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«Das Urner Dorf» von Karl Iten



Hospental

«Beim Blättern in alten Büchern mit stockfleckigen Stichen bin ich dir zuerst begegnet. Sie haben mir dein Lob gesungen und mich hierher gelockt. Ein genialer Architekt scheint dich in einer glückhaften Stunde ersonnen zu haben. Das Finstere und das Lichte reichen sich hier die Hand: Dunkel und drohend blickt der schmucklose Turm der Burg in deine Gassen; doch hell und freundlich steht dein eigenwilliges Gotteshaus über den schwarzbraunen Holzhäusern. Unten, in der engen Gasse, glaubt man noch immer das dumpfe Rumpeln der Kutschen, das holprige Rasseln der Räder, das muntere Getrappel der Postpferde zu hören, die mit ihren Hufen Funken aus dem steinernen Pflaster schlagen. Drüben auf der alten, mit rostigen Steinflechten bewachsenen Brücke ist die Zeit stillgestanden. Die Inschrift im steinernen Brückengeländer ist kaum mehr, und nur im schrägen Sonnenlichte lesbar: ein Epitaph auf eine vergangene Zeit! Hospental, ich liebe dich wie kein anderes Dorf, und doch warst du mir niemals nur Ziel; denn hier packte mich jedesmal ein ungestümer Reisedrang! Deine eng zusammengedrängten Häuser sind das letzte Menschenwerk, ehe sich die Passstrasse ins Ungewisse, in die einsamen, baumlosen Hänge, in die kahlen Trümmerfelder voller Melancholie hinauswagt. Gleich hinter den letzten Mauern beginnt das Wilde, Ungeformte, das menschenleere Tal. Aber von weit hinten lockt ein milderes Licht, und eine verheissungsvolle Bläue guckt über die Passhöhe. – Noch ein paar kurze Stunden, dann steigen die blauen Schatten wieder aus der Tiefe, die Türme werden als schwarze Silhouetten vor dem Goldgrund des Abends stehen, und der helle Stundenschlag der Kirchturmuhr wird dieser Landschaft Raum und Weite geben.»

Iten Karl; Eine beschauliche Reise durch den Kanton Uri festgehalten in einer Folge von Linolschnitten und Texten von Karl Iten; Altdorf 1968.


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Zumdorf

«Einsames, verfallenes Dorf! Kein Mensch, kein Laut, keine Spuren im Schnee! – Vor Jahren, an einem sonnenheissen Sommertag, trat ich im Feuer der brütenden Mittagsstunde das erste Mal in deine wispernde Verlassenheit. Im gleichen Augenblick überkam mich eine merkwürdige Verwirrung: Warum nur fühlte ich mich hier als Eindringling, trotzdem ich wusste, dass dieser kleine Weiler seit Jahrzehnten verlassen ist und unbewohnt? Was war es, das mir das unbestimmte Gefühl verlieh, seither habe irgend etwas Ungeheuerliches, Unbekanntes, Unnennbares von diesen Häusern Besitz ergriffen? Deine Substanz, Zurndorf, ist schon aufgelockert; zerbrochen sind die Fensterscheiben; abgeblättert und verwaschen ist die Farbe. Trügerische Geräusche, verworrenes Flüstern, Wispern, Rascheln schrecken deine Besucher aus ihren wunderlichen Gedanken: das abbröckelnde Gemäuer, das unaufhörliche Rieseln des Staubes in den Mauerritzen, das unaufhaltsame, windbewegte Weiterwuchern zitternder, züngelnder Gräser. Moose, Flechten und die phantastischen Gespinste des Schimmels überziehen dich mit abgenutzten, welken Farben; Gesimse und Schwellen verschwinden unter den endlosen krankhaften Wucherungen unzählbarer Jahre des Schweigens und des Vergessens; sie entziehen dich immer mehr unserem Gedächtnis. Nur wen eine abendliche Wanderung hier vorbei führt, der mag vielleicht die blasse Phosporeszenz der Erinnerung wie einen bläulichen Schein durch die leeren Fensterlöcher geistern sehen. Die Gerüche von Moder und Vergänglichkeit drangen mir damals fast schmerzhaft ins Bewusstsein, und aufatmend trat ich endlich, wie aus der Bedrängnis eines bangen Traumes, wieder hinaus in die Bezirke des blühenden, atmenden, farbigen Lebens!»

Iten Karl; Eine beschauliche Reise durch den Kanton Uri festgehalten in einer Folge von Linolschnitten und Texten von Karl Iten; Altdorf 1968.


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Bauen (1802-2020)



Karl Iten verfasste viele Bücher und Schriften über Uri. So erschien 1968 eine beschauliche Reise durch den Kanton Uri festgehalten in einer Folge von Linolschnitten und Texten. Darin hat er alle Urner Dörfer aus seiner Sicht porträtiert.

> Portrait Karl Iten (1931-2001)

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / letzte Aktualisierung: 22.09.2021