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Die Räuberbande im Wassnerwald
Die Gotthardstrasse war früher nicht immer sicher zu begehen. Soldaten, die aus fremden Ländern heimkehrten, und anderes arbeitsscheues Gesindel verlegten sich auf das Räuberhandwerk. Namentlich war der finstere Wassnerwald in der Gemeinde Gurtnellen, der sich zwischen Meitschligen und Wyler fast eine Stunde weit ausdehnt, eine gefürchtete Gegend. Das Brüllen der Reuss und des Fellibaches übertönte jeden Hilf- und Jammerschrei eines Opfers.
Eine Räuberbande, von 48 Mitgliedern, so viel nämlich als Karten im Kaiserspielries, bewohnte eine gutversteckte Höhle im Fellitobel nicht weit von der Fellibrücke und den einsamen Güetligaden an der Gotthardstrasse, hart an der vorüberfliessenden Reuss. Die Mitglieder der Bandebe nannten sich gegenseitig nach den Namen der Spielkarten: «Schallä­Joos», «Blass», «Schiltä-Sü», «Mugg» usw. Bei der Fellibrücke spannten sie nachts Seile oder Draht über die Strasse und befestigten Schellen daran oder legten Fallen, und die Leichen ihrer Opfer warfen sie in den Fellibach oder in einen Gunten der tosenden Reuss, daher die Namen Fellibach, Fellital, Fellenen.
Die kostbarsten Postsachen musste der Hansli Metzger von Wassen über den Gotthard spedieren. Er war den Räubern schon längst bekannt, und es fehlte nicht an Nachstellungen, um ihn zu fangen; aber noch immer war er ihren Schlingen entgangen. Er lachte ihrer nur, und die Bande wurde ganz erbost über ihn.
Er wusste auch, dass sie im Güetligaden viel Geld versteckt hatten. Eines Abends, da die Bande ausgeflogen, stellte er sein weisses Rösslein in den Untergaden, dessen Türe gegen die Strasse gewendet war. Er selber legte sich in den Obergaden, um die Räuber zu trotzen, und deckte sich mit einem Laden.
Im Laufe der Nacht kamen diese zurück, aber immer nur ganz wenige auf einmal; den Hansli hielten sie in der Dunkelheit für einen der ihrigen. Nachdem alle achtundvierzig angekommen und den neuen Raub dem alten Geldhaufen beigesellt hatten, legten sie sich schlafen. Als alle schnarchten, stand Hansli auf. «Wer da?» rief einer der Räuber. Der unerschrockene Hansli, mit den Namen und Gewohnheiten der Bande vertraut, antwortete: «D'Schallä-Sü müess üff ga tschodärä!» Zum Glück schlief diese fest, sonst wär’s um den Verwegenen geschehen gewesen. Dann packte er das Geld der Räuber, legte im Untergaden und auf der Bsetzi Decken und Mäntel auf den Boden, nahm sein Rösslein heraus und bestieg es auf der Strasse. «DerHansli Metzger mid em grossä Gäldgurt isch da, wenn-er eppis von em wennt!» rief er noch höhnisch zum Heutor hinauf und sprengte aus Leibeskräften davon. Die Rotte erwachte, und wie ein Bienenschwarm, der «Schallä­Joos» voran, stürmte sie zum Tor hinaus.
Auf der Leiter strauchelte der «Schallä-Joos», fiel und brach sein rechtes Bein, wie man das noch heute auf den deutschen Karten sehen kann. Doch raffte er sich auf, und hinkend folgte er noch eine ganze Strecke weit seinen Gesellen nach.
Im Schluchenkehr unterhalb Wassen beim «gezeichneten Stein» erreichten die schnellsten der Räuber den Hansli, und in dem Augenblick, da dieser über einen Trämel, der im Wege lag, setzen wollte, packte der «Schiltä-Joos» den Schwanz des Pferdes bei den Haaren. Aber wie der Blitz wendet sich Hansli Metzger um, mit einem kräftigen Schwerthieb haut er seinem eigenen Tier den Schweif ab, und der «Schiltä-Joos» stolpert über den Trämel und fällt auf die Nase, den Pferdeschweif fest in die Hände gepresst. Zum ewigen Andenken daran hält auch heute noch der «Schiltä­Joos» im Kartenries ein Schwänzchen im Maul. Der Reiter aber musste sein Tier in des Teufels Namen antreiben und sprengen, und als er zu Hause ankam, fiel das Rösslein tot zusammen.

Müller Josef, Sagen aus Uri, Band I, Nr. 3, S.8 ff.
   
Die Sage spricht die historische Tatsache an, dass früher die Wege oftmals unsicher waren.Sie liefert auch zwei Interpretationen von alten deutschen Spielkarten.
Eine andere Variante erzählt, dass die Räuber ein Mädchen entführten, welches dann den Weg zum Räuberversteck mit Sägemehl markierte und so konnte die ganze Räuberbande getötet werden.

IN DIESER SAGE VORKOMMENDE FIGUREN

Der schlaue Einheimische
Die Räuber

SAGENHAFTE ÖRTLICHKEITEN

Gurtnellen, Fellital   
Gurtnellen, Wassnerwald   

SAGENHAFTE THEATERSTÜCKE

 

 

 

 

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / letzte Aktualisierung: 22.06.2022