der gewohnten Wirthschaftslokalitäten bei Festanlässen, Militärübungen, Märkten etc. betrieben werden.

§ 3.
Das Gesuch um Bewilligung für Betrieb einer Wirthschaft oder für den Kleinverkauf geistiger Getränke über die Gasse ist beim betreffenden Gemeinderath anzubringen, welcher dasselbe begutachtet.
Die Patentbewilligung für die Tavernen- und Speisewirthschaften ertheilt der Regierungsrath unter Vorbehalt des Rekursrechtes an Landrath.
Die Bewilligungen für Gelegenheitswirthschaften und den Kleinverkauf geistiger Getränke erledigt die Polizeikommission.

§ 4.
Es werden keine Patente ertheilt:
a) an Personen, die nicht in bürgerlichen Rechten und Ehren stehen, nicht eigenen Rechtes oder nicht handlungsfähig sind;
b) an Frauen von Konkursiten, die mit ihren Männern in ungetrennter Haushaltung leben;
c) solchen, die einen schlechten Leumund besitzen;
d) solchen, die an Hand vorangegangener Thatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Gewerbe zu Förderung der Völlerei, verbotener Spiele, Hehlerei oder Unsittlichkeit missbraucht werde;
e) denjenigen, welche keine angemessene Wirthschaftsräume zur Verfügung haben.

§ 5.
Wenn wegen zu starker Vermehrung der Wirthschaften eine ernstliche Besorgniss für das öffentliche Wohl begründet ist, so ist der Regierungsrath, beziehungsweise die Polizeikommission berechtigt, die Ertheilung von Patenten vorübergehend einzustellen.

§ 6.
Das Wirthaftspatent ist ein persönliches und beschränkt sich auf bestimmte Lokalitäten. Die Konzession erlischt:
a) wenn der Patentinhaber stirbt;
b) er die Ausübung des Gewerbes einstellt;
c) er die in § 4 geforderten Requisiten nicht mehr besitzt. Ist beim Tode eines Wirthes eine Wittwe oder Kinder vorhanden, welche die Wirthschaft fortzuführen gedenken und die geforderten Eigenschaften besitzen, so ist das Patent für die noch nicht abgelaufene Jahresdauer als geltend zu betrachten.

§ 7.
Die Patentgebühren sind jährlich zu entrichten und betragen :
a. für Tavernenwirtschaften Fr. 20—500
b. für Speisewirthschaften Fr. 15—500
c. für Verkauf geistiger Getränke über die Gasse Fr. 20—100
d. für Gelegenheitswirthschaften per Tag Fr. 2—50

§ 8.
Diejenigen Wirthe und Getränkeverkäufer, welche nach früherm Gesetz eine Aversaltaxe bezahlt haben, sind von der Lösung eines Jahrespatents, so lange der Bezug des Ohmgeldes gestattet ist, befreit.

§ 9.
Die Taxirung geschieht endgültig durch den Regierungsrath, bezw. durch die Polizeikommission.

§ 10.
Alle vier Jahre sind alle ertheilten Konzessionen im Laufe des vorangehenden Monats Dezember zu erneuern und von den Gemeinderäthen zu begutachten. Die in der Zwischenzeit ertheilten Konzessionen haben daher jeweilen nur bis zur Gesammterneuerung Gültigkeit.

§ 11.
Wenn während der vierjährigen Konzessionsdauer das Wirthsgeschäft erweitert werden will, sei es durch Vermehrung der Lokalitäten oder durch Uebertritt in die Kategorie der Tavernenwirthschaften, so ist hiefür um die Konzession nachzusuchen und eine entsprechend höhere Taxe zu entrichten.

§ 12.
Der Bezug der Patenttaxe geschieht durch die betreffenden Gemeinderäthe jeweilen im Laufe des Monats Dezember für das folgende Jahr. Bei Neueröffnung ist dieselbe vor Eröffnung der Wirthschaft oder des Getränkeverkaufs zu erlegen.
Die Gemeinderäthe haben dann zwei Dritttheile des Bruttoertrages an die Kantonskasse abzuliefern.

Titel II.
Wirthschaftspolizei.

§ 13.
Jede Wirtschaft soll mit einem Aushängschild, einer Tafel oder andern Erkennungszeichen versehen sein. Das nämliche Zeichen darf an einem Ort nicht zweimal Vorkommen.

§ 14.
Tavernenwirthe sind verpflichtet, ordentliche Reisende, welche für Unterhalt und Obdach Bezahlung anbieten, vorübergehend aufzunehmen, so lange für selbe Unterkunftsräume vorhanden sind. Abweisungen ohne hinreichende Gründe ziehen Strafe nach sich. Im Weigerungsfalle des Wirthes entscheidet der Gemeindepräsident, eventuell sein Stellvertreter.

§ 15.
Polizeilich signalisirte oder verdächtige Personen sind ebenfalls aufzunehmen und unter sorgfältiger Aufsicht zu halten, bis die herbeizurufende Polizei das Weitere verfügt haben wird. Zuwiderhandelnde sind zur Verantwortung und zur Bestrafung zu ziehen.

§ 16.
Jeder Wirth ist in Ausübung seines Gewerbes für die Handlungen seiner Angehörigen und Angestellten verantwortlich.
Sind dem Wirthschaftspersonal Thiere zur Unterbringung oder Gegenstände zur Aufbewahrung anvertraut worden, so haftet der Wirth für allfälligen Schaden oder Verlust, es sei denn, dass er im Augenblick der Uebergabe die Verantwortlichkeit ausdrücklich abgelehnt habe, oder dass Verlust und Schaden ohne sein Verschulden und ungeachtet möglichster Sorgfalt eingetreten sei.

§ 17.
Wenn in einer Wirthschaft Streit entsteht, soll der Wirth zur Ruhe mahnen und nöthigenfalls die Ortspolizei zur Hülfe rufen oder selbst, nach erfolgtem fruchtlosem Mahnen, innert den gesetzlichen Schranken Ruhe und Ordnung schaffen.

§ 18.
Ein Wirth soll in seinem Hause keinen Nachtlärm dulden, auch keinen Verkehr, der gegen die Sittlichkeit sich verstösst.
Personen, welchen der Besuch der Wirthshäuser verboten ist, oder solchen, die von der Armenpflege unterhalten werden, ferner solchen, welche durch Kriminalgerichts-Urtheil ihrer bürgerlichen Ehre und Rechte entsetzt sind, während der Dauer der Entsetzung, sowie auch schulpflichtigen Kindern, wenn selbe nicht in Gesellschaft von Eltern oder Erwachsenen sind, darf der Wirth keine geistigen Getränke verabreichen.

§ 19.
An Betrunkene Getränke zu verabreichen, ist verboten.
Ein Wirth, der einem Gaste so viel zu trinken gibt, dass derselbe in bewusstlosen Zustand gerathen oder des Gehens unfähig geworden, ist pflichtig, demselben, ohne Vergütung zu fordern, ein Nachtlager zu geben und soll überdies bestraft werden.

§ 20.
Für Zechschulden bei Wirthen, wobei jedoch die Uerten von Reisenden, Pensionären, Kostgängern, die Kosten von Gastmählern u dgl. nicht inbegriffen sind, wird kein Rechtsschutz gewährt. Ebenso wird derselbe allen Forderungen aus dem Kleinverkauf gebrannter Wasser (Schnaps) entzogen. Als Kleinverkäufer ist zu betrachten, wer solche gebrannte Wasser in Quantitäten unter 5 Liter abgibt. Das Hausiren mit geistigen Getränken ist ganz verboten.

§ 21.
Alle Wirthschaften sollen jeweilen Abends 11 Uhr geschlossen werden, mit Ausnahme der Bahnhofrestaurationen und Tavernenwirthschaften bei Ankunft von Bahnzügen und Reisenden. Diese Bestimmung findet keine Anwendung bei gesetzlich erlaubten Tänzen, Gemeinde- und Filiale-Kirchweihe- und Nachkirchweihetagen, Vereinsfesten und Gesellschaftsessen.
Beim Eintritt der Polizeistunde ist der Wirth verpflichtet, die anwesenden Gäste aufzufordern, die Wirthschaft zu verlassen. Von da an darf der Wirth Niemanden mehr etwas zu trinken geben.

Titel III.
Strafbestimmungen.

§ 22. Das Wirthschaftspatent oder die Bewilligung für den Kleinverkauf geistiger Getränke über die Gasse kann auf administrativem Wege von der das Patent ertheilenden Behörde oder durch Gerichtsspruch ohne Restitutionspflicht entzogen werden, wenn offenkundige Thatsachen oder gepflogene Untersuche ergeben:
a) dass in der Wirthschaft dem Spiel und der Trunksucht gestöhnt oder häufig tumultuarisches, die Ruhe der Nachbarschaft störendes Wesen getrieben oder der Unsittlichkeit Vorschub geleistet, oder für irgendwelche Ungesetzlichkeiten Unterschlauf geboten wird.
b) dass gesundheitschädliche Speisen und Getränke verabfolgt werden. Wer, ohne gesetzlich hiefür berechtigt zu sein, eine Wirthschaft betreibt, oder den Kleinverkauf geistiger Getränke über die Gasse ausübt, verfällt in eine Busse von 25—100 Fr. Im Wiederholungsfall ist die Busse zu verdoppeln, im dritten Fall zu verdreifachen und so fort.

§ 24.
Es unterliegt einer Strafe von 10—200 Fr.:
a) wer als Schenkwirth Personen beherbergt;
b) wer ohne Einholung der Konzession seine Wirthschaftslokalitäten erweitert und verwendet;
c) wer kein, oder ein schon in der Ortschaft vorhandenes Wirthschaftszeichen anbringt;
d) wer Reisenden im Sinne des § 14 die Aufnahme verweigert;
e) wer polizeilich signalisirten oder andern schlechten und unsittlichen Personen Unterschlauf gewährt;
f) wer sich gegen die §§ 17 und 18 verstösst;
g) wer Betrunkenen Getränke verabreicht oder für selbe bestellt;
h) wer der Gesundheit schädliche Speisen oder Getränke verabreicht;
i) wer als Gast der pflichtschuldigen Mahnung des Wirthes zur Ruhe oder zum Verlassen des Lokales nicht Folge leistet, oder die Nachbarschaft störenden Lärm verursachet.
Bei erschwerenden Umständen oder Rückfällen soll die Strafe verdoppelt werden.

§ 25.
Wirthe, die nach Eintritt der Polizeistunde noch Getränke an die Gäste verabfolgen oder sie nicht auffordern, die Wirthschaft zu verlassen, verfallen in eine Geldbusse von Fr. 5—20, und jeder Gast, der nach Eintritt der Polizeistunde die Wirthschaft nicht verlässt, in eine solche von Fr. 2-5.

§ 26.
Betrunkene können von Strassen, öffentlichen Plätzen und Versammlungen auch aus Wirthschaften weggewiesen werden, vorbehältlich Art. 19. Wer durch Trunkenheit öffentliches Aergerniss erregt, soll polizeilich mit einer Geldbusse von Fr. 5 bis Fr. 10 oder mit Gefängniss bis zu drei Tagen sofort bestraft werden. Bei wiederholten Rückfällen kann diese Strafe durch Gerichtsspruch bis auf 14 Tage Arbeitshaus erhöht werden.

Schluss- und Uebergangsbestimmungen.

§ 27.
Alle bisherigen mit diesem Gesetze in Widerspruch stehenden altern Gesetzesbestimmungen werden aufgehoben.

§ 28.
Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Annahme durch die h. Landesgemeinde in Kraft und der Regierungsrath wird mit dem Vollzug desselben beauftragt in der Meinung, dass dasselbe für neue Wirthschaften sofort anzuwenden ist, hingegen eine definitive Taxation bestehender Wirthschaften, die noch keine Taxe bezahlten, erst im nächsten Christmonat stattfindet.»

Landsgemeinde vom 04.05.1884.
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RECHTSAMMLUNGEN

Übersicht
Rechtsquellen vor 1798
Urner Landbuch, 1823-1841
Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Das Landbuch, 1891-1916
Sammlung der Gesetze, 1892-1958
Zwischenspiel Amtsblatt, 1959-1975
Das Urner Rechtsbuch, ab 1976

ABKÜRZUNGEN

LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat

 

 

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 20.2.2018