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Gesetzesbestimmungen

Reglement für die Justizbehörden des Kantons Uri
LB UR Bd 01 (1892) S. 115-149. / Donnerstag, 10. April 1890

«Der Landrath des Kantons Uri, in Abänderung des Justizreglementes vom 13. August 1831 und seiner Nachträge, in Aufhebung der widersprechenden Artikel der Zivil- Prozess-Ordnung und des landräthlichen Dekretes, bet. Förderung des Geschäftsganges im Gerichtswesen vom 4. April 1867, auf Antrag des Kantonsgerichtes, beschliesst und verordnet:

I. Allgemeines.

Art. 1. Bezüglich der Zahl der Gerichte, ihres Geschäftskreises, ihrer Kompetenzen und Beeidigung wird auf die einschlägigen Bestimmungen der Verfassung und Gesetze verwiesen.

Art. 2. Die ordentlichen Sitzungstage der Gerichte sind folgende: a) für das Obergericht der 2. Mittwoch eines jeden Monats;
b) für das Kreisgericht Uri der 1. und 3. Montag und für dasjenige von Ursern der 1. Mittwoch eines jeden Monats;
c) für die Gerichtskommission Uri der 2. Montag und für diejenigen von Ursern der 1. Dienstag eines jedes Monats.
Das Kriminalgericht versammelt sich nur dann, wenn Geschäfte vorliegen und zwar in der Regel kurz vor der ordentlichen Sitzung des Obergerichtes.
Gerichtssitzungen, welche in den ordentlichen Gerichtstagen unmittelbar folgenden Tagen abgehalten werden, gelten als ordentliche Sitzungen.
Die Verlegung einer ordentlichen Sitzung darf nur in dringenden Fällen vom Gericht selbst beschlossen werden und ist rechtzeitig im Amtsblatt zu publiziren.

Art. 3. Ausserordentlicher Weise versammeln sich die Gerichte so oft sie vom Präsidenten einberufen werden, es selbst beschliessen oder das Obergericht es befiehlt.
Bei starker Geschäftsanhäufung sind die Gerichte verpflichtet, häufig ausserordentliche Gerichtssitzungen abzuhalten.

Art. 4. Extra-Gerichtssitzungen können in besonders dringenden Zivilfällen von einer oder beiden Parteien verlangt und vom Gerichte auf Kosten der sie verlangenden Partei bewilligt werden.
Die Gerichtskosten sind in einer vom Gerichte zu bestimmenden Höhe von der verlangenden Partei, unvorgreiflich der gerichtlichen Kostenzusprechung, vor der Verhandlung beim Präsidenten zu deponiren.
Extrasitzungen werden in der Regel nur bei solchen Prozessen bewilligt, welche noch nicht auf die Gerichtsliste gestellt worden sind.

Art. 5. Die Richter, Ersatzmänner, Gerichtsschreiberund Gerichtsdiener beziehen das nämliche Sitz- und Reisegeld, wie die Landräthe (Anhang zum Landrathsreglement). Die Gerichtspersonen von Realp beziehen ein Marschgeld von 1 Fr. und diejenigen von Hospenthal ein solches von 80 Rappen pro Tag.
Das Sitzgeld für ausserordentliche und Extrasitzungen beträgt Fr. 4 per Tag in der Meinung, dass Sitzungen, welche an Stelle von ordentlichen stattfinden, nicht als ausserordentliche Sitzungen anzusehen sind. Das Taggeld für Augenscheine beträgt Fr. 8 und für andere Ausschüsse Fr. 3. Falls damit ein Uebernachten verbunden wird, erfolgt ein Zuschlag von Fr. 2; überdies sind die Fahrtspesen, bezw. ein Marschgeld von 80 Cts. Per Wegstunde zu vergüten.
Die bezüglichen Kosten hat die verlangende Partei voraus zu erlegen, unbeschadet der endgültigen Zusprechung an die verlierende Partei.

Art. 6. Die Sitzungen beginnen Morgens 8 Uhr, mit Ausnahme der Monate November, Dezember, Januar und Februar, in welchen sie um halb 9 Uhr beginnen; sie werden von 11—1 Uhr unterbrochen und dauern Nachmittags bis 4 Uhr.
Acht Tage vor und acht Tage nach Ostern und Weihnachten und an Sonn- und Feiertagen dürfen keinerlei gerichtliche Verhandlungen stattfinden.

Art. 7. Die Richter, Sekretäre, Fürsprechen und Gerichtsdiener erscheinen in schwarzer oder dunkler Kleidung. Ebenso haben die Parteien und Zeugen anständig gekleidet vor den Gerichtsschranken zu erscheinen. Zuwiderhandelnde sind vom Gericht mit einer Ordnungsbusse von Fr. 1 bis Fr. 8 zu belegen.

Art. 8. Die Mitglieder und Unberufenen Ersatzmänner sind pflichtig, fleissig und rechtzeitig an den Sitzungen Antheil zu nehmen. Im Falle der Verhinderung hat der betreffende Richter dem Präsidenten Anzeige zu machen, unter Angabe des Grundes.
Richter und Ersatzmänner, welche ohne hinreichende Entschuldigung von einer Sitzung fern bleiben, sind vom Gericht mit einer Ordnungsbusse von Fr. 8—10 zu belegen.
Keinem Richter oder Ersatzmann ist es gestattet, sich vor Schluss der Sitzung, ohne Bewilligung des Präsidenten, zu entfernen.

Art. 9. Die Gerichtssitzungen sind öffentlich nach Massgabe des Gesetzes über die Oeffentlichkeit der Landraths- und Gerichtsverhandlungen, vom 4. Mai 1831.

Art. 10. Für fehlende Mitglieder werden nach einer festgesetzten Kehrordnung Ersatzmänner einberufen. Von derselben darf nur dann Umgang genommen werden, wenn in unvorhergesehenen Fällen die Einberufung der nächstwohnenden Ersatzmänner nothwendig ist.
Dem Präsidenten steht es nebstdem zu, für jede Gerichtssitzung Ersatzmänner einzuberufen, wenn ihm auch keine Verhinderungsfälle von Richtern bekannt sind.

Art. 11. Das Gerichtsverfahren ist mündlich. Für einseitige Verlangen, wie Verbote, Todtrufungcn, Schuldentrieb, Beneficia Inventarii, peremtorische Fristen u. s. w. ist das schriftliche Anbringen gestattet. Für Rekurse und Kassationen ist nur die schriftliche Form zulässig.
Wird den bezüglichen Eingaben das Gerichtsgeld nicht beigelegt, so fallen dieselben als ungeschehen dahin.
Alle amtlichen Verfügungen, insbesondere auch die Präsidialverfügungen, die amtlichen Aufträge und dergl. sind in schriftlicher Form zu erlassen.

Art. 12. Die Parteien und ihre Vertreter haben sich vor Gericht und bei Ausschussverhandlungen der Anrede: „Herr Präsident! Meine Herren!" zu bedienen und dem Gericht, Ausschuss und jedem Richter die vollste Achtung zu erweisen. In ihren Vorträgen und Schriftstücken haben die Parteien und ihre Vertreter eine geziemende Form zu beobachten, sich thunlichster Kürze zu befleissen, alles nicht zur Sache Gehörende, sowie Ausfälle gegen und Spöttereien über Behörden, Beamte, Parteien und Zeugen zu unterlassen. Der Präsident ruft sich hiegegen Verstossende zur Ordnung und das Gericht kann sie in eine Ordnungsbusse von Fr. 2 bis Fr. 30 Verfällen. Ein Gleiches kann stattfinden, wenn sich die Parteivertreter in der Replik und Duplik nicht an die vom Präsidenten festgesetzte Zeit halten, sich der Trölerei in Bezug auf die Vornahme oder Erledigung des Prozesses schuldig machen oder die Wahrheit rnuthwillig bestreiten oder entstellen.

Art. 13. Alle appellablen Zivilstreitfälle können im Einverständniss beider Parteien direkt vor das Obergericht gebracht werden. Eine Aenderung des gesetzlichen Instanzenzuges tritt überdies nur in Fällen ein:
1. Wenn die Amtsehre eines Gerichtes bezw. der ein bestimmtes Urtheil ausfällenden Richter verletzt worden ist, und zwar:
a) bezüglich des Kriminalgerichtes und dessen Mitglieder, der Kreisgerichte und deren Mitglieder, sowie der Gerichtskommission urtheilt das Obergericht;
b) beim Obergericht oder dessen Richter urtheilt ein Gericht: von 9 Mitgliedern, die aus denjenigen Laudrathsmitgliedern ausgeloost werden, welche nicht ausstandspflichtig und deren Stellung mit derjenigen eines Richters nicht unvereinbar sind. Die Ausloosung findet durch das Bureau des Landrathes statt.
2. Wenn ein Zivilstreitfall durch einen Schiedsvertrag, der von beiden Parteien unterzeichnet sein muss, einem Schiedsgericht zugewiesen worden ist. Das Verfahren desselben ist nicht an die Formen der Ziv.-Proz.-Ordn. gebunden und wird von ihm selbst streng unparteiisch festgesetzt. Beeidigungen dürfen keine stattfinden. Der Schiedsspruch soll in Anwesenheit der Parteien ausgefällt, schriftlich abgefasst, mit Erwägungen und klaren Dispositiven versehen, vom Präsidenten und Aktuar unterschrieben und den Parteien zugestellt werden. Er ist inappellabel und exequirbar, wie ein ordentliches in Kraft erwachsenes Gerichtsurtheil. Die Urtheile erwachsen sofort in Rechtskraft.

Art. 14. Wenn der Schiedsvertrag nichts Anderes bestimmt, gelten für das Schiedsgericht folgende Grundsätze:
a) falls die Parteien sich über die Wahl der Schiedsrichter oder des Obmann's nicht einigen können, werden dieselben vom Obergericht bezeichnet;
b) als Schiedsrichter ist Jeder wählbar, der in bürgerlichen Ehren und Rechten steht und gegenüber den Parteien oder dem Streitgegenstand nicht ausstandspflichtig ist; c) es hat sein Urtheil nach bestehendem Rechte, in Ermanglung eines solchen, nach gewissenhafter Ueberzeugung abzugeben.

Art. 15. Weibelamtliche Zustellungen und zivilgerichtliche Mittheilungen aller Art dürfen nur in der Zeit von Morgens 7 Uhr bis Abend 7 Uhr und nicht an Sonn- und kantonalen Feiertagen, noch während dem Rechtsstillstand gemacht werden. Ueberdies wird auf die Vorschriften über den Rechtsstillstand verwiesen.
Alle weibelamtlichen Zustellungen und Mittheilungen sind schriftlich auf Stempelpapier der betreffenden Person oder in deren Abwesenheit einem erwachsenen Hausgenossen derselben in ihrer Wohnung abzugeben. Bezüglich des Letztern findet eine Ausnahme statt bei Intimationen an Behörden, Amtsstellen und Gesellschaften, welche, in Abwesenheit des Präsidenten oder Vorstehers, dem Stellvertreter zu bestellen sind.

Art. 16. Anwälte und Parteien, welche Akten von der Gerichtskanzlei wegnehmen oder missbrauchen, sind zu bestrafen. Erstere mit Geldbusse bis Fr. 50, im Rückfalle mit Einstellung in der Advokatur bis 3 Monate, Letztere mit gleicher Geldbusse oder mit Gefängniss bis 3 Wochen.

II. Gerichlsverhandlungen.

Art. 17. Zu einer gültigen Gerichtsverhandlung ist, vorbehaltlich die Anerkennung einer geringern Zahl Richter durch beide Parteien, die Anwesenheit der absoluten Mehrheit der gesetzlichen Richterzahl erforderlich und zu einem gültigen Beschluss die absolute Mehrheit der Anwesenden.
Die Richter nehmen ihre Plätze, rechts und links wechselnd, nach der Reihenfolge ihrer Wahl ein.

Art. 18. Jede Gerichtssitzung beginnt mit der Anrufung des hl. Geistes durch das stille Abbeten von fünf Vaterunsern. Hierauf folgt am ersten Tage einer Session die Verlesung und Genehmigung des Protokolls.
Ueber Fragen der Protokollirung haben nur jene Mitglieder Stimmrecht, welche bei Fassung des Beschlusses anwesend waren.
Nach erfolgter Protokollgenehmigung eröffnet der Präsident die ihm eingegangenen Entschuldigungen abwesender Mitglieder oder trotz Aufforderung nicht erschienener Ersatzmänner. Hierauf beginnen die eigentlichen Verhandlungen.

Art. 19. Die Reihenfolge der Geschäftsbehandlung ist folgende:

1. im Obergericht:
a) die appellirten Straffälle;
b) die Erläuterungs-, Revisions-, Rekurs- und Kassationsbegehren ;
c) die appellirten Zivilprozesse, nach der Reihenfolge der eingelegten Berufungen.

2. im Kriminalgericht:

Die Prozesse nach der Reihenfolge der Aktenüberweisungen.

3. in den Kreisgerichten:

a) die Straffälle, inkl. Paternitätsfälle;
d) die Schuldentriebsgeschäfte;
e) die einseitigen Vorstände, als Vorbote, Verschollenheitserklärungen u. s. w.
d) die Gesuche für Erläuterung, Augenscheine, Akten- und Rechnungsprüfung oder sonstige Spezialausschüsse, e) die Zivilprozesse nach der Reihenfolge der Eingabe.


4. in den Gerichtskommissionen.

Gleich wie in den Kreisgerichten.
Eine Ausnahme von dieser Reihenfolge findet statt, wenn Schaden oder Gefahr im Verzug ist, oder die Entfernung der Parteien, Ausstände und dergl. sie nothwendig machen.

Art. 20. Nach Schluss der Parteivorträge verliest der Präsident das Rechtsbegehren und benennt die in's Recht gelegten Akten, welche in der Regel vom Gerichtsschreiber nochmals verlesen werden sollen.
Hierauf hält der Präsident die Umfrage wenigstens bei einem Mitglied dem Range nach.
Nach erfolgter Umfrage wird die allgemeine Diskussion eröffnet. Meldet sich kein Mitglied mehr zum Wort, wird die Diskussion als geschlossen erklärt.

Art. 21. Der Präsident stellt die Anträge zusammen und theilt dem Gericht mit, wie er abzustimmen gedenkt. Eventuell entscheidet das Gericht über die Art der Abstimmung. Dieselbe hat jedoch in allen Fällen nach folgenden Grundsätzen zu geschehen:

a) über die Ordnungsanträge;
b) über die Anträge in Hauptsache nach Anleit des Landrathsreglementes; c) über die Kostenfrage.

Art. 22. Die Stimmen werden vom Gerichtsweibel gezählt und dem Präsidenten mitgetheilt, der das Ergebnis; dem Gericht verkündet.

Art. 23. Jedes Mitglied ist pflichtig, seine Stimme ab zugeben. Der Präsident stimmt nicht, ausser zur Abgabe des Stichentscheides und bei Wahlen. In letztern Fällen entscheidet bei Stimmengleichheit das Loos.

Art. 24. Minderheitsanträge und Verwahrungen gegen Urtheile und Beschlüsse dürfen nicht zu Protokoll genommen werden. Eine Ausnahme findet statt bei Beschlüssen über die Geschäftsordnung.

Art. 25. Einmal gefasste Beschlüsse dürfen nicht mehr zurückgenommen werden, ausser solche über die Geschäftsordnung und Ausfüllung von Ordnungsbussen. In diesem Falle bedarf es die absolute Mehrheit aller Mitglieder.

III. Besondere Verrichtungen. a. der Gerichtspräsidenten.
Art. 26. Die Präsidenten sind verantwortlich für Innehaltung der ordentlichen Sitzungen, die beschlussfähige Versammlung der Gerichte und die möglichst prompte Erledigung der Geschäfte. Sie beeidigen die Richter, Parteien, Zeugen und Sachverständigen.

Art. 27. Sie führen die Kontrole über die Ersatzmänner, besorgen deren Einberufung, führen ein genaues Verzeichniss über die Prozesseingaben, welches die Namen der Prozessparteien, das Datum der Zitation, den Streitgegenstand und das Datum und die Art der Prozesserledigung enthalten soll, avisiren schriftlich die Parteien, wann der Prozess auf die Gerichtsliste gesetzt wird, führen dieselbe und halten sie den Landesfürsprechen zur Einsicht bereit. Der Obergerichtspräsident hat in seiner Kontrole überdies den Tag der eingelegten Appellation einzutragen.
Die Avisation der Parteien oder der von ihnen bevollmächtigten Vertreter hat mindestens 8 Tage vor der Gerichtssitzung zu geschehen.
Zitationen ohne Weisungsschein des Vermittlers und solche, welche nicht auf Stempelpapier geschrieben sind, dürfen zur Eintragung in die Kontrole nicht angenommen werden.

Art. 28. Die Präsidenten haben Gerichtsausschüsse oder Sachverständige, sowie den Staatsanwalt und Verhörrichter, welche in Erfüllung erhaltener Aufträge saumselig sind, zu mahnen, Erstere dem Gerichte und Letztere dem Regierungsrathe eventuell zu verzeigen.
Art. 29. Im Falle der Verhinderung des Präsidenten gehen dessen Rechte und Pflichten an den Vizepräsidenten, eventuell an das der Wahl nach älteste Mitglied über.

b. der Gerichtsschreiber.

Art. 30. Die Gerichtsschreiber haben ein genaues Protokoll über die in jeder Sitzung anwesenden Mitglieder und Ersatzmänner und über alle Gerichtsverhandlungen aufzunehmen und zu führen, sowie die eingelegten Akten zu registriren und zu verwahren, wofür sie den Parteien, resp. dem Staate verantwortlich sind.
Für jeden Rechtsstreit — einschliesslich das Revisions-, Rekurs- und Kassationsverfahren — und Straffall ist ein selbstständiges Aktenheft anzulegen.
Ohne Einwilligung des Gerichtes dürfen einmal ins Recht gelegte Akten (im Zivil- und Strafverfahren) weder den Parteien noch den Fürsprechen aushingegeben werden, bis zur Prozesserledigung vor der obern Instanz, bezw. bis nach Ablauf der gesetzlichen Fristen zum Weiterzug der Sache. Dagegen kann den Betheiligten durch den Gerichtspräsidenten Einsicht in die Akten bewilligt werden.

Art. 31. Die Gerichtsschreiber entwerfen und motiviren die Urtheilssprüche der Gerichte in Vorfragen, Zwischenentscheiden und in Hauptsache, legen die Entwürfe dem Gerichte vor und verlesen die Urtheile, nach erfolgter Genehmigung, den Parteien.
Sämmtliche Urtheile müssen wörtlich, wie sie verlesen und den Parteien zugestellt worden sind, in's Protokoll eingetragen werden.

Art. 32. Die Urtheile sind mit folgenden Angaben abzufassen :
a) des Gerichtes, des Ortes und der Zeit der Sitzung, mit Angabe ob sie eine ordentliche, ausserordentliche oder Extrasitzung sei;
b) mit deutlicher Benennung des Namens und des Wohnortes des Klägers und Beklagten und ihrer Rechtsbeistände;
c) den Rechtsbegehren bezw. Einreden der Parteien;
d) den zur Begründung, bezw. Bestreitung vorgebrachten Beweisstücken, als Gesetze, Rechtsgewohnheiten, Gerichtspraxis, Zeugnisse (mit Benennung der Zeugen), Gutachten und Untersuchungs- und Expertenbefunde;
e) den Erwägungen des Gerichtes, in logischer Ordnung und präziser Fassung;
f) schliesslich mit dem Urtheilsspruch in kurzen, klaren Sätzen.
Der Obergerichtsschreiber hat die Urtheile nur dann zu motiviren, wenn die Motive des Gerichtes, bei gleicher Sentenz, von denjenigen der ersten Instanz abweichen, oder die Dispositive geändert werden.
Die Gerichtsurtheile sollen in geziemender Form und Reinschrift ausgefertiget und vom Präsidenten und Schreiber unterzeichnet und timbrirt werden.

Art. 33. Am Schlusse einer jeden Sitzung hat der Gerichtsschreiber dem Präsidenten ein Verzeichniss der an Ausschüsse, an die Staatsanwaltschaft oder das Verhöramt überwiesenen Geschäfte zuzufertigen (siehe Art. 28).
Sämmtliche Ausfertigungen des Protokolls sind vor der Absendung dem Präsidenten zur Einsicht vorzulegen.

Art. 34. Der Gcrichtsschreiber besorgt das Sekretariat aller Gerichtsausschüsse.

Art. 35. Die Gerichtsschreiber fertigen die Sitzgeldlisten aus, stellen nach jeder Sitzung sofort ein genaues Verzeichniss der ausgefällten Geldbussen (einschliesslich Ordnungsbussen und eventuell deren Aufhebung) der Staatskassa zu und haben für Deposition der muthmasslichen Gebühren für Ausschüsse (Art. 8) zu sorgen.

Art. 36. Im Falle der Verhinderung des Gerichtsschreibers hat ein anderer Landschreiber, eventuell ein Gerichtsmitglied die Stellvertretung zu besorgen.

Art. 37. Alle fünf Jahre sollen sämmtliche Gerichtsprotokolle eingebunden und mit den bezüglichen Akten, welche zu ordnen und zu nummeriren sind, dem Archiv einverleibt werden. Ueber alle Zivilprozess- und Straffälle ist ein fortlaufendes Register zu führen.

c. der Gerichtsweibel.

Art. 38. Dieselben stehen zur Verfügung der Präsidenten, der Mitglieder, des Gerichtes und der Ausschüsse, sorgen für Handhabung der Ruhe und Ordnung ausser des Gerichtssaales und verzeigen Zuwiderhandelnde dem Gerichte. Sie tragen das Standeszeichen auf der linken Brustseite des Rockes.
Der Landweibel, welcher auf dem Rathhause wohnt, ist Abwart der Gerichtskanzlei.

Art. 39. Die Weibel rufen die Fürsprechen, Parteien und Zeugen zum Vortreten, fordern vor Beginn der mündlichen Verhandlung das Gerichtsgeld und dann die erkannten Geldbussen ab, nehmen sofort entrichtete Strafgelder in Empfang und theilen das Sitz- und Marschgeld aus.

Art. 40. Kein Gerichtsweibel darf von der Sitzung ferne bleiben oder dieselbe verlassen, ohne Bewilligung des Präsidenten. Für allfälligen Ersatz hat der Letztere aus der Zahl der Landweibel zu sorgen.

IV. Aufsicht über die Rechtspflege.

Art. 41. Die Aufsicht über die gesammte Rechtspflege übt das Obergericht aus; es ist für dieselbe dem Landrath verantwortlich.
Das Obergericht übt diese Aufsicht mindestens jährlich einmal durch Ausschüsse dadurch aus, dass es
a) Einsicht in die Protokolle und Kontrolen der verschiedenen Gerichte nehmen lässt, allfällige Verstösse gegen die vorschriftsgemässe Geschäftsführung und Handhabung der bezüglichen Gesetze und Vorschriften korrigirt und die grundsätzlichen Erlasse der untern Instanzen bezüglich Geschäftsordnung und dergleichen prüft. Zu diesem Behuf kann es Berichte einfordern oder Untersuche anheben;
b) Einsicht nimmt von den Kontrolen der Staatsanwaltschaft und Aufsicht führt über deren Amtsverrichtungen vor Gericht;
c) das Verhöramt in Hinsicht auf die Handhabung der Vorschriften und Instruktionen und den Geschäftsgang kontrolirt;
d) die Amtsführung der Vermittlerämter überwacht und sie nötigenfalls zur Pflichterfüllung anhält.
Dem Obergericht steht die Befugniss zu, Landesfürsprechen, welche sich zu öftern Malen gerichtliche Ordnungsbussen zugezogen, auf Antrag des betreffenden Gerichtes bis auf vier Monate im Amte zu suspendiren, und Ordnungsbussen auszusprechen.

Art. 42. Das Obergericht ertheilt über die ihm zur Aufsicht zugewiesenen Funktionen Weisungen und Befehle, denen die betreffenden Gerichte und Amtspersonen nachzuleben haben.
Diese Rechte erstrecken sich jedoch nicht auf einzelne Ge- richtsurtheile, ausser wenn das Obcrgericht als Appellations-, Rekurs- oder Kassationsinstanz zu sprechen hat.
Glaubt ein unteres Gericht, das Obergericht habe in seinen Weisungen und Befehlen seine Kompetenz überschritten, so mag es den Entscheid des Landrathes anrufen.

Art. 43. Klagen über Missbrauch der Amtsgewalt, Rechtsverweigerung. Rechtsverzögerung oder andere Informitäten gegen richterliche Behörden oder Beamte sind dem Präsidenten des Obergerichtes schriftlich zuzustellen, der sie dem Letztem vorzulegen hat.
Dasselbe kann, nach Einvernahme der Beklagtschaft, Mahnungen oder Rügen ertheilen, Ordnungsbussen ausfällen oder den Fehlbaren vor seine Schranken zu weiterer Bestrafung ziehen.
Im Falle schwerer Vergehen oder Verbrechen, denen sich eine gerichtliche Person schuldig macht, kann das Obergericht dieselbe im Amte suspendiren und Ueberweisung an das Kriminalgericht beschliessen.

Art. 44. Das Obergericht entscheidet in Kompetenzkonflikten zwischen untern Gerichtsinstanzen, sowie über ausserordentliche Ergänzung derselben in Fällen von besondern Ausstandsverhältnissen, wobei zunächst Richter und Ersatzmänner eines andern Gerichtes zu berufen sind.

Art. 45. Das Obergericht erstattet alle zwei Jahre dem Landrathe den Rechenschaftsbericht über das gesammte Justizwesen des Kantons.
Zu diesem Behuf haben die untern Gerichtsinstanzen, die Staatsanwaltschaft, das Verhöramt und die Vermittlerämter ihre Berichte bis Ende Mai dem Obergericht zuzustellen, welches hinwiederum den Gesammtbericht bis Ende Juli druckfertig den Mitgliedern des Landrathes und der Prüfungskommission desselben zur Verfügung stellt.

Art. 46. Klagen gegen die Amtsführung des Obergerichtes sind an den Landrath zu richten.

Art. 47. Der Obergerichtspräsident stellt Rekurs-, Kassations- und Beschwerdeschriften den betreffenden Gerichten oder Amtspersonen zur Vernehmlassung zu, mit Anlegung einer fatalen Frist. Ihm ist es überlassen, den Originalakt oder eine Abschrift zur Vernehmlassung abzugeben.»

> Liste der Änderungen vom 10.04.1890, siehe: Abl UR 1890, S. 224, Beilage S. 1-4.
Reglement für die Justizbehörden des Kantons Uri (31.03.1886, Abl UR 1886 nach S. 124 (Beilage 2, 01-16))


Quelle: Reglement für die Justizbehörden des Kantons Uri (Erlassen den 12.03.1886; seit 01.07.1886); Regierungsratsbeschluss vom 10.04.1890.

 
RECHTSAMMLUNGEN

Übersicht
Rechtsquellen vor 1798
Urner Landbuch, 1823-1841
Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Das Landbuch, 1891-1916
Sammlung der Gesetze, 1892-1958
Zwischenspiel Amtsblatt, 1959-1975
Das Urner Rechtsbuch, ab 1976

ABKÜRZUNGEN

LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 15.09.2020