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Gesetzesbestimmungen

Gesetz über die Landesgemeinde
LB UR Bd 01 (1892) S. 098-102 / Mittwoch, 8. Mai 1889

«Die Landesgemeinde des Kantons Uri, in Abänderung der Artikel 16 bis und mit 27 des Landbuches und ihrer Nachträge, aus Vorschlag des Landrathes, beschließt:

Art. 1. Der Besuch der Landesgemeinde ist als Bürgerpflicht eines jeden stimmfähigen Einwohners des Kantons aufzufassen.
Art. 2. Die ordentliche Landesgemeinde wird alljährlich am 1. Sonntag im Mai zu Bötzlingen an der Gand abgehalten und soll dort um 12 Uhr beginnen. Am Morgen dieses Tages soll in allen Pfarrkirchen des Kantons das hochwürdigste Gut ausgesetzt und sollen allgemeine Gebete verrichtet werden.
Art. 3. Der Zug zur Landesgemeinde setzt sich um 11 Uhr vom Rathhaus aus (wohin der Landammann von den Weibeln begleitet wird) in Bewegung. Voran schreiten die Harsthornträger in Tellenkleidung, ihnen folgen die Musik, die militärische Ehrenwache (zirka 80 Mann) mit dem Landespanner, getragen von einem in bürgerlichen Ehren und Rechten stehenden Offizier oder Unteroffizier, eine Abtheilung des Landjägerkorps und dann die Kutschen, in einer vom Regierungsrathe festgesetzten Anzahl. In derselben nehmen der Rangordnung nach Platz: Der Landammann, die übrigen Mitglieder des Regierungsrathes, der Präsident des Obergerichtes, die hierseitigen Abgeordneten in die eidgenössische Räthe, die in Altdorf anwesenden Landräthe und die Landschreiber. Die drei Landweibel und die farbtragenden Gemeindeweibel (Silenen, Spiringen, Wassen, Seelisberg und Andermatt) nehmen vornen auf den Kutschen Platz und tragen die Landesinsignien, nämlich den Stab, das Schwert, die Land-, Satzungs- und Ammannbücher und die Landessiegel. Die in diesem Artikel benannten Vorsteher und Amtsleute sind bei ihrer Amtspflicht verhalten, sich in der angeführten Weise am Zuge zu betheiligen.
Art. 4. Am Ringe zu Bötzlingen nehmen die Regierungsräthe, der Obergerichtspräsident, die Abgeordneten in die eidgenössischen Räthe und die Mitglieder des Landrathes die für sie bestimmten Sitzplätze ein. Der Landammann dagegen, als Präsident der Landesgemeinde, nimmt mit dem ersten Landschreiber, als Protokollführer, am Tische in der Mitte des Ringes Platz.
Art. 5. Zum Beginne der Landesgemeinde ruft der erste Landweibel die übliche Formel über Stimmberechtigung und Theilnahmsfähigkeit aus, worauf die Landesgemeinde mit einer Ansprache des Landammanns und der Anrufung des hl. Geistes durch Abbetung von 5 Vater Unser und Ave Maria eröffnet wird.
Art. 6. Zur Behandlung dürfen nur solche Gegenstände kommen, welche auf dem gedruckten Geschäfts-Verzeichniß stehen, oder solche Wahlen, welche als unvorhergesehene Ersatzwahlen für in eine andere Stellung Gewählte zu betrachten sind. Die Reihenfolge der Verhandlungsgegenstände ist folgende:
a) Die Wahlen der Regierungsräthe, des Landammanns, Landesstatthalters, der Ständeräthe, der Mitglieder, des Präsidenten, Vizepräsidenten und der Ersatzmänner des Obergerichtes, des Kriminalgerichtes, des Kreisgerichtes Uri und Ursern.
Anträge für Bestätigung von solchen Beamten, welche den gesetzlichen Vorschriften über den Amtszwang Genüge geleistet und gestützt hierauf eine fernere Wahlannahme bestimmt ablehnen, sind nicht mehr in Abstimmung zu bringen.
b) Nach erfolgter Wahl des Landammanns findet sofort dessen Beeidigung durch das im Range zunächst stehende Mitglied des Regierungsrathes statt.
c) Die Anträge des Landrathes.
d) Die Volksbegehren.
e) Die übrigen der Landesgemeinde zustehenden Wahlen, als der Landschreiber, der Landesfürsprechen, Landsmarcher und der Landweibel.
Art. 7. Ueber jede Wahl und jeden Berathungsgegenstand soll der Rangordnung nach ein Mitglied des Regierungs- und Landrathes angefragt und daraufhin die allgemeine Umfrage angehoben werden.
Bei allen Abstimmungen entscheidet das absolute Mehr. Dasselbe wird durch die Weibel (siehe Art. 2.) vergeben, unparteiisch nach Eidespflicht. Kann das Mehr nach dreimaliger Abstimmung nicht vergeben werden, so erfolgt die Abzählung der Stimmen. Der Landammann trifft die deßhalb nothwendig werdenden Anordnungen. Er bezeichnet die Stimmenzähler aus den Landrathsmitgliedern, welche die Abzählung nach Eidespflicht unparteiisch vorzunehmen haben. Kommt einer in Abstimmung, der einem Weibel im ersten oder zweiten Grad verwandt ist, so hat sich der Weibel vom Platze zu entfernen und sich der Stimmabgabe bei Vergebung des Mehres zu enthalten.
Art. 8. Bei Vorschlägen für Wahlen darf vom gleichen Antragsteller nicht mehr als an Einen gerathen werden.
Art. 9. Für die Abstimmungen gilt folgendes Verfahren:
a) Bei den Wahlen sind die Vorgeschlagenen nach der Reihenfolge des Vorschlages in Abscheidung zu bringen, ausgenommen bei Wahlen, für welche Anmeldungen »erliegen, wo die Namen nach ihrer alphabetischen Reihenfolge zur Abstimmung kommen müssen.
b) Bei den Anträgen des Landrathes und der Volksbegehren soll zuerst das Begehren, wie es gedruckt lautet, und dann jeder Abänderungsantrag nach der Reihenfolge, wie er gestellt worden ist, zur Abstimmung gelangen. Ist jedoch ein Antrag gestellt worden, überhaupt gar nicht einzutreten, so soll zuerst abgestimmt werden, ob man darauf eintreten wolle oder nicht.
Art. 10. Glaubt sich Jemand durch einen Landesgemeindebeschluß in seinen Privatrechten benachteiligt, so kann er das ordentliche Gericht anrufen. Dasselbe hat die Streitfrage zwischen dem Volke und dem Rechtsuchenden gewissenhaft nach den Akten zu entscheiden.
Die bezüglichen Rechtsdarschläge sind jedoch an der Landesgemeinde selbst zu Protokoll zu geben und dann innert Monatsfrist gerichtlich anhängig zu machen, bei Verlust des Rechtes zur Einsprache.
Die Landesgemeinde fährt, dem Rechte unvorgreiflich, in Behandlung des Geschäftes weiter. (Siehe Art. 51 der Verf.)
Art. 11. Das Protokoll der Landesgemeinde führt der erste Landschreiber, im Verhinderungsfalle desselben der zweite. Dasselbe soll in der der Landesgemeinde zunächst folgenden Landrathssitzung verlesen und genehmiget werden.
Art. 12. Die Redner an der Landesgemeinde sollen sich möglichster Kürze bedienen; keinem ist es gestattet, in einer Rede länger als 20 Minuten zu sprechen. Bei Wahlen sind Entschuldigungs- und Empfehlungsreden zu vermeiden; ist Einer gesonnen, das Amt nicht anzunehmen, so mag er seine Gründe in Kürze anführen.
Art. 13. Anonyme Vorträge sind an der Landesgemeinde untersagt. Spricht Jemand im Aufträge Anderer, so muß er die Auftraggeber mit Namen nennen.
Art. 14. Jedem stimmfähigen Einwohner oder einer Mehrzahl derselben steht das Recht zu, Anträge zu Handen der Landesgemeinde zu stellen. Vorschläge auf Aenderung der Verfassung erfordern 80 Unterschriften. Auf Begehren von 20 stimmberechtigten Einwohnern sind der Landesgemeinde alle landräthlichen Verordnungen, Beschlüsse und Erlasse allgemeiner Natur vorzulegen. Die Volksbegehren zu Handen der Landesgemeinde sind schriftlich abzufassen, genau zu präziseren, kurz zu begründen, zu unterzeichnen und bis Ende März dem Landrathe einzureichen. (Siehe Art. 26 und 28 d. Vers.).
Art. 15. Alle Verhandlungen an der Landesgemeinde sollen ruhig und würdig geführt werden. Ausschreitungen sind in die gebührenden Schranken zurückzuweisen; Verletzungen der Redefreiheit (vorbehaltlich Art. 12) sind untersagt.
Art. 16. Ernstliche Störungen der Landesgemeinde oder Verunmöglichung der vorschriftsgemäßen Abhaltung oder Fortführung derselben sind vom Strafrichter angemessen zu ahnden.
Art. 17. Das Wirthen und Halten von Kramläden ist während der Landesgemeinde aus dem Gut Bötzlingen untersagt, bei Fr. 20 Buße.
Art. 18. Die Weibel und Landjäger erhalten einen Taglohn von Fr. 2 und das gesetzliche Marschgeld, die Ehrenwache den reglementarischen Sold und die Musik soll nach Anordnung des Regierungsrathes angemessen entschädiget werden.
Art. 19. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten auch für die außerordentlichen Landesgemeinden, mit Ausnahme der Vorschriften über den Aufzug, insofern eine außerordentliche Landesgemeinde in der Gemeinde Altdorf abgehalten wird. In letzterm Falle setzt der Regierungsrath die Formalität des Aufzuges fest.
Art. 20. Die Vollziehung dieses Gesetzes, insoweit es die Verhandlungen an der Landesgemeinde und die Zugsordnung betrifft, liegt dem Landammann ob, die Ausführung aller übrigen. Bestimmungen, bei welchen der Regierungsrath nicht als kompetent erklärt ist, bleibt dem Landrathe vorbehalten.»


Quelle: Landesgemeindebeschluss vom 3. Mai 1888, mit Abänderungen vom 8. Mai 1889.

 
RECHTSAMMLUNGEN

Übersicht
Rechtsquellen vor 1798
Urner Landbuch, 1823-1841
Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Das Landbuch, 1891-1916
Sammlung der Gesetze, 1892-1958
Zwischenspiel Amtsblatt, 1959-1975
Das Urner Rechtsbuch, ab 1976

ABKÜRZUNGEN

LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 15.09.2020