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Gesetzesbestimmungen

Vorschrift für den Bewohner des Schirmhauses am Gotthard.
LB UR (1842) Bd III S. 099-103 / Freitag, 9. Juni 1837

«1. Da die Schirmhäuser zu dem Behuf erbaut wurden, um sowohl dem Reisenden, als auch dem Vieh und der Waare zu jeder Jahreszeit einen sichern Zufluchtsort und Schutz gegen die ungestümme Witterung dieser wilden Gebirgsgegend zu gewähren, so sollen in diesem Falle die Lokalien unentgeldlich seyn, für gereichte Nahrung und Betten aber eine billige Bezahlung gefordert werden mögen. Vom unentgeldlichen Schirmrechte sind jedoch Reisende sammt ihrem Vieh ausgeschlossen, wenn sie nicht durch ungestümme Witterung genöthigt, sondern nur allenfalls des Vergnügens wegen oder aus Bequemlichkeit sich in denselben aufhalten.
2. Es soll in den beidseitigen Schirmhäusern zwischen Urnern und Tessinern eine vollkommene gegenseitige Gleichheit der Schirmrechte beobachtet werden. 3. Denjenigen Reisenden, deren Armuth oder wirkliche Unvermögenheit, die Nahrungskosten zu bestreiten, erwiesen ist, soll jedoch nur in dem Falle, wenn sie die böse Witterung nöthigt, in den Schirmhäusern Zuflucht zu suchen, die nöthige Verpflegung und Nahrung kostenfrei gereicht werden. Diese wird in einer guten Portion Suppe sammt einem Stück Brod dreimal des Tages, als des Morgens, Mittags und Abends bestehen. Des Rechts zu dieser milden Gabe darf Einer nur so lange sich bedienen, als ihm die schlechte Witterung oder das Nichtoffenseyn der Bahn gebiethet, wobei der Bewohner des Schirmhauses ihn nicht eher fortweisen soll, als die Bahn den Fuhren geöffnet seyn wird und er die Reise ohne Gefahr fortsetzen kann.
4. Für jede einem solchen dargereichte Portion Suppe und Brod wird dem Bewohner des Schirm-Hauses Schl. 4 begutet, daher er für die unentgeldlich dargereichten Lebensmittel eine genaue Rechnung und ein die Namen der Unterstützten und das Datum enthaltendes Verzeichniß zu führen schuldig ist.
5. Der Bewohner des Schirmhauses soll dasselbe unter keinen Umständen und zu keiner Jahreszeit unbewohnt lassen, sondern es soll sich stetsfort Jemand zur Darreichung der nöthigen Lebensmittel oder sonstigen Hilfe darin befinden, und es soll derselbe immer mit genügsamen und gesunden Getränken und Speisen, sowie mit Heu, Stroh und Brennmaterialien versehen seyn. Auch soll er stets, fort mit wenigstens drei Gastbetten versehen seyn.
6. Das Haus soll immer reinlich und in demjenigen guten Zustande, in welchem es übergeben wird, unterhalten, und wieder abgetreten werden, auch für Feuer und Licht die nöthige Sorge und Behutsamkeit beobachtet werden. Sollte durch ein außerordentliches Ereigniß ohne Verschulden des Bewohners des Schirmhauses eine größere und bedeutendere Beschädigung erfolgen, so hat er sogleich dem löbl. Bauamte davon Nachricht zu geben.
7. Verdächtige Leute müssen gar nicht außer im Falle dringender Noth, aufgenommen werden, sind aber auch nur so lange zu dulden, bis sie sich weiter verfügen können.
8. Der Bewohner des Schirmhauses wird sich hüten durch Prellereyen oder übertriebene Forderungen für die den Reisenden dargereichten Lebensmittel zu Klagen Anlaß zu geben, da sich die hohe Regierung bemüßigt finden würde, solchen Mißbräuchen nachdrucksam und alles Ernstes Abhilfe zu verschaffen. Auch soll er diesen Bestimmungen überhaupt treu und genau nachkommen, widrigenfalls er dafür geahndet und in wiederholten und wichtigen Fällen selbst der Akkord aufgehoben werden könnte.
9. Es hat sich auch der Bewohner des Schirmhauses den Aufträgen der hohen Regierung zu unterziehen, die sie sich veranlaßt finden sollte, in polizeilicher oder anderer, die Beförderung oder Sicherheit des Passes betreffender Beziehung zu ertheilen, wo es ihm jedoch freistände, wenn er sie zu lästig fände, den Akkord aufzugeben ; doch nur nach einer vorherigen dreimonatlichen Aufkündung.
10. Die Regierung des Kantons verpflichtet sich, dem Bewohner des Schirmhauses alljährlich Fr. 200 zu bezahlen. Der Pachtvertrag wird vom 1ten Heumonat 1837 an gerechnet, auf die Dauer von 10 Jahren abgeschlossen.
11. Sollte der Bewohner des Schirmhauses bei der löbl. Regierung von Ursern um Abtretung des in der Nähe desselben gelegenen Stück Landes oder um die Bewilligung des Grabens von Torf bewerben wollen, so verpflichtet sich die Regierung von Ury, ihn dafür mit einer Empfehlung zu unterstützen.
12. Das Wasser für den Hausgebrauch soll auf Rechnung der hohen Regierung zu dem Hause geleitet werden, und ein Trog oder Hütte zum Auffangen und Tränken angebracht; nach der ersten Einrichtung bleibt der Unterhalt in der Verpflichtung eines jeweiligen Besitzers des Schirmhauses.
13. Sollte der Ofen und das Kamin nicht brauchbar seyn, so verpflichtet sich die hohe Regierung, solche in brauchbaren Zustand setzen zu lassen.
14. Die hohe Regierung verpflichtet sich, drei Bettstätten, einen Tisch und etwelche Bänke als zum Hause gehörend anzuschaffen und in dem Hause zum Gebrauche zu lassen; ferners auch in der Stube ein sogenanntes Buffet und in der Küche etwelche Einrichtungen für Aufbewahrung der Küchengeräthschaften anbringen zu lassen.
15. Es soll das Haus besonders zur Nachtszeit nebst den weiblichen Bewohnern immer von einem Manne bewohnt werden.»


Quelle: Aktum von der Kantonal-Strassenkommission 9.6.1837; LB UR 1842 Bd III, S. 99-103.

 
RECHTSAMMLUNGEN

Übersicht
Rechtsquellen vor 1798
Urner Landbuch, 1823-1841
Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Das Landbuch, 1891-1916
Sammlung der Gesetze, 1892-1958
Zwischenspiel Amtsblatt, 1959-1975
Das Urner Rechtsbuch, ab 1976

ABKÜRZUNGEN

LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 15.09.2020