ÜBERSICHT

Name Wappen Siegel Banner Verfassungen Gesetzgebung Landsgemeinde Abstimmungen Wahlen Parlamentarische Vorstösse Eckdaten Bevölkerung Geografie Diverses

BEZIEHUNGEN

Ausland Kantone

Gesetzesbestimmungen

Amtliche Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Bd 4 (1856)
Gesetze und Verordnungen, Bd IV
Gesetz über die Verwandtschafts-Steuern

LB UR (1856) Bd IV S. 023-29
Gesetz über die Verwandtschafts-Steuern
«Die Bezirksgemeinde von Uri,
In der Absicht, im Armenwesen einige zweckmässig erachtete Abänderungen und Verbesserungen einzuführen,
Auf den Vorschlag des Landrathes und ein gleichzeitig gestelltes Siebengeschlechtsbegehren, beschliesst:

§. 1.
Die Verwandtschaftssteuern haben künftig nur mehr bis und mit dem ersten und zweiten Grad Vatermark, nach Anleitung des Art. 101 (dessen Litt. 6. jedoch wegfällt) fortzubestehen.
An den Platz der übrigen der Steuerpflicht nunmehr enthobenen Verwandtschaftsgrade treten nun die Gemeinden und ihre Armenpflegen, welche statt jener den Unterhalt und die Versorgung ihrer Armen, laut Bestimmung folgenden §. 2, zu übernehmen haben; und dann aber, falls ihre Beihülfe gefordert wird, ebenfalls zur Formation der Steuerabtheilung, gleich den Verwandten, zugerufen und vertreten werden sollen, a) Arme oder Unvermögende, welche ihre eigene Armuth und Unvermöglichkeit durch gehörige Ausweise darzuthun im Falle sich befinden, sind der Steuerpflicht enthoben, selbst wenn sie in obbemeldten Graden verwandt sind, ist Solche Armuthsausweise werden von dem Gemeinderath derjenigen Gemeinde, deren Angehörige der oder die solche Bescheinigungen Verlangenden sind, ausgefertigt; es kann aber, falls sich die eine oder andere Parthei dadurch beeinträchtigt finden würde, an den Rath rekurrirt werden, der dann inappellabel darüber abspricht.

§ 2.
Jede Gemeinde und ihre Armenpflege haben die Versorgung und die Pflegung ihrer Armen mit Unterdrückung des Gassenbettels, welcher, wie der Beitel überhaupt, nach Art. Landb. 106 gänzlich untersagt und verboten bleibt, zu übernehmen und zu bewerkstelligen; Vorbehalten jedoch die Unterstützungen durch die Verwandten des ersten und zweiten Grades, nach Massgabe des vorstehenden § 1.
Dieselben haben ferner die Pflicht, die Armen überhaupt, soviel es sich thun lässt, durch den Kräften und Fähigkeiten derselben angemessene Arbeit zu unterstützen, sei es durch Anweisung von Arbeit, oder sei es durch Unterbringung bei guten und thätigen Partikularen.
Sollte die eine oder andere Gemeinde mit ihrer Armenpflege nicht vermögend sein, von sich allein aus diess zu bethätigen, so hat sie sich diessfalls an den hiezu zu bezeichnenden Ausschuss der Zentralarmenpflege zu wenden, welcher den Gemeinden mit der nöthigen Hülfe und Unterstützung an die Hand gehen wird.

§ 3.
Den betreffenden Gemeinden und ihren Armenpflegen fallen alle ihre Gemeindegenossen zu, welche von jeher oder seit mehr als 15 Jahren in dort angesessen sind.
In Bezug der aus einer Gemeinde in eine andere Gezogenen soll es beim Art. 107 verbleiben, mit folgender Abänderung und Erläuterung:
„Wer aus einer Gemeinde zieht, soll, wenn er und seine Familie innert 15 Jahren seines Wegziehens der Armenpflege oder durch Bettel den Partikularen zur Last fällt, der Pflege jener Gemeinde, von welcher solcher zuerst weggezogen, anheimfallen, und von derselben sammt Frau und Kindern nicht nur bis Ablauf der 15 Jahre, sondern auch so lange es nöthig ist, unterhalten werden."
Die Zeit des Wegziehens von und des Einsitzens in eine andere als die ursprüngliche Gemeinde, wird nach Anleitung von Art. Landb. 274, vom Datum der geschehenen Einschreibung in das Ansitzverzeichniss an berechnet.

§ 4.
Der Zentralarmenpflege wird die Oberaufsicht und Leitung über sämmtliche Gemeindearmenpflegen übertragen.
Der Landrath wird beauftragt und bevollmächtigt, die Zentralarmenpflege einer gänzlichen Reorganisation zu unterwerfen, in Bezug auf die Wahl des Präsidenten, Wahlart und Anzahl der Mitglieder, bei deren Wahl auf eine angemessene Repräsentation oder Vertretung der Gemeinden billige Rücksicht zu nehmen ist, und anderer nothwendig zu erachtenden Statuten.

Die Zentralarmenpslege hat:
a) wenigstens alle Vierteljahre reglementarisch sich zu versammeln, wobei es dem Präsidenten Vorbehalten bleibt, dieselbe bei Vorhandensein dringender Geschäfte oder besonderer Umstände auch in der Zwischenzeit zu besammeln;
b) die Verwaltung des Zentralarmenfondes, sowie die Verkeilung und Aushändigung der Beiträge aus demselben an die Gemeindearmenpflegcn, mit Rücksicht auf ihre Leistungen und ihre Kräfte zu übernehmen;
c) die angemessenen Anstalten und Vorkehrungen zur Einrichtung einer Art Zwanganstalt, um arbeitsscheue oder müssige und liederliche Arme zur Arbeit anhalten zu können, zu treffen, und erforderlichenfalls dem Landrathe die geeigneten Anträge und Gutachten zu hinterbringen;
d) durch einen Ausschuss oder konnte aus ihrer Mitte für Herschaffung angemessener Arbeit für die Armen der verschiedenen Gemeinden und für den Absatz des Verarbeiteten zu sorgen, wesshalb jener (Ausschuss) die erforderlichen Unterhandlungen und Korrespondenzen anknüpfen wird;
e) alljährlich von den Gemeindearmenpflegen Rechnung und Berichterstattung abzufordern und darüber, sowie über die Verwaltung des Zentralarmenfondes und des Armenwesens überhaupt, dem Landrathe Bericht und Rechenschaft abzulegen.

§ 5. Zu fernerer indirekter Unterstützung der Gemeindearmenpflegen in der ihnen hiemit obliegenden Besorgung unerzogener armer Kinder und Waisen, und um durch bessere Erziehung derselben einerseits künftiger Verarmung so viel möglich zu begegnen, und anderseits die schwere Pflicht, arme Kinder durch Erziehung zu guten Christen und fleissigen, braven Bürgern zu bilden, möglichst zu erleichtern, wird eine zweckmässige Verwendung der a Pro'schen Fidei-Kommiss-Stiftung, nach dem Sinne und Inhalt des Stiftsbriefes, unter folgenden Bedingungen statthaben:

1) Der Stiftungsbrief soll in seinem ganzen Inhalte neuerdings anerkannt und in Kräften bestätigt sein und der Ertrag der Stiftung ausschliesslich zur Erziehung hülfloser, armer oder verwahrloster Kinder verwendet werden, welche
a) entweder bei braven, rechtschaffenen Landleuten und Privaten, unter Berücksichtigung der Heranbildung zu künftigem Auskommen, verkostgeldet und unterstützt werden sollen;
b) oder aber in einer nach Bedürfniss und Umständen bald möglichst zu errichtenden Erziehungs- oder Waisenanstalt für den ganzen Bezirk aufzunehmen sind;
c) allenfalls noch vorhandene, auch „ganz arme" Verwandte des Stifters, Herrn a Pro sel., sollen laut Stiftung in Erziehung und Aufnahme vorzugsweise berücksichtigt werden.

2) Der Ertrag dieser Stiftung soll so viel als möglich, sei es durch Steigerung der Lehenakkorde, sei es durch möglichst zweckmässige Verwaltung, vermehrt werden.
3) Die Verwaltung dieser Stiftung ist stiftungsgemäss der bestehenden aus 3 Mitgliedern zusammengesetzten Verwaltungs- Kommission übertragen, welche dem Landrathe je alle zwei Jahre Rechnung und Rechenschaft abzulegen hat.
4) Unter Festhaltung des Grundsatzes abgesonderter Verwaltung und von anderm Armengute abgesonderter unvermischter Erhaltung des Fidei-Kommiss-Gutes ist im Uebrigen der Landrath mit Errichtung der Waisenanstalt, nach Massgabe der Umstände und Verhältnisse und überhaupt mit möglichst baldiger Ausführung obiger Bestimmungen und daher nöthiger Anordnungen, beauftragt.

§ 6.
Um den durch Beschränkung der Verwandtschaftssteuern sich ergebenden Ausfall zu decken und den vermehrten Ansprüchen aus zweckmässige Unterstützung entsprechen zu können, sind hiefür folgende Einnahmen angewiesen:

a) Für den Zentralarmenfond:
1) die bisherigen Einnahmen und Fondi der Zentralarmenpflege;
2) eine Ohmgelderhöhung aus Wein und gebrannte Wässer von Sch. 1 per Maass, und auf Most und Bier von Agstr. 2 per Maass.

b) Für die Gemeindearmenpflegen:
1) Eine von den Gemeindearmenpflegen in ihren Gemeinden alljährlich wenigstens einmal von Haus zu Haus auszunehmende Kollekte, wobei auch Korporationen und milde Stiftungen um ihre freiwilligen Beiträge angegangen werden mögen.
2) Beinebens verbleiben den Gemeindearmenpflegen auch ihre bisherigen Einnahmen und Fondi.

c) Die dem Landrathe durch den Art. Landb. 104 eingeräumten Vollmachten, Gemeindearmenpflegen sowohl, als allgemeine Armen- und Waisenanstalten durch Anweisung von Allmend- und Pflanzland und deren Benutzung unterstützen zu mögen, sind beinebens hiemit neuerdings bestätigt und nach obigem Wortlaute erweitert.
Sollten diese hier angewiesenen Einnahmen und Quellen gegen Erwarten nicht hinreichend sein, um die durch obige Bestimmungen sich ergebenden Auslagen zu bestreiten, so hat der Landrath an eine Bezirkslandsgemeinde fernere geeignete Anträge zu deren Deckung zu bringen.

§ 7.
Die sämmtlichen Gemeinderäthe werden neuerdings alles Nachdruckes aufgefordert, das in Kraft bestehende Sittenmandat genau und pünktlich zu handhaben und sich alle Mühe zu geben, dass Müssigang und Liederlichkeit aus ihren Gemeinden verscheucht und dadurch die Hauptquellen der Armuth und Entsittlichung immer mehr gestopft werden.
Der Landrath wird zur Unterstützung dieses Bestrebens ermächtigt und beauftragt, solche Verordnungen von sich aus zu treffen, welche geeignet sind, Müssigang, Bettel und Liederlichkeit zu unterdrücken, der Armuth Abhülfe zu verschaffen, den zu errichtenden Armen-, Arbeits- und Erziehungsanstalten eine ungehinderte, durchgreifende, segenvolle Wirksamkeit diessfalls zu sichern, Thätigkeit und Sparsamkeit zu fördern.

§ 8.
Gegenwärtiges Gesetz tritt sogleich nach seiner Annahme durch die Gemeinde in Rechtskraft und Wirksamkeit.
Alle nach dieser Annahme auslaufenden Steuerlisten sollen erst nach Ablauf der Frist, für welche sie errichtet sind, aufhören, von wo an sie nach den Grundsätzen dieses neuen Gesetzes neu formirt werden sollen.
Den Bezug des Ohmgeldes so bald möglich anzuwenden ist der Regierung überlassen.
Sollten aber die Gemeindearmenpflegen, sei es zur Anschaffung von Arbeit für die Arbeitsfähigen, sei es für andere Bedürfnisse, Vorschüsse nöthig haben, so wird ihnen die Zentralarmenpflege, auf daheriges Begehren, den Verhältnissen angemessene Vorschüsse leisten, welche den betreffenden Gemeinden von den später zu erhaltenden Beiträgen successive einzubehalten sind.

§ 9.
Alle frühern, diesen neuen Gesetzesbestimmungen nicht zu- widergehenden Artikel des Landbuchs und namentlich die gesetzliche Wiedervergütung der an Kinder oder andere Unterstützte geleisteten Steuer oder Verpflegung, wie sie der Art. 101, Litt. e. verschreibt, und welche auch zu Gunsten der Armenpflegen anwendbar ist, bleiben in fortgesetzter Kraft.»

Bezirksgemeinde-Erkenntnis vom 14.05.1843.
-------------------------

 
RECHTSAMMLUNGEN

Übersicht
Rechtsquellen vor 1798
Urner Landbuch, 1823-1841
Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Das Landbuch, 1891-1916
Sammlung der Gesetze, 1892-1958
Zwischenspiel Amtsblatt, 1959-1975
Das Urner Rechtsbuch, ab 1976

ABKÜRZUNGEN

LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat

 

 

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 20.2.2018